Suyeon Yu, Foto: (c) Im Sohyun

MHL Lübeck
Zum Abschluss eine große Chance - ein Solistenkonzert der Musikhochschule

Vier Absolventen an der Musikhochschule Lübeck (MHL) waren zu einem besonderen Ereignis eingeladen. Sie bekamen durch die Philharmonische Gesellschaft des Lübecker Orchesters die Möglichkeit, zum Abschluss ihres Studiums einem breiten Publikum zu präsentieren, welche Fähigkeiten sie im langjährigen Studium erworben hatten.

Bei einem Examen gleich ein ganzes Orchester hinzuzuziehen, ist schwer machbar und die Prüfung selbst ein Privatissimum. Deshalb ist diese Möglichkeit, zusammen mit dem professionellen Orchester ihres Studienortes noch einmal ein bedeutsames Werk öffentlich aufzuführen, eine großartige Chance, sich zu erproben.

Vier unterschiedliche Fächer kamen dabei zum Zuge. Eine Cellistin begann. Sie präsentierte die historisch älteste Komposition an diesem Tage, Joseph Haydns (1732‑1809) Konzert für Violoncello und Orchester in D-Dur, das er im Jahre 1783 komponiert hatte. Immer wieder ist es in Programmen zu finden, obwohl die Interpreten selbst heute noch allergrößten Respekt vor ihm haben. Für die 27-jährige Südkoreanerin Suyeon Yu, Studentin in der Klasse von Prof. Troels Svane, bestand nach eigenen Worten die „größte Herausforderung darin, technische Präzision und Leichtigkeit zu verbinden“. Sie spielte ein Cello, das eine charaktervolle, sehr obertonreiche Klangfarbe besitzt. Wundervoll zart wirkten dadurch die Soli im „Allegro moderato", dem ersten Satz, durchsichtig auch die mit großer Ruhe gestalteten Nuancen und Details darin. Im „Adagio“ des zweiten Satzes versteckte sie sich nicht hinter dessen lyrischer Anmutung, die ihn nur scheinbar einfach machte. Der schlichte Ausdruck bezauberte auch hier durch die Ruhe der Figurationen. Alles gelang der Solistin, zumal im finalen „Rondo Allegro" auch die rasanten Sechzehntel überzeugten und die Partien in teils sehr hohen Lagen oder mit kniffligen Doppelgriffen.

Yurika Kimura, Foto: (c) hiro.pberg BerlinYurika Kimura, Foto: (c) hiro.pberg BerlinEine Komposition ungewöhnlichen Charakters war das A-Dur Klavierkonzert von Franz Liszt (1811‑1886), das die Musikalität vor allem des Solisten herausforderte. Beinahe 20 Jahre hatte Liszt an diesem einsätzigen und eigenwillig rhapsodisch gehaltenen Werk gearbeitet, das er ursprünglich „Concert symphonique“ nannte, bis die endgültige Fassung 1857 in Weimar uraufgeführt wurde. Ihm widmete sich nun eine Schülerin von Prof. Konstanze Eickhorst, die 32-jährige Japanerin Yurika Kimura. Sie wurde bereits mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet, im letzten Jahr unter anderem mit dem von Possehl. „Durch die Virtuosität“, sagte sie im Vorwege, könne sie „das Potenzial des Klaviers ausschöpfen.“ Dazu sei „der Orchesterklang so prachtvoll und sinfonisch, viel mehr als nur eine Begleitung.“ Zu spüren war das im hinreißend leidenschaftlichen Zusammenwirken des Orchesters mit ihr wie auch in den kammermusikalisch feinen Partien, die Liszt für das Solocello mit dem Piano komponiert hatte. Beides wurde begeistert aufgenommen, und die Pianistin wegen ihrer sicheren Technik bewundert.

Yoogeon Hyeon, Foto: (c) UPR-StudioYoogeon Hyeon, Foto: (c) UPR-StudioNach der Pause waren zwei Werke des 20. Jahrhunderts zu hören, aber zwei mit unterschiedlicher Wirkung. Der Schweizer Komponist Frank Martin (1890 – 1974) hatte „Sechs Monologe aus >Jedermann<‘“ geschaffen, die von einer expressiven Endzeitstimmung zeugten. Hugo von Hofmannsthal hatte sich dabei auf einen alten englischen „Everyman“ und einen Text von Hans Sachs bezogen, dabei den alten Sprachduktus beibehalten. Musikalisch verstärkt wurde das Schwermütige durch düstere Bläserakkorde, drohende Paukenwirbel und chromatische schwere Akkordwirkungen. Für dieses Werk hatte Martin 1943/44 zunächst eine Klavierfassung geschaffen, nur wenige Jahre später sie für ein großes, bläserlastiges Orchester uminstrumentiert. Der 1993 in Südkorea geborene Bariton Yoogeon Hyeon (Klasse Prof. Franz-Josef Einhaus) sang mit bemerkenswert großem inneren Anteil und fing mit seiner kraftvollen Stimme die quälende Stimmung eindrucksvoll ein. Er beschrieb das als „intensive, beinahe spirituelle Reise, die sowohl stimmlich als auch interpretatorisch höchste Konzentration erfordert“.

Strahinja Pavlovic, Foto: (c) MHLStrahinja Pavlovic, Foto: (c) MHLDen Abschluss machte Aaron Copland (1900 - 1990), der Amerikaner litauischer Abstammung, mit seinem Klarinettenkonzert aus dem Jahre 1948. Gespielt wurde es von Strahinja Pavlovic, 1996 in Belgrad geboren, der in Lübeck bei Prof. Reiner Wehle und Prof. Jens Thoben studierte. Auch er ist ein Possehl-Preisträger. Von ihm ist zu erfahren, dass er die „Verbindung zweier musikalischer Welten“ liebt, die „typisch amerikanisch geprägte klassische Tonsprache und Jazz.“ Davon ist Coplands Konzert in eigenwilliger Art geprägt. Sein erster Teil „Slowly and expressively“ klingt wehmütig, gibt dem Solisten die Möglichkeit, langsame, aber melodisch gespannte lange Kantilenen zu gestalten. Dem folgt ein zweiter Teil „Rather Fast“, gekennzeichnet durch vielerlei Jazz-Themen, die wiederum dem Spieltrieb des Solisten entgegenkommen. Beides ist ununterbrochen verbunden durch eine längere Solo-Kadenz. Zweierlei wird deutlich, zum einen, dass es eine Auftragskomposition ist, 1947 von Jazz-Klarinettist Benny Goodman an Copland vergeben, die er zum anderen durch den elegischen Ton erweiterte, der auf Persönliches zurückweist, vielleicht, wie zu lesen ist, auf „ein Gefühl der Einsamkeit und sozialen Entfremdung aufgrund seiner Homosexualität“. So bekam Musik plötzlich eine weite Dimension, die im stürmischen Beifall mitzuschwingen schien.

Die Lübecker Philharmoniker unter Dirigent Takahiro Nagasaki hatten in kurzer Zeit vielerlei Stile zu meistern, auch in unterschiedlichen Besetzungen. Hier zum Finale traten sie nur mit Streichern, Harfe und Klavier auf, hatten aber das typische Schlagzeug durch jazzige Effekte zu imitieren. Es machte sicht- wie hörbar Spaß!


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