Wolfgang Haffner

Musik- und Kongresshalle Lübeck
Wolfgang Haffner auf Silent World Tour

Sich hier über die technischen und virtuosen Fähigkeiten des Ausnahme-Schlagzeugers Wolfgang Haffner auszulassen, wäre Eulen nach Athen tragen. Der mittlerweile 56jährige Meister der Drums ist nicht nur national und international einer der coolsten und anerkanntesten Musikers seines Genres, sondern wird auch als musikalisches Allrounder-Talent (Instrumentalist, Band-Leader, Arrangeur, Komponist, Produzent) weltweit geschätzt.

Bereits als 18jähriger wurde er Profi-Musiker und spielte mit Legenden des Jazz wie Albert Mangelsdorf oder Klaus Doldinger, selbst Liedermacher wie Konstantin Wecker oder Soul Diva Chaka Khan griffen auf seine Schlagzeug-Künste zurück. Zuletzt war er bei JazzBaltica im Sommer in Timmendorf zu Gast, wo er mit seiner Dreamband mit Größen wie Bill Evans, Randy Brecker und Nils Landgren den Saal zum Kochen brachte. Jetzt also ein neuer Anlauf im Norden mit seiner persönlichen Band auf Silent World Tour in der Lübecker MuK.

Sebastian StudnitzkySebastian Studnitzky

Der Abend beginnt mit gepflegtem Bossa Nova Jazz aus perlenden Grooves, klangschönen Melodien und wunderschönem Jazz-Gesang der Münchner Sängerin Alma Naidu, die klassisch ohne Text auskommt, aber ihre glasklare Stimme wie ein Instrument einsetzt. Der Rhythmus ist druckvoll und dynamisch, also der typische Haffner-Sound. Freundlich lächelnd gibt Haffner zusammen mit seinem Bassisten Thomas Stieger das Tempo vor und gemeinsam breiten sie den Teppich aus, auf dem sein junger Keyboarder Simon Oslender (24), der langjährige Trompeter Sebastian Studnitzky und Alma Naidu ihre Soli legen.

Erste Jubelstürme brechen aus dem begeisterten Publikum heraus. Dann greift der Meister zum Mikrophon und stellt seine Band ausgiebig vor. Er wünscht dem Publikum einen wunderschönen guten Abend und wundert sich, dass so viele gekommen sind: „Gibt es heute nichts im Fernsehen?“ Er erklärt die ersten Titel des Abends von der neuen Scheibe zur Tour, sowie das Stück „Simple Life“ aus den 2000er, das mal unter den Lottozahlen-Ziehungen lag und ihm dementsprechend diverse Urlaube im warmen Süden finanziert habe, wie er schmunzelnd erzählt. Er ist in Plauderlaune und begrüßt seine Mitspieler mit freundlichen Anekdoten, wie Bassist Stieger, den er sich leider mit Sarah Connor teilen muss, oder sein Trompeter Studnitzky, der schon über 20 Jahre gemeinsam mit ihm spielt, obwohl er doch gar nicht so alt aussieht.



Über seinen Keyboarder Simon Oslender, der als „Rising Star der europäischen Jazz-Szene“ gilt und mit dem er seit 6 Jahren zusammenspielt und mit dem er gerade sein erstes eigenes Album (Peace of mind) produziert hat, sagt er: „Jeder will mit ihm spielen, ich darf mit ihm spielen“. Dann folgt seine großartige Sängerin, die in München lebende Alma Naidu, die er bei einer Jam-Session 2019 beim Jazz-Festival in Burghausen entdeckt hatte. Für ihn ein neuer Stern am europäischen Gesangshimmel. Auch ihr erstes Album hat er gerade produziert: „Alma“, aus der sie dann auch gleich eine erste Kostprobe geben darf: „Tubes“. Dazu erklärt sie: „Es geht um Gleichberechtigung und Solidarität“. „Ich darf meine Haare offen tragen und tanzen“, ergänzt sie und verweist damit auf die Frauen-Revolte im Iran. Sie beginnt ihren glockenklaren Gesang fast schon orientalisch, selbst begleitet am Piano, während sich Haffner am Glockenspiel beteiligt. Ein gefühlvolles Piano-Solo mit solidarischem Text: „Together we will fight for our rights“. Der erste absolute Höhepunkt des Abends, der vom begeistertem Publikum gefeiert wird.

Danach folgt eine Bühnen-Show mit wunderbarem Licht und einem gepflegten Sound zwischen Club- und Festival-Atmosphäre. Druckvoll dominiert Haffners Schlagzeugspiel, das aber die Ambitionen seiner Bandmitglieder nicht einengt. Immer wieder kann Studnitzky seinen Trompeten Sound zwischen gehauchtem Gefühl und eruptiver Kraft, die seine Liebe zu Miles Davis dokumentiert, zur Geltung bringen. Auch die perlenden Keyboard-Kaskaden und Piano-Läufe vom unglaublich talentierten Simon Oslender passen sich wunderbar in das Gesamt-Paket ein. Dann greift Wolfgang Haffner erneut zum Mikrophon und lobt das „beste Publikum der Welt“, um gleichzeitig zu erklären, dass er diesmal nicht zum Jazz-Baltica, wo er schon mindestens 15 mal aufgetreten sei, kommen könne, weil er dann mit Bill Evans in Brasilien spielen werde.

Alma NaiduAlma Naidu

Dann darf erneut Alma Naidu ihre Gesangskunst vorführen. Sich selbst am Piano begleitend, singt sie das gefühlvolle Cover „And so it goes“ von Billy Joel, das sich auch auf ihrer neuen Scheibe befindet. Ein zartes, schönes Lied, das eigentlich schon fast in eine schummerige Jazz-Bar nachts um zwei Uhr gehört. Weiter geht es im Reigen der Songs, die zunächst mit einem Intro beginnen, das ein leichtes Kinderlied gemahnt, dann aber seinen rasanten Rhythmus auspackt und durch Druck und Schnelligkeit fast aus der Kurve fliegt. Die Leichtigkeit und Präzision der Schlagzeugarbeit von Haffner beeindrucken immer wieder. Er schüttelt die komplexesten und dynamischten Trommelläufe dermaßen locker aus den Händen, dass selbst noch Platz ist für überraschende Zwischenschläge. Alle haben Spass und Freude am Musizieren und lachen über sich selbst, ob dieser gemeinsamen Kunst. Haffner präsentiert sein unglaubliches Können mit einer druckvollen Genauigkeit und virtuosen Dynamik, die seinesgleichen sucht. Und wieder jubelt das Publikum mit Recht.

Dann kommen die 5 Musiker/innen an den Bühnenrand und albern mit Gummi-Hämmern vor sich rum. Alma Naidu sitzt im Schneidersitz auf dem Boden und singt wie eine Jazz-Göttin, während die vier Herren um sie rum beste Laune verbreiten und das Publikum mit einsteigt. Fast schon entsteht so etwas wie Lagerfeuer-Stimmung. Haffner spielt mit den Fingerspitzen auf einer Standtrommel, während sich Alma aus ungeahnten Tiefen bis hoch in höchste Höhen vorarbeitet, sensationell. Die Frau muss man sich unbedingt merken. „Strange, I have seen that face before“ - eine weitere Bar-Nummer. Haffner wechselt dann noch von den Drum-Stick zu den Besen und bestreicht gefühlvoll Becken und sein gesamtes Drum-Set, während Alma Naidu haucht: „I see moments of history“.

Bei der abschließenden Zugabe legen die fünf Ausnahme-Musiker noch einmal eine Extra-Schippe drauf und das Publikum klatscht im Stehen, während sich erste mutige Tanz-Begeisterte mit flotten Schritten nach der Musik drehen und entzückt die Arme werden.

Fazit: Ein rundum gelungenes Konzert der Extra-Klasse mit Jazz zwischen Bar und Stadion, voller Gefühl, Dynamik und Groove. Ein magischer Abend voller Schönheit und guter Laune. Hoffentlich gibt es bald ein Wiedersehen mit dieser grandiosen Band in Lübeck, wünscht sich Holger Kistenmacher.


Fotos: (c) Holger Kistenmacher

Holger Kistenmacher
Holger Kistenmacher
Jahrgang 1956, freischaffender Journalist seit gut 25 Jahren, studierter Realschullehrer, praktizierender psychosozialer Betreuer, ambitionierter Fotograf und Kulturschreiber mit den Fachgebieten: Moderne Gegenwartskunst, Literatur, Musik zwischen Jazz und Rock, Nordische Filme, Moderner Tanz. Weltenbummler und Reisejournalist.

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