Drei neue Krimis
Mord und Todschlag - aber bitte mit Humor

Heute möchte ich der geneigten Leserschaft mal wieder drei neue Bücher aus dem Genre der Krimis vorstellen, die mit jeder Menge abseitigem Humor, schrägen Ideen und lässigen Ermittlern daherkommen.

Dabei handelt sich erstens um eine Fortsetzung von Kalmann, dem selbsternannten Sheriff aus Raufarhöfn aus dem hohen Norden Islands, zweitens der jüngste Fall von Kommissar 00 Schneider, das ist bereits der 7. Fall des skurrilen Chefermittlers aus dem Ruhrpott, den der Komiker Helge Schneider zum Ermitteln losschickt, sowie Band 5 der äußerst erfolgreichen Krimiserie „Achtsam Morden“ aus der Feder von Karsten Dusse.

Joachim B. Schmidt hat mit Kalmann einen liebenswerten und ungewöhnlichen Protagonisten erfunden, der als selbsternannter Sheriff von Raufarhöfn geheimnisvolle Morde aufklärt, auch wenn er aufgrund seines Down-Syndroms eigentlich an einer Behinderung leidet und meist nicht so recht ernst genommen wird. Jetzt hat der Schweizer Schriftsteller mit Wohnsitz Island seinen unkonventionellen Helden, der in seinem ersten Abenteuer einen Eisbärenangriff überlebte, auf eine Reise zu seinem leiblichen Vater in die USA geschickt. Dort gerät er allerdings schnell in die politisch aufgeladene Stimmung im Lande, nimmt versehentlich am Sturm auf das Capitol teil und sitzt schnell in Auslieferungshaft, beziehungsweise kurze Zeit später wieder im Flugzeug zurück nach Island.

Schmidt nutzt Kalmanns einzigartige Perspektive, um die Geschichte in einer authentischen Ich-Erzählung zu präsentieren. Der Erzählstil bleibt dabei direkt und unverblümt, wobei Kalmanns Stimme zwischen derbem Humor und philosophischen Einsichten pendelt. Die Darstellung der chaotischen und nationalistischen Unruhen, ausgelöst von Donald Trump rund um das Capitol bietet eine äußerst beunruhigende Perspektive auf die politischen Spannungen und die Spaltung der Gesellschaft in den USA.

Dabei ist Kalmann eigentlich ein Mensch der geregelten Ordnung, wie man im Vorfeld bei seinem Job als Einkaufswagen-Schieber eines großen Supermarktes erleben kann. Natürlich sammelt er alle wild parkenden Einkaufswagen ein und schiebt sie vom Autoparkplatz dahin zurück, wo sie hingehören. In den USA wird ihm allerdings klar, dass sein geliebter und gerade verstorbener Großvater eigentlich ein Spion war und nicht eines natürlichen Todes gestorben ist. Also legt er wieder seinen Sheriff-Stern an und beginnt zu ermitteln. Zwar war der Großvater senil und lebte in einem Altersheim, aber trotz Corona-Krise scheint sein Tod doch etwas überraschend schnell über die Bühne gegangen zu sein. Also führt die Geschichte zurück nach Amerika und in die Zeit des kalten Krieges. Und wer muss diesen geheimnisvollen Fall aufklären? Korrekttomundo: Kalmann, der berühmte Sheriff von Raufarhöfn. Ohne zu viel zu Spoilern kann ich ein bleihaltiges und explosives Ende der Geschichte vorhersagen.

Trotzdem muss man zum 2. Kalmann-Fall noch einiges mehr sagen, denn für den Leser oder die Leserin, die den ersten Teil nicht kennen, ist es etwas schwierig, sich in das Personal und die eigenwilligen Verhaltensweise von Kalmann reinzufinden. Da hat Schmidt zwischenzeitlich vielleicht ein bisschen zu viel von Forrest Gump abgekupfert, wenn man mitkriegt, in wieviel Chaos und Kalamitäten der junge Held reinstolpert, als er endlich seinen amerikanischen Vater kennenlernen will. Trotzdem gelingt dem Autor sprachlich wieder ein wundervoller Roman aus einer satirischen Räuberpistole, verknüpft mit grandios beschriebenen Landschaftsbildern und liebevoll entwickeltem Personal. Dabei fällt natürlich insbesondere unser Held, der aufgrund seiner Behinderung mit besonderen Augen durchs Leben geht, aber gleichzeitig voll seinen Mann steht, durch seine Authentizität, Ehrlichkeit und Liebenswürdigkeit, positiv ins Gewicht. Natürlich spielt Joachim B. Schmidt mit den Lesenden, ihren Vorurteilen, ihren Einstellungen zum Normalsein, trotzdem hat er mit Kalmann einen Symphatie-Träger erster Güte entwickelt. Absolute Leseempfehlung nicht nur für Island-Fans.

Joachim B.Schmidt: Kalmann und der schlafende Berg, Diogenes Verlag Zürich, 2023, 302 Seiten, 24 Euro

Helge Schneider ist eigentlich einer der größten Komiker im Lande, auch wenn nicht alle mit seiner skurrilen und schrägen Kunst des Humors etwas anfangen können. Dabei ist Schneider in erster Linie ein begnadeter Jazzmusiker, der ziemlich sonderbaren Klamauk im Hirn hat. Als „singende Herrentorte“ hat er besonders mit dem Lied „Katzenklo“ die Massen erreicht. Aber auch als Filmemacher (Texas - Doc Schneider hält die Welt in Atem), Schauspieler, Hörspielautor und Schriftsteller, sowie bildender Künstler ist er schon in Erscheinung getreten. Besonders seine Krimireihe um den Kult-Kommissar 00 Schneider ist als Film oder Buch neben seiner Musiker-Karriere ein weiteres gewichtiges Standbein für den 1955 in Mühlheim an der Ruhr geborenen Künstler.

Jetzt hat er den siebten Band der Krimi-Serie vorgelegt. In „Stepptanz“ ermittelt der schlaksige Kommissar im Umfeld eines Serienmörders, der seine Opfer zu neuen hybriden Wesen verarbeitet. Wir starten klassisch mit einem Mord, die Leiche weist allerdings einige Merkwürdigkeiten auf: Der zur Rate gezogene Gerichtsmediziner „befand, dass es sich bei der Figur um Teile einer Schaufensterpuppe, um menschliches Gewebe, fast ganze Körperteile darunter, Elektronik und auch Gehacktes, handelsübliche Ware, handelt“. Eine Mensch-Maschine, die mit Zitronengenever läuft.

Wer der zwangsläufige mordende Konstrukteur dieser Hybridwesen ist, steht für die Leserschaft wie für den zerknautschten Kommissar relativ schnell fest. Es geht also augenscheinlich nicht in erster Linie um die Aufklärung eines Verbrechens, sondern um eine Geschichte in naher Zukunft, in der hybride Wesen aus Technik und künstlicher Intelligenz, kurz den „Hybs“ durch die Gegend geistern und oft einen gewaltsamen Tod sterben, wie Helge Schneider im Interview erklärte. Dabei spiegelt seine schräge Fantasie eigentlich nur eine Wirklichkeit, die noch viel gewalttätiger und abstruser daherkommt. „Unseren Kindern werden tagtäglich die grausamsten Bilder übers Handy zugeschickt, und sie alle schauen sich das alles zudem in den sozialen Medien an. Insofern ist das, was ich geschrieben habe, noch lange nicht so grausam wie die Realität. Das muss man sich mal vorstellen: Obwohl alles in meinem Buch schon so spektakulär absurd ist, so absurd wie die Wirklichkeit ist es nicht“.

Sein neuer Krimi birgt vielleicht nicht die stringenteste Kriminalgeschichte, fächert dafür aber eine ganze Menge anderer Themen auf. Vordergründig geht es salopp um Mord und Totschlag, dahinter lauern aber elendig einsame, verschrobene Charaktere, die mit verschiedensten Mitteln versuchen, ihre Isolation zu durchbrechen. Manche lernen Stepptanz, andere packen einen Lottogewinn in den Karokoffer, um einer lieblosen Ehe zu entfliehen und in Italien ein neues Leben in Dolce Vita zu erleben. Manche wollen einfach nur einen Historienfilm drehen, Arbeitstitel: „Der Bulle von Nazareth“. Wiederum noch andere löten sich aus Altplastik, Kondensatoren und gemischtem Hack, angetrieben von Likör, Kunstwesen in der Garage zusammen, die irgendwann keinen Bock mehr haben auf ein Leben mit sexgeilem Erbauer und lieber nach Paris in einen gekaperten Transporter ausbüxen.

Natürlich darf man das alles nicht zu ernst nehmen, sollte man ja schließlich auch nicht erwarten, wenn das aus der Feder von Helge Schneider kommt. Trotzdem geht dieser gehobene Blödsinn über den reinen typischen Mummenschanz hinaus, wie man auch im Epilog am Ende des Buches nachlesen kann: „Als ich 2018 mit den Arbeiten zu diesem Buch begonnen habe, hatte ich nicht die geringste Ahnung, was wirklich heute in unserer Welt so los sein würde. Ich muss sagen, die Realität hat in großer Eile meine absurden Ideen bezüglich dieses Buches plötzlich eingeholt. Ich hätte nie gedacht, dass meine schmutzigen Schriftstellergedanken eines Tages Wirklichkeit werden könnten.“

Also vielleicht ist es schlau, sich schon einmal einen kleinen Vorrat an Zitronengenever im Keller anzulegen.

Helge Schneider: Stepptanz, Kiepenheuer & Witsch, Köln, 2023, 185 Seiten, 22 Euro.

Mein dritter Krimi-Tipp stammt von Karsten Dusse, der sich mit seiner Achtsam-Morden-Buchreihe als absoluter Bestseller-Autor hochgeschrieben hat. Sein mittlerweile fünfter Band verbindet kriminelles Verhalten mit bewußter Ernährung. Wie gewohnt hat der Protagonist der Reihe, Björn Diemel, der als erfolgloser Anwalt begann, dann aber eher zufällig zum Mafia-Boss aufstieg und wortwörtlich diverse Leichen im Keller hat, Probleme. Der Ich-Erzähler mit der lakonisch, schwarz-humorigen Stimme ist nicht nur von seinem gut laufenden kriminellen Geschäften gelangweilt, sondern hat trotz Achtsamkeit seine körperliche Mitte verloren. Zu wenig Bewegung und Sport, dafür aber Fressattacken aus Chicken Mc Nuggets, Haribo Colorado, Double-Salted-Caramel-Eisbechern und Snickers zum Nachtisch haben dafür gesorgt, dass sich alle seine Probleme reduzieren auf einen einzigen Knopf: „Den Knopf an meiner Jeans“. „Der Knopf wies mich immer schmerzhaft darauf hin, dass sich die Ränder meines Körpers offensichtlich immer weiter von dieser Mitte entfernten“. Als dann auch noch seine geliebte Tochter bei einem Zoo-Besuch entführt werden soll, gelingt es dem arg Übergewichtigen nur noch knapp mit einem Verfolgungssprint kurz vor dem Herzinfarkt plus einem gezielten Wurf mit seinem Handy dieses zu verhindern.

Es wird also dringend Zeit, sein Leben wieder aufregender zu gestalten und seinen Körper auf Vordermann zu bringen. Also sucht er seinen Therapeuten Joschka Breitner auf, der ihm nicht nur zu mehr Sport und Sauna rät, sondern ihn auch vom Heilfasten, inklusive Darmspülung und bewußter Ernährung überzeugen möchte. Also plant er mit einigen kriminellen Kollegen, seine Marihuana-Geschäfte aus Marokko zu verlagern und auf biologischen Anbau im örtlichen Zoo unterhalb des Tiger-Geheges umzusteigen. Das verringert nicht nur den CO2-Fußabdruck durch regionalen Produktionsort plus biologischem Dünger aus Tiger-Gülle, sondern macht auch mehr Spass und erscheint sicherer, aufgrund des äußerst unwahrscheinlichen Grow-Kellers seiner Grünware zu sein. Gleichzeitig geht er das Problem der radikalen Gewichtsreduzierung durch bewußte Ernährung an. Dabei wird er natürlich mit allerlei philosophischen und ernährungstechnischen Weisheiten seines Achtsamkeits-Trainers tatkräftig unterstützt.

Hier ein paar Beispiele aus dem Wissen seines Therapeuten, die die jeweiligen Kapitel einleiten, die aber auch dem geneigten Leser, der sich selbst mit Gewichtsreduzierung befassen möchte, wichtige Weisheiten unterbreitet: „Lebenslügen haben dicke Beine“, „Es gibt keine dicken Seelen. Es gibt nur zarte Seelen, die sich in einem dicken Körper nicht wohlfühlen“, „Füllen sie nicht das Leben mit Mahlzeiten, sondern die Mahlzeiten mit Leben. Alkoholische Getränke haben zwei wunderbare Eigenschaften. Sie können sich damit hässliche Menschen schön- und ihre eigene Dummheit schlautrinken. Beides leider nur für sehr begrenzte Zeiten,“ oder „sie glauben gar nicht, wie einfach es ist, das Richtige zu essen, wenn sie das Falsche gar nicht erst im Hause haben“.

Diese Ratschläge aus der Abteilung „Schöner wohnen im eigenen Körper“ kommen gewohnt lässig aber wahr rüber. Therapeut Breitner gibt seinem Klienten Diemel wichtige Informationen über Lebensmittelgruppen, Heilfasten, Abführmethoden mit Glaubersalz, Darmspülungen mit lauwarmen Wasser und die richtige - achtsame - Einstellung zum Essen und zum eigenen Körper. Hier kann sich der/die interessierte Leser*in auch für sich selbst einige Ratschläge einholen, wenn es denn Probleme mit dem Hosenknopf gibt.

Insgesamt lässt sich aber sagen, dass dieser fünfte Band der Krimireihe, weniger Krimi, dafür aber mehr Ernährungsberatung enthält. Zwar passt diese neue Variante der Achtsamkeit wunderbar in die gesamte Reihe, dürfte reine Krimi-Fans aber etwas enttäuschen. Natürlich punktet Karsten Dusse weiterhin mit seinem schwarzen Humor, den abstrusen Ideen seiner Protagonisten und den wunderbar skurrilen Personen, die gekonnt entwickelt und beschrieben werden. Die gelassen-selbstironische Erzählstimme von Diemel dürfte eigentlich jedem Leser ein Dauergrinsen ins Gesicht zaubern, auch wenn die Story weniger blutrünstig daher kommt. Und natürlich sollte man sich bewußt sein, dass der Roman eine Satire ist und eben kein Abnehm-Ratgeber aus der Esoterik-Ecke. Was das Buch besonders macht, ist der unkonventionelle Ansatz von Dusse, ernste Themen wie Ernährung, Gesundheit und persönliches Wachstum mit schwarzem Humor und Ironie zu behandeln, auch wenn diesmal die Spannung und deren Auflösung eines echten Krimis etwas zu kurz kommt.

Karsten Dusse: Achtsam Morden durch bewußte Ernährung, Heyne-Verlag, München, 2024, 384 Seiten, 24 Euro.

Die Bücher sind in den inhabergeführten Buchhandlungen BellingProsa, Buchfink, Arno Adler, Langenkamp, maKULaTUR, Störtebeker, Buchstabe und Bücherliebe erhältlich.

Holger Kistenmacher
Holger Kistenmacher
Jahrgang 1956, freischaffender Journalist seit gut 25 Jahren, studierter Realschullehrer, praktizierender psychosozialer Betreuer, ambitionierter Fotograf und Kulturschreiber mit den Fachgebieten: Moderne Gegenwartskunst, Literatur, Musik zwischen Jazz und Rock, Nordische Filme, Moderner Tanz. Weltenbummler und Reisejournalist.

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