Nicola Andrioli

7. Travejazz Festival 2021
Doppelkonzert der Extraklasse

Mit einem Doppelkonzert der Extraklasse ging das diesjährige Travejazz Festival im Schuppen 6 zu Ende. Zwar musste die Menge der Jazz-Freunde zunächst etwas lange am Einlass warten, dann wurde die Vorfreude aber auch mit zwei großartigen Konzerten belohnt.

Zunächst hatte sich die Jazz-Gitarren-Legende Philip Catherine mit seinen beiden jungen Musikern Nicola Andrioli am Piano und Sven Faller am Kontrabass angekündigt. Der belgische Gitarrist, der mittlerweile schon 78 Jahre alt ist, gehört seit Jahrzehnten zu den Größten seines Faches. In jungen Jahren spielte er mit Dexter Gordon und Jean-Luz Ponty, war in den 80ern Begleiter von Chet Baker und danach u.a. mit Carla Bley, den Kühn Brüdern, Klaus Doldinger oder als unvergessenes Trio Pork Pie mit Charlie Mariano und Jasper van t´Hof unterwegs.

Los ging es mit „Father Christmas“, das er seinem Freund Charles Mingus gewidmet hatte, der ihm seinen Spitznamen „Young Django“ verpasst hatte, als sie gemeinsam 1977 ein Album aufnahmen. Gerade diese entspannte Spielweise wie sein großes Vorbild Django Reinhardt blitzte immer wieder den ganzen Abend durch. Dessen Kompositionen waren und sind ein ideales Sprungbrett für das filigrane Zusammenspiel der drei wunderbaren Individualisten. Eine Begegnung zweier Generationen des europäischen Jazz, die tief in der Tradition verwurzelt ist, aber trotzdem zeitlose Frische und jugendlichen Esprit ausstrahlte.

Gerade der aus Brindisi/Italien stammende Pianist Nicola Andrioli konnte durch seine fantastischen Läufe über den Yamaha-Flügel begeistern. Aber auch als Komponist vom Stück „Mare di Notte“ wusste er zu überzeugen. Überhaupt bot das Konzert jede Menge Raum für ausgedehnte Soli und unterhaltsame Zwischentexte, die Philip Catherine nutzte, um seinen Humor zu präsentieren. So erklärte er das Stück „7 Teas“ damit, dass sein Arzt ihm bei Check-Up mit 75, also vor drei Jahren, worauf wer rechnen könne, nun sein Alter errate, er möge auf Kaffee verzichten. Woraufhin seine Frau ihm gleich ein Paket mit sieben Teesorten gekauft hätte. Daher also der Song-Titel.

Nicola Andrioli, Philip Catherine und Sven FallerNicola Andrioli, Philip Catherine und Sven Faller

Dann wiederum lässt er seine Gitarre singen, während er grinsend mit geschlossenen Augen mitsummt. Er erweist sich als Spielkind, als er mit seinem Mikro gegen die Saiten seiner Gitarre schrammt, die er dann sehr experimental aufkreischen lässt. Es folgte sein „Song for Martine“, die 4. Tochter von ihm und sein letzter Song „so far“, welches er aber natürlich nicht auf dem Sofa gespielt habe. Und bei der letzten Zugabe spielt er eine kleine wunderbare Melodie, die er Charlie Chaplin widmet und bei der er alle Zuschauer auffordert, mit zu singen/summen. Während die sich nicht lumpen lassen, schleicht er sich lächeln von der Bühne. Der große Philip Catherine hatte mal wieder bewiesen, dass er noch lange nicht zum alten Eisen gehört.

Dann wurde kräftig durchgelüftet und die Bühne für das folgende Kontrast-Programm gerichtet. Denn nun enterten 9 junge Musiker aus dem Großraum Berlin die Bühne. Der Sound der Großstadt stand auf dem Programm und das begann mit funky groovenden Klängen aus den angesagten Clubs der Hauptstadt. „Wanubale“ kam mit zwei Schlagzeugern (Heinrich Eiszmann und Philip Schilz) und dem Elektro-Bass von Moritz Schmolke daher, deren Vorliebe für Break Beats und Drum'n'Bass kaum zu überhören war. Dazu gesellte sich ein satter Bläsersatz (Anton Kowalzki am Baritonsax, Nico Zeidler am Tenorsax, Gabriel Rosenbuch an der Trompete und Jonathan Steffen an der Posaune) und die beiden Spezialisten für das Elektronische zwischen Minimalmusic und Big-Band Sound Max Feig an der E-Gitarre und Moses Yoofee Vester an den Keyboards.

WanubaleWanubale

Dass die Musiker alle erst so Anfang Zwanzig Jahre alt waren und mit „Phosphenes“ gerade ihr Debüt-Album aufgenommen hatten, merkte man den Jungs kaum an. Voller Spielfreude und Talent boten sie dem begeisterten Publikum einen wunderbaren Musik-Mix aus Afro-Beats, funky Jazz und Neo-Soul. Sie rockten den Schuppen so richtig durch und waren selbst von ihrer gelungenen Performance begeistert. Ein wunderbarer Ausklang für das Festival, das endlich wieder vor großem Publikum stattfinden durfte und Lust auf mehr im nächsten Jahr weckte.

Der allgemeine Dank gilt dem vielköpfigen Organisations-Team, welches ein vielschichtiges Programm für alle Freunde des Jazz auf die verschiedensten Bühnen der Hansestadt zu bieten hatte!

Holger Kistenmacher
Holger Kistenmacher
Jahrgang 1956, freischaffender Journalist seit gut 25 Jahren, studierter Realschullehrer, praktizierender psychosozialer Betreuer, ambitionierter Fotograf und Kulturschreiber mit den Fachgebieten: Moderne Gegenwartskunst, Literatur, Musik zwischen Jazz und Rock, Nordische Filme, Moderner Tanz. Weltenbummler und Reisejournalist.

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