Lübecks neuer Generalmusikdirektor: Stefan Vladar, Foto: (c) Olaf Malzahn

5. Sinfoniekonzert der Lübecker Philharmoniker
Das Ende einer GMD-losen Zeit

Wie seit dem 1. Februar 2019 in einer Pressemitteilung veröffentlicht wurde, wird Stefan Vladar ab August, zu Beginn der Spielzeit 2019/2020, neuer Generalmusikdirektor in Lübeck sein. Zwei Tage später nur konnte er erstmals ein Konzert als designierter GMD leiten.

Damit wird endlich die zweijährige Vakanz beendet sein, die durch Ryusuke Numajiris vorzeitigen Weggang und durch eine nicht ganz rühmliche Nachfolgersuche entstanden war. Dass eine gewisse Kontinuität bewahrt blieb, ist der Interimstätigkeit von Andreas Wolf, dem kommissarischen Leiter, zu danken.

Stefan Vladar ist 1965 in Wien geboren, wo er an der Musikhochschule als Pianist und Dirigent ausgebildet wurde. Er gilt als einer der profiliertesten österreichischen Musiker und ist seit 10 Jahren Chefdirigent des „Wiener KammerOrchesters“, mit dem er weltweit auf Tourneen war. Unter anderem spielte er 2016 alle Beethoven Klavierkonzerte als Solist und Dirigent ein. Diese Doppelrolle ist eine Besonderheit seiner Tätigkeit, die er mit den Lübecker Philharmonikern jetzt zum zweiten Male präsentierte. Denn es war nicht seine erste Zusammenarbeit mit dem Orchester und sein erster Auftritt mit ihm vor dem Lübecker Publikum.

Vor fast genau zwei Jahren, damals noch notgedrungen in der Rotunde, hatte er sich in einem Konzert mit einem strukturell gleichen, auch inhaltlich sehr ähnlichen Auftritt vorgestellt. Hatte er damals noch zwei Werke von Mozart im Programm und eines von Schubert, war es bei diesem Dirigat eine nahezu identische Konstellation. Wieder waren es nur Komponisten, die Vladars starke Bindung an Wien verrieten. Haydn war mit seiner Sinfonie 68 zu hören, Beethoven mit dem zweiten Klavierkonzert und Schubert mit seiner „Vierten“. Auch darin war diese Programmgestaltung eine Doublette, dass der Dirigent im zentralen Konzert den Solistenpart mit übernahm, vor zwei Jahren war es Mozarts Klavierkonzert c-Moll, KV 491.

Stefan Vladar, Foto: (c) Olaf MalzahnStefan Vladar, Foto: (c) Olaf Malzahn

Die Nachricht über seine Wahl hatte wohl kurzfristig dazu geführt, dass die MuK nahezu ausverkauft wirkte. So wurde nicht nur wie üblich das Orchester mit viel Beifall begrüßt, auch der Dirigent, den man anschließend in seiner sehr gewandten und impulsiven, dennoch bedachtsam gestaltenden Art erleben konnte. Wer sich an seinen Auftritt vorher noch erinnerte, wird den Unterschied im klanglichen Ergebnis bewundern. Was damals bemüht wirkte, hatte jetzt Farbe und Wärme, wie man sich sensibel gestaltete Wiener Klassik eben wünscht. Vladar kennt sich in diesem Stil besonders aus, formte gleich in der Haydn-Sinfonie ausgesprochen feine melodische Bögen. Das Lübecker Orchester hatte sich bemerkenswert schnell auf den Wiedergabestil umgestellt und fand zu einer einfühlsamen Geschlossenheit. Besonders der langsame dritte Satz stach hervor, der trotz seiner ungewöhnlichen Länge und seiner ebenso ungewöhnlichen Stellung vor dem Finalsatz voll innerer Spannung musiziert wurde.

Konnte man vor zwei Jahren noch die Differenz zwischen dem Solopart auf dem modernen Flügel und dem Ensemble empfinden, das in klassisch kleiner Besetzung spielte, war das dank der besseren Raumakustik sehr viel besser geworden. Versiert gelang Vladar die Doppelaufgabe, die ihn in Beethovens Frühwerk einen virtuosen Part zu bewältigen auftrug, und den wechselnden Orchesterpartien. Es wirkte leicht und geschlossen, als habe man in dieser vertrauten Art schon oft miteinander musiziert.

Die Schubert-Sinfonie, vor zwei Jahren die Sechste, jetzt also die frühere Vierte, zeigte noch einmal alle Qualitäten von Vladars Dirigat. Wunderbar war zu erleben, wie nicht flächig, sondern in feinen Bögen die Themen sich entwickelten, wie längere Steigerungen in sich noch differenziert wurden, wie das Entspannen am Ende von Phrasen geformt wurde, wie selbst Redikte, die sich wiederholenden kurzen Partien, dynamisch abgesetzt wurden.

Stefan Vladar, Foto: (c) Olaf MalzahnStefan Vladar, Foto: (c) Olaf Malzahn

Die Feinarbeit kam an, bannte das Publikum und ließ es langen, dankbaren Beifall geben. Und auch das Orchester schien zufrieden, dankte es ihrem neuen Chef zu dem sonst üblichen Blumenstrauß mit einem eigenen.

PS: Ärgerlich war der Anfang. Dass sich immer ein paar Besucher auf die Empore hinter das Orchester setzen, ist bereits eine störende Unart, wenn es nicht dem geschuldet ist, dass die Halle keine anderen Plätze mehr bietet. Dass aber dem vom Einlasspersonal erst während des ersten Satzes Einhalt geboten wurde und sie die Besucher sich umzusetzen aufforderten, verstärkte den Störeffekt. Zumindest bis zur Applausunterbrechung nach dem ersten Programmpunkt hätten man warten können.

Arndt Voß
Aufgewachsen in Neumünster, in Lübeck seit 1959. Studium in Kiel und Hamburg (Musik- und Literaturwissenschaft). Ständige Mitarbeit an den Lübeckischen Blättern von 1974 bis 2014, Berichte und Kritiken darüber hinaus in einigen anderen Organen. Schwerpunktthemen: Musiktheater, Schauspiel, Konzerte.

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