Jaya the Cat im Rider’s Café
Blümchen-Karla bei den wilden Kerlen

Wir kommen an üppig gelben Forsythien vorbei, passieren wunderschöne Narzissenbeete. Bei zart duftenden Tulpenmagnolien gerate ich ins Stocken.

Sollte ich nicht hierbleiben? Hübsch angelegte Gärten, Sonne, Blütenpracht: Das ist meine Welt! Ich bin mit dem Fahrrad unterwegs, der größtmöglichen Annäherung an ein Bike, die mir zur Verfügung steht. Angst! Worauf habe ich mich eingelassen?

Friedlich durch die Gegend radeln und dabei Popsongs pfeifen – jawohl, auch Bee Gees, Eagle-Eye Cherry und George Ezra – das entspricht mir. Auf Partys tanze ich gern und ausdauernd zu dieser Musik. Doch da gibt es einen, der das, wie er es nennt, seichte Gesäusel satt hat, und das ist ausgerechnet mein Kerl. Weil er so oft mit mir dazu getanzt hat, habe ich eingewilligt, ihn jetzt zu einem Event der kräftigen Klänge zu begleiten. Wir sind unterwegs zum Rider’s Café, und mir ist nur zu klar, dass es sich nicht um das Bistro eines Ponyhofs handelt.

Es geht durch ein Kleingartengebiet. Es wird einsamer, der Geruch nach Feuer beflügelt meine Fantasie von raueren Gefilden. Dann das Gewerbegebiet – ist das noch Zivilisation, oder beginnt gleich ein Krimi? Da – Lichter, Gerede und Lachen. Nur wenige Meter noch. Ob ich vom Radfahren so schwitze?

Vor der Location glänzen drei echte, stolze Bikes um die Wette. Doch daneben – ich sehe und staune – zig Fahrräder! Ich muss meinen Drahtesel also nicht verschämt irgendwo um die Ecke anhobbeln. Menschen sitzen auf Bänken, eine Gruppe Punks hockt auf der Erde. Bier ist das vorherrschende Getränk, okay, mag ich auch, es gibt sogar ordentlich Auswahl. Viele sind schwarz gekleidet, doch nicht alle, und die Frisuren reichen von Irokese bis Pixie Cut. Wer Hut trägt, und das sind etliche, hat sich für den Pork Pie entschieden – Härte und Coolness eines Pete Doherty lassen grüßen. Im Eingangsbereich fällt mir das Lied von den Kaperfahrern ein, die Männer mit Bärten sein müssen, doch Jan und Hein und Klaas und Pit von hier sind freundlich zu mir, mögen sie auch weder Tod noch Teufel fürchten.

Als die Band auftaucht, passiert, was ich mir gedacht habe: Wilde Kerle entern die Bühne. „A good Day for the Damned“ heißt ihr aktuelles Album, und in der Moderation identifiziere ich unschwer „fucking“, manchmal getoppt von „motherfucking“. Das honigfarbene Getränk in ihren Gläsern wird wohl keine Apfelschorle sein, zumindest soll man es bestimmt nicht dafür halten. Die Fluppe hängt dem Keyboarder lässig aus der Lippe, der Bassist springt breitbeinig in Stellung: Da sind Machos am Werk, wie sie im Buche stehen. Es ist halt Punkrock angesagt, das Auftreten ist stimmig, wenn auch die Aufmachung mehr an Hardrock oder Metal erinnert.

Geoff Lagadec, Foto: (c) Thomas SchmittGeoff Lagadec, Foto: (c) Thomas Schmitt

Die Band Jaya the Cat, beheimatet in Amsterdam, stammt ursprünglich aus Boston und hat im Laufe ihrer zwanzig Jahre fast die gesamte Mannschaft durchgetauscht; von den Gründungsmitgliedern ist nur noch Geoff Lagadec (Gitarre und Gesang) an Bord, der klar den Boss gibt. Die aktuelle Besetzung: zwei Gitarren, Bass, Keyboard, Drums. Der Sound: erdig, treibend, mitreißend, eine Mischung aus Ska und Punkrock mit einem Schuss Reggae, nach eigener Aussage inspiriert von The Clash. Ohne es recht zu merken, wippe ich eifrig mit – wahrscheinlich vom ersten Takt an. Meine Blümchenbluse wird unter all den Schwarzshirts umstandslos akzeptiert, ich bin mittendrin und fühle mich auch so. Die Jungs auf der Bühne liefern und liefern; ich muss Geoff unbedingt nach seinem Jungbrunnen fragen! Der Gute hat mir vermutlich das eine oder andere Jährchen voraus, führt sich aber auf wie ich zu Studentenzeiten.

Jan Jaap „Jay“ Onverwagt, Foto: (c) Thomas SchmittJan Jaap „Jay“ Onverwagt, Foto: (c) Thomas Schmitt

Das Zusammenspiel der fünf ist perfekt, ebenso die Show, besonders der Bassist springt umher, wie von der Tarantel-Muse geküsst. Es ist laut, es ist rau, es ist eigentlich nicht meine Welt, aber faszinierend, für zwei Stündchen darin einzutauchen. Und mein Kerl? Hüpft nah bei der Bühne, mal Backbord, mal Steuerbord, fotografiert wie ein Wilder, und guckt, wenn gerade nicht die Kamera sein Gesicht verdeckt, glücklich aus der Wäsche.

Da fällt mir doch glatt Barclay James Harvest ein. Life is for living!

Karla Letterman
Karla Letterman
Karla Letterman ist Krimiautorin aus dem Harz mit Leidenschaft für Norddeutschland, Nebel und Schattenboxen. Lebt seit 2017 in Lübeck. Höchst interessiert an Filmen, Literatur und Sprechkunst. Thomas Schmitt-Schech ist nicht nur Fotograf mit unbezwingbarem Hang zu Nachtaufnahmen, sondern auch nebenberuflich als Tai-Chi- und Qigong-Lehrer unterwegs. Karlas liebster Lichtfänger und Schattenboxer. www.karla-letterman.de / www.lichtblick-fotokompass.de

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