Humming Bee, Foto: (c) Thomas Schmitt

2. Echolot-Festival der MHL
Tanz bis zum Tomatentrommeln

Stelldichein der unterschiedlichsten Musikrichtungen, durchweg in hoher Qualität – so lässt sich das 2. Echolot-Festival zusammenfassen, zu dem die Musikhochschule am Samstag auf das Cargo-Schiff eingeladen hatte.

Die Veranstaltung, der noch der Charme des Neuen anhaftet, hat das Zeug, sich im Musikgeschehen der Stadt zu etablieren, legt man das Publikumsinteresse zugrunde. Angesichts der spürbaren Begeisterung aller Beteiligten verzeiht man kleine Pannen wie einige wenige Probleme mit der Aussteuerung, lauwarme anstatt heißer Würstchen oder fehlendes Toilettenpapier.

Leo in the Lioncage, Foto: (c) Thomas SchmittLeo in the Lioncage, Foto: (c) Thomas Schmitt

Wer zu Beginn noch nicht da war, hat etwas verpasst: Die junge Band „Leo in the Lioncage“ spielte ihre Mischung aus Funk, Soul und Ska mit derart ansteckender Lebensfreude, dass die Tanzfläche nach wenigen Minuten gefüllt war. Das vielstimmige „Oh“ bei der Ankündigung des letzten Stückes klang nach ehrlicher Enttäuschung.

Gleich der erste Auftritt im „Wohnzimmer“ des Schiffes machte das Problem der oberen Bühne deutlich: Die Zuschauerfläche war arg eng. So konnten nur wenige Gäste in der ersten und zweiten Reihe den Musikkabarettisten Max Busch sehen. Schade – man hätte gern Mimik und Gestik nicht nur bei den verschiedenen Spielarten von „Verliebt“ verfolgt. Beim Kabarett reicht Hören nicht aus.

Katharina Schwerk, Foto: (c) Thomas SchmittKatharina Schwerk, Foto: (c) Thomas Schmitt

Die Singer-Songwriterin Katharina Schwerk war auf derselben Bühne besser zu sehen – dank der jungen Gäste, die sich kurzerhand auf den Fußboden vor der Spielfläche setzten und so auch hinteren Reihen den Blick freigaben. So bekam, wer wollte, Musik und Anmoderation der quirligen Sängerin mit, die zwischendurch Anekdoten aus ihrem USA-Auslandssemester zum Besten gab.

Die „Vincent Dellwig Band“ rockte! Ausschließlich eigene Stücke mit eingängigen Riffs und coolen Soli begeisterten das Publikum; im Frachtraum entstand eine familiäre, beinah eingeschworene und dabei aufmerksame Stimmung. Als Dellwig ankündigte, das nächste Stück sei instrumental, und gleich darauf am Tresen ein Kronenkorken knallte, lachte man einvernehmlich. Diesem jungen Vollblutmusiker glaubt man auf Anhieb seinen Satz „Without music, life would be a mistake“.

Vincent Dellwig Band, Foto: (c) Thomas SchmittVincent Dellwig Band, Foto: (c) Thomas Schmitt

Über zugetanes Publikum freute sich auch Jazzpianist Tomasz Kowalczyk vom gleichnamigen Trio. Zusammen mit Bassist Niklas Müller und Janosch Pangritz an den Drums präsentierte er einen ganz eigenen Sound: Seinem Anspruch eines melodiösen Gesamteindrucks, aus dem kein Einzelner hervorsticht, wird das Trio gerecht. „Wow, eine Jazzbühne!“, kommentierte Kowalczyk gut gelaunt. Für diese Band war das Wohnzimmer wie gemacht.

Mehr Platz brauchten – und bekamen – „Humming Bee“, die ersten der drei Publikumsmagneten, mit ihrem melodiösen, bestens tanzbaren Folk-Pop. Ebenso wie die schon vom Vorjahresfestival bekannten virtuosen Reggaedemmi entfachten sie im Frachtraum regelrechtes Tanzfieber.

Tomasz Kowalczyk Trio, Foto: (c) Thomas SchmittTomasz Kowalczyk Trio, Foto: (c) Thomas Schmitt

Auch die mit überschäumendem Temperament spielenden Musiker von „Hips4Gyps“ hätten mühelos den größeren Saal zum Toben gebracht, mussten sich aber mit dem Wohnzimmer zufrieden geben. Dort wurde es angesichts der wilderen Spiel- und Tanzart teilweise etwas unangenehm eng. Mit schon unverschämter Lässigkeit wirbelten die als Klezmerband betitelten sechs Musiker mit irischen Seemannsliedern, Bulgarrhythmen und Balkanweisen quer durch Europa. Gypsy mag man das Lebensgefühl nennen, das sie vermitteln: ruhelos, fetzig, konfrontativ, unbändig charmant.

Wer noch über Konditionsreserven verfügte, konnte zusammen mit der Metalband „Minus Mountain“ laut sein oder mit „Jen Clubsounds“ zum D’nB abgrooven. Oder sich der Sichtweise „Tomato is a fruit“ überlassen und ganz besondere Gewächse der Musikhochschule bestaunen: „Neue Musik“ nennt die MHL lapidar, was junge Saxophonisten und Schlagzeuger ihren Instrumenten im Zusammenspiel entlocken. Mir fiele für die mal schüchtern-grazilen, mal handfest-geerdeten, dann wieder sphärisch-verrückten Klänge auch das Etikett „Zauber“ ein.

Und das passt auf den gesamten Abend.

Karla Letterman
Karla Letterman
Karla Letterman ist Krimiautorin aus dem Harz mit Leidenschaft für Norddeutschland, Nebel und Schattenboxen. Lebt seit 2017 in Lübeck. Höchst interessiert an Filmen, Literatur und Sprechkunst. Thomas Schmitt-Schech ist nicht nur Fotograf mit unbezwingbarem Hang zu Nachtaufnahmen, sondern auch nebenberuflich als Tai-Chi- und Qigong-Lehrer unterwegs. Karlas liebster Lichtfänger und Schattenboxer. www.karla-letterman.de / www.lichtblick-fotokompass.de

Kommentare  

# 2.EcholotfestivalPetra Behnke (10.04.2018, 19:59)
Ich versteh nicht so ganz die Kritik an der Enge und der schlechten Sicht. Das Festival war mehr als gut besucht und alle waren begeistert, dann ist es doch wohl normal, dass es eng wird. Immerhin fand das ganze auf einem Schiff statt und das ist ein ganz besonderes Ambiente.

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