Kamasi Washington und Ryan Porter

Hot - Funky - Jazzy
Kamasi Washington

Das Konzert der momentan angesagtesten Jazz-Band aus Los Angeles, USA, das ursprünglich im Hamburger Stadtpark angesetzt war, brachte das Grünspan auf dem Kiez zum Kochen, obwohl es noch gar nicht angefangen hatte. Der rappelvolle Saal voller Jazz-Enthusiasten brodelte in gespannter Erwartung auf das heißeste Ding, was der moderne Jazz zurzeit zu bieten hat. Kamasi Washington und seine exzellent besetzte achtköpfige Band hatten sich für das erste Konzert ihrer Deutschland-Tour angekündigt.

Nach dem Album The Epic aus dem letzten Jahr überschlugen sich die Lobeshymnen der Musikkritiker, und der Ausnahme-Saxophonist gilt seitdem als der „meistdiskutierte Jazzmusiker, seit Wynton Marsalis vor 30 Jahren die New Yorker Szene betrat“ laut New York Times.

Das besondere an Kamasi ist seine Freiheit und Offenheit; so spielt er sowohl mit dem Rapstar Kendrick Lamar, Leuten wie den Elektronikern von Flying Lotus oder Robert Glasper. The Epic nahm er mit einem 60-köpfigen Orchester, 10-köpfiger Band plus Chor auf. Egal was er macht, er spricht sowohl Jazzpuristen als auch Popfans an, denn seine Musik ist druckvoll, funky, gelegentlich heiß sprudelnd wie ein Vulkan, rasant wie eine Fahrt auf der Autobahn mit 250 Sachen, aber auch besonnen, ruhig und elegant, wie ein alter Jazzklassiker.

Patrice QuinnPatrice Quinn

Im Grünspan hatte er neben seiner 6-köpfigen Band aus zwei Schlagzeugern, die als dynamische Rhythmus-Sektion vom grandiosen Bassisten Miles Mosley komplettiert wurden, Brandon Coleman, dem „siebend-funkiesten Keyborder der Welt“, wie Kamasi in seinen witzigen Zwischentexten während der grandiosen Stücke witzelte, dem coolen Posaunisten Ryan Porter noch die soulige Sängerin Patrice Quinn an Bord sowie als Gast-Star seinen Vater, Ricky Washington, an der Flöte und am Tenor-Saxophon.

Es tropfte von der Decke, weil das Grünspan „wohl so viele positive Vibes und Hitze produziert“, wie Kamasi vermutet. Ich schätze mal, die Betreiber sparten an Energie und Klimaanlage, wohl auch um den Getränkekonsum anzukurbeln. Zumindest wurden die ersten Reihen mit Gratiswasser versorgt, um die heißen Gemüter zu kühlen, trotz luftiger Bekleidung und coolem Jazz.

Der Shooting-Star Washington bemüht sich ständig, eine Brücke zwischen Jazz, Funk und Soul zu bauen, und hat gemeinsam mit seiner furiosen Band sichtlich Spaß daran, das Publikum mit seinem Kamasi WashingtonKamasi WashingtonHochenergie-Sound zum Tanzen und Zappeln zu bringen. Gleich als Intro pulsiert ein Groovemonster mit epischen Saxophonläufen, unterstützt von wilden Posaunenkaskaden. Es folgt mit Final Thought eine Fusion-Jazz-Nummer, während mit dem brandneuen Space Ship ein knalliges Funk-Brett vom dauergrinsenden Keyborder Brandon Coleman an dem gitarrenartigen Moog-Synthi abgeliefert wird. Da schlägt dem Publikum aus alterndem Jazz-Opa mit Strickjacke um den Hüften bis zum hippen Vollbart-Nerd mit Jazz-Attitude die reine Energie mit brachialer Wucht entgegen. Zum Glück hat die Band zum Abkühlen und Runterkommen auch so wunderschöne Balladen wie Henrietta Our Hero auf Lager – eine Hommage an die Großmutter von Kamasi Washington, soulfull gesungen und elegant betanzt von Sängerin Patrice Quinn. Grandma Washington hat dem Enkel beigebracht, dass es nicht darauf ankommt, was man besitzt, sondern, was man für andere tut!

Und genau das machen Kamasi Washington und seine beseelte Band, deren Mitglieder er teilweise noch aus dem Kindergarten oder der gemeinsamen Schulzeit kennt: Für sein Publikum zelebriert er Jazz vom Feinsten mit seelentröstender Kraft und gemeinschaftsfördernder Lust an Funk und Groove. Gut 100 Minuten beste Unterhaltung mit jeder Menge Dampf sorgen auch nach zwei weiteren Zugaben dafür, dass die Luft förmlich raus ist aus dem Club und dem Publikum. Freudestrahlend strömt die Masse raus in die Kühle der Nacht, immer noch schweißtriefend und beschenkt vom wohl Besten, was die Jazz-Szene zurzeit zu bieten hat.


Fotos: (c) Holger Kistenmacher

Holger Kistenmacher
Holger Kistenmacher
Jahrgang 1956, freischaffender Journalist seit gut 25 Jahren, studierter Realschullehrer, praktizierender psychosozialer Betreuer, ambitionierter Fotograf und Kulturschreiber mit den Fachgebieten: Moderne Gegenwartskunst, Literatur, Musik zwischen Jazz und Rock, Nordische Filme, Moderner Tanz. Weltenbummler und Reisejournalist.

Sie haben keine Berechtigung hier einen Kommentar zu schreiben.