Büchertipps
Psychoaktive Pflanzen und ein LSD-Selbstversuch mit prominenter Beteiligung

„Der Mensch liebt den Rausch. Der Effekt wurde zwar offiziell den Göttern, den Geistern, den Vorfahren oder den Hexen zugeschrieben, aber das jeweilige Volk hörte nicht mehr damit auf, auch wenn sich immer mal wieder jemand dabei vergiftete“, schreibt der Arzt, Autor und Psychiater Jakob Hein im Vorwort seines Buches „Illustriertes Kompendium der Psychoaktiven Pflanzen“.

Richtigerweise waren die Menschen schon immer kreativ und probierfreudig. Zu allen Zeiten und auf allen Erdteilen wurden psychoaktiven Pflanzen auf jede erdenkliche Weise konsumiert: Blätter gekaut, Wurzeln gekocht, Samen vergoren, Blüten geraucht, Rinde geraspelt. Schon auf numerischen Keilschrifttafeln aus Mesopotamien finden sich Hinweise auf die Kunst des Bierbrauens. Bei den Maya hingegen war Kakao so beliebt, dass er als „Götterspeise“ galt und sogar einen eigenen Schutzpatron hatte.

Selbst bei uns zum Beispiel in Bayern gilt Bier als normales Lebensmittel und Bauarbeitern steht dort eine tägliche Tagesration von 2 Flaschen in den Pausen rechtlich zu. Noch im März 1952 war in der ADAC Motorwelt zu lesen, dass sich die Fahrleistung unter Alkoholeinfluss durch Rauchen verbessern ließe. Also wenn schon mit Promille am Steuer, dann besser noch vor dem Losfahren eine rauchen. Natürlich ist das Unsinn, wie wissenschaftliche Studien bewiesen. Auch konnte nachgewiesen werden, dass gerade der Tabak von allen Rauschmitteln das größte Suchtpotenzial aufweist.

Dabei gäbe es gegen die Nikotinsucht eine Lösung, wie Autor Jakob Hein schreibt: nämlich Goldregen. Dieses hübsche, oft in heimischen Gärten zu findende Gewächs enthält das Alkaloid Cytisin, das stimulierend auf nikotinische Acetylcholinrezeptoren wirkt und dabei einen nikotinähnlichen Effekt hat. Aber Cytisin macht nicht süchtig. Deswegen entwickelte der bulgarische Apotheker Straschimir Ingilisov schon 1964 ein Mittel namens Tabex, um vom Nikotin loszukommen. Bis 1989 war es in den Ostblockstaaten erhältlich, weiß Hein zu berichten. „Heute findet Cytisin außer in Bulgarien noch in Polen unter verschiedenen Markennamen Anwendung, seit März 2018 ist es ferner als Asmoken in Österreich zugelassen“. Dass man von der Wirkung von Cytisin bei uns noch nie etwas gehört hat, dürfte wohl an der Macht der Zigaretten-Industrie liegen, würde ich jetzt einmal vermuten. Wäre ja auch nicht besonders gut für deren Geschäft.

Diese und ähnliche interessanten Informationen erhält man, wenn man sich das wunderbar von Kat Menschik farbenfröhlich illustrierte Büchlein über psychoaktive Pflanzen zu Gemüte führt. Dabei haben sich die beiden Macher nicht die üblichen Verdächtigen wie Cannabis sativa oder Schlafmohn, sondern vielmehr die Pflanzen und Substanzen, die uns alltäglich begegnen herausgesucht: Farbenprächtige Blumen wie Waldglöckchen, Goldlack, Ritterstern und Passionsblumen, aus denen man einen herrlichen Strauß zusammenstellen könnte; der jedoch aufgrund der enthaltenen todbringenden Gifte auch als Mordwaffe durchgehen würde. Auch viele Bestandteile unseres üblichen Gewürzregals fallen in die beschriebenen Kategorien. So kann Paprika zum „Pepper high“ führen, wenn man die notwendigen Mengen zu sich nimmt. Auch Salbei kann zu Halluzinationen führen, Muskatnuss wiederum zu einer angenehm einschläfernden Wirkung mit lebhaften Träumen. Allerdings müsste man sich dafür schon drei ganze Muskatnüsse reinziehen. Selbst Safran, dass ja bekanntlich den Kuchen „gehl“ macht, kann ab 20 Gramm tödlich wirken. Es ist allerdings fraglich, ob jemand bei den Preisen für dieses superteure Gewürz überhaupt auf diese Idee käme.

Bei seinem Streifzug durch die Welt der psychoaktiven Pflanzen versucht Hein aber überhaupt nicht, den Verdacht der Vollständigkeit zu erzeugen, denn es gibt einfach zu viele solche Pflanzen, wie auch Erzählungen, Zeugnisse und historische Belege. Also hat er wie bei einem Spaziergang durch den Garten einfach die besonders Schönsten ausgewählt. So hat er sein kurzweiliges Lesevergnügen auch unter anderem in folgende Kapitel unterteilt: Eine der gemeinsten Pflanzen; Böse Blumen; Die Grüne Fee; Betrunkene Affen; Götterspeise: Geile Ziegen und gepfefferte Mönche.

Diese lustigen Titel bestückt er aber mit viel Witz und Wissen über Fakten, Mythen und absurden Anekdoten. Davon hat sich die Illustratorin Kat Menschik zu einer farbenprächtigen Ausgestaltung des Buches inspirieren lassen. Gedruckt in sechs Echtfarben kommt das wild, psychedelisch und farbenprächtig daher. Ihre Zeichnungen überlagern den Text, fließen auch mal über die Ränder der Seiten und sprengen das normale Sehverhalten. Mitunter hat der Leser/ die Leserin das Gefühl, selbst einen psychoaktiven Farbrausch zu erleben. Man könnte frech sagen: Das Buch törnt!

Kat Menschiks & des Psychiaters Doctor medicinae Jakob Hein illustriertes Kompendium der psychoaktiven Pflanzen, Galiani Verlag, Berlin Oktober 2022, 112 Seiten, Amazon.

Mein zweiter Buch-Tipp für heute hat ebenfalls einen drogenaffinen Inhalt, nämlich die tatsächlich wahre Geschichte eines LSD-Trips des großen französischen Philosophen Michel Foucault im Death Valley: „Foucault in Kalifornien“.

Was sich zunächst wie eine wahnwitzige Fantasterei eines großen Foucault-Fans anhört, hat sich anscheinend tatsächlich im Frühsommer 1975 so ereignet. Auf Einladung eines jungen Dozenten und großen Anhängers der philosophischen Theorien des französischen Star-Philosophen namens Simeon Wade an dessen Hochschule in Kalifornien, war es wirklich zu dieser besonderen Begegnung unter LSD-Einfluss in der Wüste gekommen. Allerdings darf an dem dokumentarischen Bericht mit den geschilderten Dialogen, sowie der These, dass sich das Werk von Foucault nach dem beschriebenen LSD-Trip radikal geändert haben soll, gezweifelt werden. Vieles mag an der ausufernden Fantasie dieses erklärten Foucault-Fans Wade liegen oder am Personenkult um den berühmten Philosophen. Man mag es auch für schlechten Geschmack halten, wie ausufernd und schamlos Wade diesen besagten Tag in einer schon fast peinlichen Blumigkeit und Selbstbeweihräucherung beschreibt. Nicht desto trotz muss man aber zugeben, dass dieser LSD-Trip mit Ausflug ins Death Valley tatsächlich stattgefunden hat.

Der von Tino Hanekamp aus dem Amerikanischen übersetzte Text erzählt von „dem unvergesslichen Abend mit LSD in der Wüstennacht, mit köstlicher Musik, netten Leuten und etwas Likör“. Nachweislich gibt es Unterlagen und einen dokumentierten Briefwechsel zwischen Foucault und Simeon Wade. Dieser und sein damaliger Lebenspartner, der Musiker Michael Stoneman hatten Foucault, als der auf einer Vortragsreise in Kalifornien war, dazu überredet, mit ihnen einen Ausflug in die Wüste zu machen und dabei LSD zu nehmen.

Also fuhren sie in das Death Valley mit seinen berühmten Aussichtspunkten wie den über eintausendfünfhundert Meter hohen Towne Pass und den Zabriskie Point, bekannt aus dem Antonioni-Film. Um die Wirkung der bewusstseinserweiternden Droge zu beschleunigen, wurde noch ein Joint geraucht und Grand Marine getrunken. Dazu wurde Musik abgespielt von Stockhausen bis Strauss. Der fantastische Sternenhimmel über der Wüste und wilde Gespräche philosophischen Inhalts wurden bestaunt.

Teilweise hat die Beschreibung der Erlebnisse eine bezwingende Komik und eine Pathetik, die sicherlich vom Kult-Status des berühmten Franzosen herrührt. Aber trotzdem erfährt man als Leser auch viel über die Gewohnheiten und Vorlieben des großen Philosophen, zum Beispiel seiner Liebe zu Thomas Mann oder seine Begeisterung über Yoga und Hunde. Gleichzeitig ist der Band ein ergreifender Bericht über eine Zeit des wilden Denkens und Fühlens, in der Kalifornien auch zu einem Synonym für frei erlebbare Homosexualität wurde. Da wird über die schwule Szene aus Clubs und Saunen in San Francisco geschwärmt oder bei einem weiteren Ausflug wird dem französischen Star auch schon einmal eine attraktive Schar junger Männer, die in Hütten und ziemlich frei in der Natur leben, vorgestellt.

Was die Zwiespältigkeit des Buches aber wieder wettmacht, ist, dass der doch sehr einseitige Bericht von Simeon Wade von zwei kontextgebenden Essays eingerahmt wird. So bringen das Vorwort von Heather Dundas und der abschließende Essay von Kai Sina doch eindeutig mehr Realität in die Auswirkungen des Drogen-Trips für das spätere Werk von Foucault. Trotzdem halte ich das Buch als Ausdruck einer Zeit und seiner wilden Drogenerfahrungen für amüsant und lesenswert.

Simeon Wade: Foucault in Kalifornien, Kiepenheuer&Witsch, Köln, 2022, 174 Seiten, Amazon.

Die Bücher sind in den inhabergeführten Buchhandlungen BellingProsa, Buchfink, Arno Adler, Langenkamp, maKULaTUR, Störtebeker und Buchstabe erhältlich.

Holger Kistenmacher
Holger Kistenmacher
Jahrgang 1956, freischaffender Journalist seit gut 25 Jahren, studierter Realschullehrer, praktizierender psychosozialer Betreuer, ambitionierter Fotograf und Kulturschreiber mit den Fachgebieten: Moderne Gegenwartskunst, Literatur, Musik zwischen Jazz und Rock, Nordische Filme, Moderner Tanz. Weltenbummler und Reisejournalist.

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