The White House from Washington DC - Peaceful Protest for Law and Order, Wikimedia

Was ist eigentlich los in den USA?
Diese Wut im Land

Die USA hat einen Präsidenten, der sich mit Corona infiziert hat, weil er die Pandemie leugnet und verharmlost, dann aber als Super-Spreader im Weißen Haus und in seinem Umfeld diverse andere ansteckt.

Er entließ sich danach selbst wieder aus dem Krankenhaus und inszenierte sich als Sieger gegen das tödliche Virus. Dabei wurde er exklusiv mit Medikamenten und Steroiden behandelt, die sonst kein anderer Patient erhält. Natürlich fühlt er sich dementsprechend aufgeputscht und gedopt wie 20 Jahre jünger. Gleichzeitig macht er sich damit menschenverachtend lustig über die mittlerweile 210.000 Toten der Corona-Krise in seinem eigenen Land.

Ein Präsident, der den Klimawandel leugnet, während an der Westküste die Wälder brennen und Menschen sterben. Ein Präsident, der offen rassistisch, frauenfeindlich und homophob agiert, sich sogar nicht scheut, im Falle einer sich andeutenden Wahlniederlage die ultrarechten weißen Faschisten-Gruppierungen im Land aufzurufen, ihre Waffen bereitzuhalten.

Ein Präsident, der sich als strahlender Geschäftsmann produziert, obwohl er die letzten Jahrzehnte kaum Steuern bezahlt hat, weil er nachweislich mehrfach bankrott gegangen ist. Ein Präsident, der sein Land spaltet, lügt und betrügt, während seine weiße Polizei unverhohlen schwarze Mitbürger ermordet. Die Black-Lives-Matter-Bewegung geht mittlerweile um die Welt. Gleichzeitig schürt er die Angst im Land, dass ein Bürgerkrieg ausbrechen könnte, wenn er die Wahl verliert.

Warum Donald Trump so ist wie er ist, analysiert unter anderem ein weiteres Enthüllungsbuch seiner Nichte, der promovierten klinischen Psychologin, Mary L. Trump. Die Black-Lives-Matter- Bewegung, der alltägliche Rassismus und die allgegenwärtige Gewalt und Wut im Land werden verständlicher, wenn man das herausragende Buch des jungen Afroamerikaners Nana Kwame Adjei-Brenyah „Friday Black“ gelesen hat. Ich möchte diese beiden Bücher heute vorstellen.

„Zuviel und nie genug - Wie meine Familie den gefährlichsten Mann der Welt erschuf“ von Mary L. Trump ist bei weitem nicht das erste Enthüllungsbuch über diesen US-Präsidenten. Auch verschiedene ehemalige Mitarbeiter oder Politiker aus seinem Umfeld haben aus unterschiedlichsten Gründen und Sichtweisen versucht, diesen Egomanen und Narzissten zu erklären.

Seine Nichte hält Trump ganz schlicht für überfordert, selbstverliebt und gefährlich. Ihre Einsichten erlangt sie natürlich aufgrund ihrer familiären Nähe zu ihrem Onkel und darüber hinaus aus aufwendigen Recherchen bezüglich seiner Geschäfte und seiner psychischen Gesundheit. Mary L. Trump sieht ihren Onkel als einen „Dreijährigen, der wisse, dass er nie geliebt worden sei“. Donald Trumps Ego ist fragil und müsse stets gestützt werden, weil er tief im Inneren weiß, dass er nichts von dem ist, was er vorgibt zu sein.

Geprägt worden ist der Präsident von seinem Vater Fred, „einem Psychopathen“, der die Entwicklung menschlicher Gefühle bei seinem Sohn unterdrückt hat und gleichzeitig seinen Bruder, dem Vater von Mary, in den Alkoholismus und frühen Tod getrieben hat. Fred wollte stets einen Sohn mit „Killer-Instinkt“, der geschäftlich über Leichen ging, dem Betrug und Lügen im Blut liegen - genau so ist dann ja auch sein Sohn Donald geworden.

Mary Trump erzählt detailreich von einer Familie, die einerseits im Reichtum schwelge, aber kleinbürgerlich lebte, sich von Kartoffelbrei und Eisbergsalat ernähre und unbeliebte Geschenke weiterreiche. Gleichzeitig beschreibt sie eine Gefühlskälte der Eltern Trump, die alle Kinder stark beeinflussen. Ganz besonders aber auch den Vater der Autorin, Fred Trump junior, der stets im Schatten des Tyrannen stand. Er hatte nie eine Chance, gegen seinen übermächtigen Vater und seinen skrupellosen Bruder Donald, die ihn als Hausmeister im eigenen Immobilien-Konzern degradierten. Niemand in der Familie stand ihrem Vater bei, selbst als er elendig und verarmt an seinem Alkoholismus zugrunde ging.

Neben dieser Rehabilitierung ihres Vaters geht es Mary Trump aber als klinische Psychologin vor allem darum, ihren Onkel zu erklären. Aus ihrer Ausbildung der Analyse von Störungsbildern und aus Episoden aus dem Familienalltag gelingt es ihr, ein dichtes Psychogramm von Donald Trump zu erstellen. Seine Persönlichkeit ist gekennzeichnet von Narzissmus, Zügen von Soziopathie, womöglich gar Psychopathie, mangelnder Empathie und einer erheblichen Lernstörung. Der US-Präsident, der sich gern als bester, größter und schlauester Präsident aller Zeiten inszeniert, hat gleichzeitig beim Qualifikationstest für sein Studium betrogen, enthüllt seine Nichte.

Man könnte fast Mitleid mit dem Präsidenten bekommen, wenn man liest, dass der kleine Donald als Zweijähriger von der Mutter getrennt wird, als diese schwerste Komplikationen nach einer Unterleibsoperation durchlebt und der Tyrannenvater keinerlei Mitgefühl, weder für Frau noch Kinder zeigen kann und will. Was unerklärlich bleibt, ist die Tatsache, dass Millionen von Amerikanern Donald Trump trotz alledem für einen fähigen Präsidenten halten. Alles Propaganda und bizarre Show!

Wenn Trump eines kann, dann trotz des vermeintlich schlechtesten Rufes, den je ein US-Präsident hatte, seine Basis zu begeistern. Sein mittlerweile legendäres Zitat aus dem Wahlkampf, er könne auf der 5th Avenue jemanden erschießen und würde keine Wählerstimmen verlieren, hat sich bei der letzten Wahl als eine der wenigen Wahrheiten aus seinem Mund entpuppt. Wollen wir mal hoffen, dass ihm seine katastrophale Gesundheits-, Wirtschafts-, Innen-, Außen- und Klimapolitik diesmal vor die Füße fällt.

Mary L. Trump: Zu viel und nie genug - Wie meine Familie den gefährlichsten Mann der Welt erschuf, Heyne-Verlag, 2020, 286 Seiten, Amazon.

Wer darüber hinaus verstehen will, warum der alltägliche Rassismus und die Polizeigewalt hunderttausende Amerikaner auf die Straßen treibt und wer die Black-Lives-Matter-Bewegung weltweit in Gang gebracht hat, muss die Short Storys von Nana Krame Adjei-Brenyah lesen. Der junge, hoch gelobte Autor erzählt in „Friday Black “auf satirische, grelle und brutale Weise von Gewalt und Wut und dem grassierenden Rassismus in den USA.

Wenn die Freiheit mit der Kettensäge verteidigt wird, erzählt seine Kurzgeschichte über „Die Finkelstein Five“, eine Erzählung bei der es um die Ermordung von fünf schwarzen Kindern geht, die von einem weißen Familienvater mit der Kettensäge geköpft werden, weil er sich durch ihr Schwarzsein bedroht fühlte. Berichtet wird dabei von Emmanuel, der sich seine Schwarzheit in einer Skala von eins bis zehn eingeteilt hat. Der Platz auf der Skala ist entscheidend: Er bestimmt darüber, wie man im Bus behandelt wird, ob man einen Job bekommt - und möglicherweise auch, wie die Überlebenschancen sind.

„Wenn er lächelte, in Zimmerlautstärke sprach und die Hände eng und ruhig am Körper herabhängen ließ, konnte er seine Schwarzheit auf 4,0 verringern“, auch wenn die Skala nur in seinem Kopf existierte. Im Einkaufszentrum beträgt Emmanuels Schwarzheit glatte 5,0. Das reicht, um einen Wachmann auf den Plan zu rufen, der ihn am Ausgang fragt, ob er das Hemd in seiner Tüte gekauft habe. „Sofort spürte Emmanuel, wie die Gewohnheit ihm auftrug, betont freundlich zu sein, zu lächeln und nicht zu brüllen“. Als der Mann die Quittung sehen will, wird er doch lauter und zeigt mit dem Finger Richtung Kassiererin. „Spürte, wie seine Schwarzheit auf 8,1 stieg. Er war wütend, leidenschaftlich und frei.“

Als der Angeklagte, der angeblich nur sich, seinen Sohn und seine Tochter schützen wollte, von einem Gericht freigesprochen wird, obwohl er die harmlosen Kinder Finkelstein bestialisch ermordet hat, ist der Punkt erreicht, an dem sich Emmanuels unbändiger Zorn entlädt. Zahlreiche Schwarze gehen auf die Straßen, verprügeln Weiße und schlagen einige tot. Auch Emmanuel trifft sich mit alten Freunden, um die Wut herauszulassen, um Diskriminierung und Ungerechtigkeit zu rächen.

Der pure Zynismus kommt in den Worten des Anwalts des Familienvaters raus: „Mein Mandant Mister George Dunn glaubte, in Gefahr zu sein. Und wenn sie etwas glauben, irgendwas, dann ist das alles, was zählt. Glauben. In Amerika haben wir die Freiheit zu glauben. Amerika, unser herrlicher souveräner Staat.“ Der Monstrosität des Verbrechens und der Absurdität des Prozesses entspricht die krasse Überzeichnung der Reaktionen aus der schwarzen Community. Emmanuel schließt sich einer Terrorgruppe an, die für die ermordeten Kinder an weißen Zufallsopfern Rache nimmt, eine Art umgekehrter Ku-Klux-Klan.

Nana Kwame Adjei-Brenyah, geboren 1990 als Sohn ghanaischer Eltern an der US-Ostküste, gelang mit seinem Debütband im vergangenen Jahr ein sensationeller Überraschungserfolg. Viele seiner Short Storys arbeiten mit grellen Effekten und surrealer Sprache. Es ist eine Mischung von realistischen Beschreibungen sozialer und rassistischer Diskriminierung mit Horror- und Splatterzutaten. Teilweise werden unverzerrt autobiografische Szenen aus dem migrantischen Milieu erzählt, in denen nicht nur amerikanische Normalität buchstäblich zersägt und zerschmettert wird.

Die meisten der zwölf Kurzgeschichten handeln von Gewalt und Rassismus, von Verbitterung und Konsumgier. Sie lesen sich wie ein Kommentar literarischer Art zu den Unruhen, die seit der Tötung des Afroamerikaners George Floyd die USA erschüttern. Sie spiegeln aber auf absurd komische Art auch, wie in den USA der Konsum-Wahnsinn und die Resourcen-Verschwendung für eine Welt sorgen, die für keinen mehr lebenswert erscheint.

Ein Höhepunkt ist die Science-Fiction-Story „Die alte Zeit“, die aus einer genetisch optimierten Zukunft nach der großen Katastrophe erzählt. Niemand muss oder besser darf hier mehr Rücksicht auf vermeintlich Schwächere, Dümmere, Hässlichere nehmen; ihre Diskriminierung gilt als Ehrlichkeit und gewaltiger Menschheitsfortschritt. In der radikalen Umkehrung ist zu spüren, welchen Wert Inklusion und Integration oder ein schlichter Verzicht auf verletzende Bezeichnungen haben und was für einen zivilisatorischen Rückschritt das Lächerlichmachen politischer Korrektheit tatsächlich bedeutet. In der heutigen Realität muss man sich ja nur die Pöbeleien und Unverschämtheiten des Präsidenten anhören, die dieser per Twitter oder auf seinen Wahlkampftouren tagtäglich raushaut.

In einer anderen Kritik dieses hervorragenden Kurzgeschichten-Debüts von Nana Kwame Adjei-Brenyah habe ich gelesen, dass der Autor dieser furchtlosen Geschichten den Leser erst in die Magengrube, dann ins Gehirn, aber in Wahrheit mitten ins Herz trifft. Dem kann ich mich nur anschließen und empfehle außerordentlich die Lektüre dieses bemerkenswerten Buches.

Nana Kwame Adjei-Brenyah: „Friday Black“, Penguin Verlag 2019, 240 Seiten, Amazon.

Die Bücher sind in den inhabergeführten Buchhandlungen BellingProsa, Buchfink, Arno Adler, Langenkamp, maKULaTUR und Buchstabe erhältlich.

Titelfoto: (c) The White House from Washington, DC - Peaceful Protest for Law and Order, Wikimedia, gemeinfrei.

Holger Kistenmacher
Holger Kistenmacher
Jahrgang 1956, freischaffender Journalist seit gut 25 Jahren, studierter Realschullehrer, praktizierender psychosozialer Betreuer, ambitionierter Fotograf und Kulturschreiber mit den Fachgebieten: Moderne Gegenwartskunst, Literatur, Musik zwischen Jazz und Rock, Nordische Filme, Moderner Tanz. Weltenbummler und Reisejournalist.

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