Jimi Hendrix, 10. Mai 1968, Foto: (c) Steve Banks

Jimi Hendrix und David Bowie - zwei neue Biografien
Gitarrengott und Pop-Chamäleon

Der eine gehörte zum legendären Club der 27-jährigen Toten aus der Rockmusik und hatte am 18. September seinen 50. Todestag, der andere verstarb 2016 und hatte als Musiker fast 50 Jahre die Entwicklung der Pop-Musik entscheidend mit beeinflusst. Jetzt sind zwei Biografien erschienen, die auf ganz unterschiedliche Weise beider Leben resümieren.

Der Ausnahme-Gitarrist Jimi Hendrix wird von vielen Fans, aber auch Musikern noch heute als der beste Gitarrist aller Zeiten gesehen. Anlässlich des 50. Jahrestages seines Todes gibt es nun eine neue Biografie von Philip Norman, der bereits die Lebensgeschichten der Beatles, John Lennon, Elton John, Mick Jagger und Paul McCartney verfasst hatte. Er ist einer der renommiertesten Musikjournalisten Großbritanniens und hat für die Jimi-Biografie die Inhalte diverser anderer Biografien zusammengetragen und außerdem auf Interviews mit dem Bruder von Jimi, Leon Hendrix und verschiedenster Lebensgefährtinnen zurückgegriffen.

Dass die Aussagen der bis dato schweigsamen Zeugen aus dem engsten Umfeld von Jimi Hendrix teilweise große Unterschiede offenbaren, gehört zur Legendenbildung um den Gitarren-Helden. So sind die Umstände des Todes durch „Ersticken durch Erbrochenes“ in einem schäbigen Hotelzimmer am 18. September 1970 nach wie vor umstritten. So hält sich Eric Burdon noch immer bedeckt, obwohl er einer der ersten war, die von Selbstmord sprachen. Die ehemalige Geliebte und fast-Verlobte Monika Dannemann, die die letzte Nacht mit ihm verbracht hatte, präsentierte der Öffentlichkeit diverse Versionen der letzten Stunden von Jimi.

Wie der Autor selbst treffend formuliert „schien er überall gleichzeitig zu sein, als ob er wirklich zu Astralreisen fähig wäre.“ Es bleibt wohl auch zukünftig unklar, ob die Mafia, der CIA, das FBI, sein Manager Mike Jeffrey oder wer auch immer die Finger mit im Spiel hatte, wie der Autor gegen Ende des Buches spekuliert. Ob da jetzt mit Absicht etwas Falsches erzählt wird, um sich selbst rein zu waschen oder sich zu profilieren oder die Zeit in Verbindung mit nicht immer legalen Substanzen die Erinnerung getrübt hat, ist aber letztendlich egal. Der Tod von Jimi Hendrix war tragisch, vermutlich zu verhindern gewesen und hat der Musikwelt einer ihrer Größten beraubt.

Ähnlich wie bei den anderen Protagonisten des legendären "Klub 27": Brian Johns von den Rolling Stones, Jim Morrison von den Doors, Janis Joplin, oder als letzte Zugänge Kurt Cobain von Nirvana und Amy Winehouse hat die weltweite Musikgemeinde herausragende KünstlerInnen verloren, deren Zukunft noch viel Großartiges versprochen hätte. Andere Gitarren-Helden, wie Eric Clapton, Jimmy Page von Led Zeppelin, Mark Knopfler von Dire Straits oder auch später geborene wie Slash von Guns and Roses, der ewige Untote Keith Richards von den Stones, Billy Gibbons von ZZTop oder Kirk Hammett von Metallica haben in ihm selbst den unbestrittenen Gitarrengott gesehen oder geben zumindest zu, dass ihr eigenes Gitarrenspiel maßgeblich von Hendrix beeinflusst war.

Dabei war der Beginn seiner Karriere von schier unüberbrückbaren Problemen geprägt. Geboren am 27. November 1942 in Seattle als Johnny Allen, wie ihn seine später alkoholkranke und früh an Leberzirrhose verstorbene Mutter genannt hatte, ließ ihn sein aus dem Krieg heimgekehrter Vater Al auf den Namen James Marshall umbenennen. Er selbst ließ sich als Kind aber lieber als Buster, nach dem Schauspieler Buster Crabbe, der sowohl Tarzan als auch Flash Gordon verkörperte, rufen. Sein Ursprünge waren sowohl Afroamerikanisch als auch Cherokee-Indianisch. Seine ersten musikalischen Erfahrungen machte er auf einer im Müll gefundenen Ukulele mit einer Seite. Seine erste Gitarre spielte Jimi mit links, was ihm häufig Schläge von seinem streitbarem Vater einbrachte. Überhaupt war dieser nie von seiner Zukunft als Musiker überzeugt, was in einer Zeit von Rassismus und Arbeitslosigkeit sogar nachvollziehbar war.

Trotzdem gelang es dem jungen Gitarristen, sich selbst das Gitarrenspiel beizubringen und auf der Ochsentour durch schwarze Clubs, dem sogenannten Chitlin'Circuit, wo er bereits in frühen Jahren in berühmten Bands, wie bei Ike und Tina Turner mitspielen durfte, teilweise sein großes Talent zu präsentieren.

Als Afroamerikaner, der sich von den traditionellen schwarzen Genres Blues, R&B und Soul löste, um statt dessen harten Rock zu spielen, wurde er von 1966 von der Freundin des Rolling Stones Gitarristen Keith Richard entdeckt und von Chas Chandler, dem Bassisten der Animals, nach London geholt. Ohne Geld, aber in exotischen Hippie-Klamotten begann schon bald seine sagenhafte Karriere in der Stilmetropole Europas. Alle Größen der englischen Popmusik wollten den unbekannten Gitarren-Helden aus den USA sehen, als er seine ersten Auftritte in den angesagten Clubs der Stadt zelebrierte: die Beatles, die Stones oder Eric Clapton waren begeistert. Er bot seinen Zuschauern oft exzentrische Shows mit grandiosen Klamotten und genialen Solo-Gitarrengewittern. Er spielte seine Gitarre mit der Zunge, hinter dem Rücken oder zertrümmerte das Instrument.

Schon bald wurde seine erste erfolgreiche Band, die Jimi Hendrix Experience mit John Mitchell und Noel Redding zusammengestellt. Sie ernteten Riesenerfolge mit diversen Hitsingles und drei Alben, die umgehend Klassikerstatus erlangten. Von London aus trat er seinen Siegeszug durch Europa an. Dann kehrte er 1967 in die USA zurück, wo er mit seiner brennenden Gitarre beim Monterey-Festival für Furore sorgte. Weitere sensationelle Auftritte bei Riesen-Tourneen in seinem Heimatland folgten, bis zu seiner legendären Show beim Woodstock-Festival, wo er seine Solo-Instrumental-Performance der amerikanischen National-Hymne „The Star-Sprangled Banner“ spielte, die er mit Bombentreffern und einem Kugelgewitter mixte, um gegen den Vietnam-Krieg zu protestieren.

Aber ewige Anfeindungen, latenter Rassismus und die Verfolgung durch amerikanische Geheimdienste und Polizeigewalt trieben ihn wieder nach Europa. Zeit seines Lebens wurde Hendrix von Freunden, Gespielinnen, Musikern und Managern ausgebeutet und benutzt. Hinzu kamen ein übermäßiger Drogen- und Alkoholmissbrauch, seine schier unstillbare Promiskuität und seine Sehnsucht nach Anerkennung, vor allem auch durch seinen Vater. Gesundheitlich und kreativ ging es stetig bergab, obwohl er soviel Talent hatte.

Am 6. September 1970 stand er das letzte mal offiziell auf einer Konzertbühne. Sein Auftritt beim Love & Peace Festival auf der Insel Fehmarn stand von Anfang an unter einem schlechten Stern: Zunächst gab es sintflutartige Regengüsse und Orkanstürme auf der Sonneninsel, und für den Sicherheitsdienst hatte man Nazi-Rocker aus Hamburg engagiert, die zunächst auf harmlose Hippies einprügelten, die Band bedrohten und später sogar die Bühne abfackelten. Gruppen wie Procol Harum, Ten Years After oder Rod Stuart hatten eh schon abgesagt, und Hendrix spielte seinen Set einen Tag verspätet und musste nach dem Konzert von der Bühne flüchten. 12 Tage später lag er tot in seinem Londoner Hotelzimmer.

Philip Normans akribische Recherche aus früheren Biografien und diversen neuen Interviews zum Beispiel mit dem Bruder Leon offenbaren einen jungen Mann, der im Privaten ebenso schüchtern, höflich und freundlich beschrieben wird, wie auch exaltiert und mit einer Urgewalt auf der Bühne und in der Öffentlichkeit auftrat. Voller Detailwissen und Anekdoten wird ein großartiger Musiker portraitiert, dessen grandioses Gitarrenspiel ihm niemals die Unsicherheit über seine Singstimme nehmen konnte. Viele Rätsel über diese Ikone der Musikwelt aber bleiben.

Philip Norman: Jimi - Die Hendrix-Biografie, Piper-Verlag, München 2020, 432 Seiten, Amazon.

Völlig anders geartet kommt die zweite Musiker-Biografie daher. Als illustrierte Geschichte, kongenial erzählt von Fran Ruiz und mit Zeichnungen der spanischen Künstlerin Maria Hesse gestaltet, wird der Musiklegende David Bowie ein würdiges Denkmal geschenkt. Übersetzt wurde das Werk aus dem Spanischen von Kristof Hahn.

Fast 50 Jahre lang war David Bowie einer der einflussreichsten Musiker der Welt. Er prägte nachhaltig die Popkultur und veränderte wie kein Zweiter das Leben vieler Menschen. Er war Major Tom, Ziggy Stardust, der Thin White Man, der Außerirdische, der vom Himmel fiel, der König der Kobolde, der Elefantenmensch und Lazarus. Er war der Mann, der die Last des schwarzen Sterns auf seinen Schultern trug und gleichzeitig dieser schwarze Stern war. All dies wird in den wunderbaren Illustrationen von Maria Hesse wieder lebendig.

David Bowies Leben in Bildern beginnt mit seiner Geburt, als er der Familie Jones als David Robert Haywood Jones vom Himmel geschenkt wurde. Als leuchtende Kugel landete er auf der Erde am 8. Januar 1947 in der Stansfield Road 40 im Londoner Eastend. Sein Vater war PR-Manager und seine Mutter Süßwarenverkäuferin. Sein Halbbruder litt Zeit seines Lebens an einer Schizophrenie, hat ihm aber die Liebe zur Literatur, zu R&B und Jazz vermittelt.

Wie vieles im Leben von David Bowie, der sich selbst später nach dem doppelschneidigen Fischmesser benannte, ist vieles von ihm selbst erfunden worden. Große Teile seiner Karriere entspringen der Fantasie und Legendenbildung, die der Künstler selbst erfunden hat. Jahrelang war er eine Kunstfigur, die ihr Erscheinungsbild stetig wechselte. Dementsprechend ist die vorliegende Biografie eine Interpretation des Lebens von Bowie, der sich stets weigerte, über sich selbst zu sprechen - und der, wenn er es dann doch tat, seine Geschichte vorsätzlich mit falschen Fakten garnierte. Der spielerische Umgang mit Fakten ist daher auch bei den Machern des Buches eine intuitive Annäherung an die Person David Bowie - und kein Betrug an den Lesern, wie sie in ihrem Vorwort schreiben.

Sein erstes erfolgreiches Album „Space Oddity“ aus dem Jahr 1969 war eine Verbeugung vor Bob Dylan und offenbart seine Vorliebe für Science-Fiction. 1970 heiratete er die bisexuelle Amerikanerin Angie Barnett, was seiner eigenen sexuellen Orientierung entsprach. 1971 wurde sein Sohn Duncan Zowie Haywood Stones geboren. Es folgte seine Verwandlung in Ziggy Stardust und erfolgreiche Alben wie „Hunky Dory“ und „The Rise and Fall of Ziggy Stardust and the Spiders from Mars“. Seine Shows werden immer extravaganter und sind voller Glitzer und Sternenstaub. Glamrock hatte seinen ersten Superstar.

1974 ging Bowie in die USA, wo ihn schwarze Musik und Unmengen von Kokain faszinierten. Um der Drogensucht zu entkommen, siedelte er mit seinem Freund Iggy Pop nach Berlin über, wo seine berühmten Berlin-Aufnahmen entstanden und er Iggy vor dem totalen Absturz und Tod bewahrte. 1977 entstand so das legendäre Heroes-Album in den Hansa-Studios. Mit Brian Eno als Musikpartner nähert er sich der Avantgarde und begräbt mit „Ashes to Ashes“ sein vorheriges Musikschaffen. 1980 trennt er sich von Angie und spricht zukünftig nie mehr ein Wort mit ihr.

Sein größter kommerzieller Erfolg gelingt ihm mit „Let´s Dance“ (1983), eine Zusammenarbeit mit Nile Rodgers von Chic und ein König des Funks. Die Scheibe macht ihn endgültig zum Musik-Millionär. Meine erste Begegnung mit David Bowie hatte ich bei einem Konzert im Kalkberg-Stadium in Bad Segeberg, wo ich mit roten Schuhe tanzte. Später konnte ich ihn noch mehrfach live erleben, so auch beim grandiosen Blankensee-Festival, wo er wie ein weiser Magier in weißen wallenden Gewändern auftrat. „China Girl“ und „Let´s Dance“ wurden zu Klassikern der Pop-Musik.

Seine Kreativität stagnierte und mit der Formation Tin Machine legt sich Bowie eine neue Band zu, die aber nicht an die Erfolge der Vorjahre anknüpfen kann. Dafür stabilisiert sich sein Privatleben. Er heiratete 1992 das Model Iman Mohamed Abdulmajid, zog nach New York und pflegt seine Freundschaft zu John Lennon und Yoko Ono. Er beginnt zu malen, schauspielert in diversen Filmen und veröffentlicht weiter Alben, wie „Outside“ von 1995 oder „Earthlink“ von 1997, wo er wieder mit Brian Eno zusammenarbeitet und sich an Drum and Bass orientiert. Im Jahr 2000 kommt seine Tochter Alexandria Zahra zur Welt, und Bowie spielt auf seinen Tourneen weiterhin den unsterblichen Rockstar. Doch 2004 erleidet er bei einem Konzert in Deutschland beim Festival in Scheeßel einen Herzinfarkt. Es folgte das Ende seiner anstrengenden Touren um den Erdball. Er gab in den nächsten Jahren nur noch ein paar Charity-Konzerte. Dann zog er sich für Jahre ins Privatleben zurück.

Völlig überraschend veröffentlichte er dann 2013 wieder ein Studioalbum „The next Day“ und thematisiert darauf seine eigene Ruhelosigkeit. 2016 folgt dann noch Blackstar, die ultimative Auseinandersetzung mit seiner eigenen Sterblichkeit. Das Resultat zeigt nach den Worten seines Freundes und Produzenten Tony Visconti „einen Künstler auf dem Gipfel seiner Schaffenskraft“. Zu dem Zeitpunkt war Bowie schon schwer gezeichnet von seinem Leberkrebs, trotzdem arbeitete er noch besessen an seinem letzten künstlerischen Traum, das Musical „Lazarus“, das 2015 im November tatsächlich noch in Beisein von David Bowie in New York Premiere feierte. 2016 wurde sein Aufenthalt auf der Erde dann durch seinen Tod endgültig beendet und er wurde wieder zu Asche und Staub.

Eine ungewöhnliche und sehr bewegende Biografie in Wort und Bild - nicht nur was für Fans.

Bowie - Ein illustriertes Leben von Maria Hesse und Fran Ruiz, Heyne Hard Core, 2020, 166 Seiten, Amazon.

Die Bücher sind in den inhabergeführten Buchhandlungen BellingProsa, Buchfink, Arno Adler, Langenkamp, maKULaTUR und Buchstabe erhältlich.

Titelbild: Jimi Hendrix, 10. Mai 1968, Foto: (c) Steve Banks, Wikimedia, CC BY-SA 4.0 

Holger Kistenmacher
Holger Kistenmacher
Jahrgang 1956, freischaffender Journalist seit gut 25 Jahren, studierter Realschullehrer, praktizierender psychosozialer Betreuer, ambitionierter Fotograf und Kulturschreiber mit den Fachgebieten: Moderne Gegenwartskunst, Literatur, Musik zwischen Jazz und Rock, Nordische Filme, Moderner Tanz. Weltenbummler und Reisejournalist.

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