Thorsten Hofmann „Das FBI-Prinzip – Verhandlungstaktiken für Gewinner“
Gegenwind für Pokerface und Quengelkind

Für das BKA verhandelte er mit Geiselnehmern und Erpressern. Heute berät Thorsten Hofmann Unternehmen und Organisationen in strategischer Verhandlungsführung. Das Gesichtlesen ist eine der Taktiken, mit denen er seine "Mannschaft" auf das "Match" vorbereitet. In seinem Buch verrät er, wie wir die Erkenntnisse in Alltag und Beruf nutzen können.

Verhandeln ist Psychologie

Durchschnittlich verhandeln wir fünf bis zehn Mal pro Tag, weiß Hofmann, ob in der Familie, im Beruf, mit Freunden oder Kollegen. Leider sind wir dafür in der Regel weder ausgebildet noch vorbereitet. Eine gute Vorbereitung ist aber wichtig, denn Struktur, Strategie und Taktik entscheiden über das Ergebnis einer Verhandlung. Nicht auf die rhetorischen Fähigkeiten kommt es an, sondern auf Beobachten, Zuhören, gezieltes und flexibles Handeln sowie Gelassenheit. Wir geben unserem Gegenüber das Gefühl von Kontrolle über die Situation, während wir selbst die Verhandlung kontrollieren. Wichtig ist es dabei, sich nicht in Emotionen verstricken zu lassen und den Machtfaktor Zeit zu nutzen.

Emotion schlägt Argument

Laut Hofmann geht es beim erfolgreichen Verhandeln in erster Linie um die Kontrolle von Emotionen. Damit sind einerseits die eigenen Emotionen gemeint, vor allem aber die des Gegenübers. Man sollte deshalb die eigentlichen Ziele des Verhandlungspartners ergründen, also die Motive hinter den Motiven. Anders als lange Zeit vermutet, sind es nämlich nicht die rationalen Argumente, die eine Verhandlung bestimmen, sondern die Emotionen, die als „Tiefenströmung“ darunter wirken. Verkauft jemand seinen Oldtimer, möchte er natürlich einen möglichst hohen Preis erzielen. Doch wird er darauf achten, dass sein geliebtes Stück in gute Hände kommt. Das Schlüsselmotiv ist hier die Wertschätzung, und genau dort setzen wir in der Verhandlung an.

Thorsten Hofmann, Foto: (c) Die HoffotografenThorsten Hofmann, Foto: (c) Die Hoffotografen

Vorbereitung

Grundlage des Verhandlungskonzepts ist die gezielte Vorbereitung, auf die Hofmann ausführlich eingeht und die je nach Größe und Bedeutung der Verhandlung variieren kann: Analyse von Gegner und Situation, Festlegen eigener Ziele und Forderungen, Aufstellen des Verhandlungsteams und dessen mentale Einstimmung. So gilt es beispielsweise herauszufinden, welche Persönlichkeit das Gegenüber besitzt. Hat der Verhandlungsführer ein gesteigertes Geltungsbedürfnis, auf das ich bei Strategie- und Wortwahl eingehen sollte? Ist er überhaupt der Entscheider oder sitzt eine unsichtbare dritte Person mit am Tisch, z. B. der Ehepartner? Welche Forderungen sind mir wirklich wichtig und welche kann ich als Scheinforderungen nutzen, um die Verhandlung in meinem Sinne zu lenken?

Bei größeren Verhandlungen wendet Hofmann schon jetzt den ersten Trick an, um das spätere Gespräch zu dominieren: das Setzen von Ankern. Er legt dem Gegenüber die Themenagenda vor, um die Gesprächsthemen und deren Reihenfolge zu bestimmen. Außerdem plant er das Setzen eines Kognitionsankers beim Verhandlungspartner, d. h. er wird ihm möglichst früh eine bestimmte Einstellung suggerieren, die das Ablehnen der eigenen Forderungen erschwert. Veranlassen wir z. B. einen Firmenchef, sich zu sozialer Verantwortung zu bekennen, und verankern diese Position fest in seinem Denken, wird er als Einsparungsmaßnahme keine Arbeitsplätze mehr streichen können, auch wenn er dies vorhatte.

Das Konzept

Nun beginnt die eigentliche Verhandlung. Auch bei guter Vorbereitung, so Hofmann, bekommen wir die wichtigsten Informationen vom Gegenüber selbst im direkten Gespräch vermittelt. Man muss die Zeichen nur richtig deuten. Hofmann hat dafür das vom FBI entwickelte F.I.R.E.-Konzept weiterentwickelt: Das Erkennen von Emotionen beim Gegenüber (F = Facial) hilft bei der Wahl der passenden Kommunikationsmittel zur Beeinflussung (I = Instrumental). Es wird eine professionelle Beziehung zum Verhandlungspartner aufgebaut (R = Relational). Beidseitiges Emotionsmanagement (E = Emotional) erlaubt uns einerseits, das Verhalten des Gegenübers zu kontrollieren und andererseits, mentale Stärke aufzubauen, denn Verhandlungen gewinnt man im eigenen Kopf.

Thorsten Hofmann, Foto: (c) Thorsten HofmannThorsten Hofmann, Foto: (c) Thorsten Hofmann

Der Autor beschreibt das Vorgehen im Detail und erläutert die taktische Empathie sowie das aktive Reinhören als zentrale Taktiken. Alle Prozesse veranschaulicht er mit Beispielen aus seinem Berufsleben, darunter spannende Fälle aus der Zeit beim BKA.

Der Blick hinter das Pokerface

Will man herausfinden, was der Verhandlungspartner in der Aushandlungsphase wirklich denkt, rät Hofmann, vor allem auf zwei Dinge zu achten: Mikroexpressionen und Inkongruenzen. Mikroexpressionen sind unwillkürliche Muskelreaktionen im Gesicht, die 40 bis 500 Millisekunden andauern, etwa so lange wie ein Wimpernschlag. Diese unbewussten Gesichtsausdrücke lassen sich nicht steuern, weshalb professionelle Pokerspieler zum Kaschieren oft Bart, Sonnenbrille und Kapuzenpullover tragen. Während sich die Körperhaltung bewusst manipulieren lässt und sie zudem nur anzeigt, ob jemand entspannt oder gestresst ist, nicht jedoch die Ursache dafür, verrät die Mimik genau, welche Emotion verheimlicht werden soll.

Mit etwas Übung können wir am Gesicht unseres Verhandlungspartners ablesen, ob er gerade versucht zu täuschen, ob er kooperativ ist oder ob ein kritischer Punkt naht, der den Abschluss gefährdet. Je stärker die von ihm empfundene Emotion, desto wahrscheinlicher ist das Auftreten von Mikroexpressionen. So lässt sich auch erahnen, wie wichtig der behandelte Themenaspekt für das Gegenüber ist und wie wir die weitere Verhandlungsstrategie am besten ausrichten.

Trauer, Foto: (c) Das FBI-PrinzipTrauer, Foto: (c) Das FBI-PrinzipHofmann beschreibt die sieben im Gesicht erkennbaren Grundemotionen und illustriert sie mit Abbildungen und Beispielen. Ein kurzfristig und kaum merklich angehobener Kinnbuckel ist z. B. ein Zeichen für Trauer und kann bedeuten, dass sich das Gegenüber innerlich von einer wesentlichen Forderung verabschiedet – oder dass die Polizei gerade am richtigen Ort nach der Tatwaffe sucht, die den mutmaßlichen Mörder überführen wird. Eine sehr häufige Mikroexpression ist das Wangenpressen, das durch einen subtil nach innen gedrückten Mundwinkel Verachtung signalisiert. Verräterisch bei einem Bluff sind kurz aufblitzende Lachfalten, die der Freude über das bereits erreichte Ziel Ausdruck verleihen.

Das Einzige, was für Lügner noch schwieriger ist als die Kontrolle der eigenen Mikroexpressionen, ist das Herstellen von Kongruenz aller Kanäle, also das Bilden einer widerspruchsfreien Einheit aus Worten, Stimme, Körpersprache und Mimik. Stellt man hier Inkongruenzen, d. h. Widersprüche beim Gegenüber fest, deutet dies auf ein Täuschungsmanöver hin. Wichtig ist, die Beobachtungen immer mit dem Normalverhalten der Person abzugleichen. Die Persönlichkeit kann auffällige Verhaltensweisen relativieren.

Der Umgang mit der Persönlichkeit

Einen wertvollen Hinweis auf die wirkungsvollste Verhandlungstaktik liefert das Persönlichkeitsprofil des Gegenübers, auf das wir uns bereits in der Vorbereitungsphase einstellen sollten. Hofmann unterscheidet fünf Persönlichkeitstypen:

Verachtung, Foto: (c) FBI-PrinzipVerachtung, Foto: (c) FBI-PrinzipDer Dominante (Bsp. Donald Trump) ist der geborene Boss, der sich in der Wettkampfarena fühlt, sich mit Stakkatogesten und kurzen, klaren Sätzen artikuliert und im Extremfall wie eine Dampfwalze über alles hinwegwalzt. Er drängt sachlich und ergebnisorientiert nach vorne, ist ungeduldig und verträgt keine Kritik. Ihm tritt man stark und selbstbewusst gegenüber, jedoch ohne eine Konkurrenz darzustellen. Man fragt ihn öfters um Rat, appelliert an seine Vernunft, verzeiht sprachliche Entgleisungen und setzt konsequent auf die Tit-for-Tat-Regel (Gleiches mit Gleichem vergelten).

Der Gewissenhafte (Bsp. Angela Merkel) ist der Experte am Schreibtisch, der lange, verschachtelte Sätze bildet, Wörter wie „könnte“, „würde“ und „sollte“ nutzt sowie Details und prinzipielle Fragen liebt. Er gibt sich sachlich, analytisch, abwartend, wirkt distanziert und wenig empathisch. Ihm begegnet man gut vorbereitet mit Zahlen, Daten und Fakten und lobt seine Sachkenntnis. Über Persönliches spricht man nur, wenn der andere beginnt.

Der Stetige (Bsp. Betriebsratsvorsitzende) ist der geborene Teamplayer, der sich persönlich um die Belange seiner Mitmenschen sorgt. Seine Vorgehensweise ist beobachtend, nachdenklich, vorsichtig, loyal und ausgesprochen empathisch. Nur sein Harmoniebedürfnis und die damit verbundene Neigung, Konflikte zu vermeiden, machen ihn manipulierbar und angreifbar.

Der Selbstbezogene (Bsp. Nicolas Sarkozy) ist die strahlende Erscheinung auf dem roten Teppich mit den großen, runden, umarmenden Gesten. Er ist fröhlich, mitreißend, unterhaltsam und ambitioniert, jedoch auch oberflächlich, narzisstisch und unzuverlässig. Ihm gewährt man Aufmerksamkeit, Lob, Anerkennung und Bewunderung und malt ihm bildlich aus, wie er das Verhandlungsergebnis vor seinen Leuten glanzvoll präsentieren kann.

Freude, Foto: (c) FBI-PrinzipFreude, Foto: (c) FBI-PrinzipDer Dramatische (Bsp. Claudia Roth) ist der Paradiesvogel auf großer Bühne mit ausschweifenden Worten und ausladenden Gesten, der gleichermaßen Sympathie und Abneigung hervorrufen kann. Er ist stark emotional, offen, impulsiv, motivierend und vereinnahmend, aber auch unsachlich, unstrukturiert, anstrengend und manipulativ. Ihm begegnet man mit Geduld, Lob, Komplimenten und viel Small Talk. Begründungen sollten für ihn immer einen konkreten Bezug zur Person haben. Bei Nachlässigkeiten reagiert man großzügig und ist nicht nachtragend.

Fazit und Diskussion

In seinem Buch „Das FBI-Prinzip – Verhandlungstaktiken für Gewinner“ erläutert Thorsten Hofmann sein Verhandlungskonzept und dessen psychologische Grundlagen ausführlich, anschaulich und gut verständlich. Die Polizeitaktiken lassen sich nachvollziehbar auf Alltag und Geschäftsleben übertragen. Zusammenfassungen am Ende der Kapitel erleichtern die eigene Anwendung. Seine Ausführungen illustriert der Autor zudem mit grafischen Übersichten und Anekdoten aus seinem Berufsleben. Einziger Kritikpunkt: Formal gesehen täten dem Buch etwas mehr Struktur im Text und weniger Wiederholungen gut.

Dem aufmerksamen Leser entgeht nicht, dass sich ein Aspekt wie ein roter Faden durch das ganze Buch zieht: die Bedeutung des Machtfaktors Zeit. Diese Beobachtung bestätigt der Autor auf Nachfrage im persönlichen Gespräch. „Grundsätzlich ist der Zeitfaktor doppelseitig“, erklärt Hofmann. Man kann Zeit schinden, was sehr nützlich ist, oder unter Zeitdruck geraten, was man vermeiden sollte. „Wenn Zeitdruck aufkommt, muss man dieses Muster bewusst durchbrechen“, so Hofmann. „Man geht aus der Situation raus und schafft eine neue Situation, in der genügend Zeit ist, um auf das Gegenüber und dessen Motive einzugehen.“ Ein typischer Fall ist das Beispiel vom quengelnden Kind, das an der Supermarktkasse nach einem Überraschungsei verlangt. „Hier ist ein kritischer Punkt erreicht. Wer jetzt nachgibt und sich instrumentalisieren lässt, der hat verloren“, warnt der Autor. „Der Druck wird jedes Mal größer, und das nutzt das Kind aus. Kinder sind richtig gut im Erkennen von Mustern.“

Doch wie kann man dieses Muster durchbrechen und zwischen Einkaufswagen und Portemonnaie auf die tieferliegenden Motive des Kindes eingehen? „Wenn vor der Kasse nicht genügend Zeit bleibt, verspricht man dem Kind, sich draußen in Ruhe um seinen Wunsch zu kümmern“, erläutert Hofmann. „Man geht erst durch die Kasse hindurch und verwickelt das Kind dann in ein Gespräch. Man fragt nach, warum es dieses Ei überhaupt haben möchte. Vielleicht geht es gar nicht um die Süßigkeit, sondern nur um die Spielfigur.“ In diesem Fall kann man sich darauf einigen, dass das Kind ein Spielzeug bekommt – allerdings ohne Schokolade und nach dem Essen.

Thorsten Hofmann: Das FBI-Prinzip – Verhandlungstaktiken für Gewinner, Ariston Verlag, 12. Februar 2018, 288 Seiten, Amazon.

Das Buch ist in den inhabergeführten Buchhandlungen Prosa, Buchfink, Arno Adler, Langenkamp, maKULaTUR und Buchstabe erhältlich.

Jennifer Balthasar
Jennifer Balthasar
Publizistin M.A., Magisterstudium der Publizistik, Psychologie und Soziologie an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz. Freiberuflich tätig in den Bereichen Journalismus, Öffentlichkeitsarbeit und Unternehmenskommunikation. Ihre Schwerpunkte bei „unser Lübeck“ sind moderne Klaviermusik, Alte Musik, Weltmusik und Crossovers sowie gesellschaftsbezogene Literatur, klassischer und moderner Tanz.

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