Blick vom Gipfel des Mauna Kea auf Hawaii, Blutmond über Lübeck, Sonnenaufgang in Travemünde (c) Ian Stauffer, Judith Melinkat, Danis Flohr

Playlist „Faszination Natur“
Von purer Schönheit bis Klimawandel

Blutmond über Lübeck, Sonnenaufgang in Travemünde, während die Ostsee zur nächsten Sturmflut ansetzt und sich die Trave ihren Weg in den Hausflur bahnt. Im Fernsehen Bilder von unberührten Schneelandschaften und Polarlichtern neben den Folgen verheerender Erdbeben. Die Natur überrascht, beeindruckt und überwältigt uns immer wieder – und sie inspiriert.

Weite

„Seltsam, wie dieser Ausblick die Sicht auf alles verändert. Man kann die Welt da unten nur erahnen“, singt Clueso, als er in Südtirol auf einem Berggipfel über dem Pragser Wildsee steht und seinen Blick in die Ferne schweifen lässt. Nachdenkliche Worte, die von Gitarre und Streichern getragenen werden. Der Song „Wie versprochen“ lädt ein, sich dem Moment hinzugeben und einfach nur zu sein. Die Natur in ihrer Schönheit auf sich wirken lassen und die Freiheit genießen. Diese Erfahrung wird noch intensiver, wenn man alleine reist, weiß der aus Erfurt stammende Sänger. Dabei möchte man das Erlebte nur zu gern teilen. In seinem Video lässt uns Clueso an den Inspirationen teilhaben, die er auf seinen Reisen sammeln durfte.

Clueso: „Wie versprochen“ aus dem Album Handgepäck I, Vertigo Berlin (Universal), 24. August 2018, Amazon, iTunes


Meer

So inspirierend es ist, in der Welt unterwegs zu sein, für das Erlebnis von Weite und Freiheit muss man gar nicht verreisen. Ein Spaziergang an der Uferpromenade und ein bewusster Blick auf das heimische Meer verbunden mit einem tiefen Atemzug können im Innern viel bewegen. Diese Erfahrung machte Olivia Belli während ihrer Jugend in der italienischen Hafenstadt Triest. Hier entdeckte sie nicht nur die Liebe zur Natur, sondern auch zur Musik und zum Klavierspielen. „Ich verbrachte viel Zeit damit, den Pier entlang zu schlendern“, erinnert sich die Pianistin. „Am äußersten Ende blieb ich stehen und lauschte den Wellen, wie sie auf die Felsen schlugen.“ In ihrem Stück „Sea Scales“ fängt sie diese Tonleitern des Meeres ein, die zu ihren prägendsten Erinnerungen zählen.

Olivia Belli: „Sea Scales“ aus dem Album Where Night Never Comes, Olivia Belli, 19. Oktober 2018, Amazon, iTunes


Regen

Der Titel „Rain“ mag im ersten Moment wenig spektakulär, vielleicht sogar langweilig klingen. Weiß man aber, dass es die sich bedrohlich zusammenbrauenden Gewitter im US-Bundesstaat Montana waren, die George Winston zu diesem Stück inspirierten, relativiert sich die anfängliche Einschätzung schnell. Es sei der Soundtrack zum Film, den das Leben spielt, sagte der Pianist selbst über seine Arbeit. Und wer sich jemals gefragt hat, warum das Klavier bisweilen als „Pianoforte“ bezeichnet wird, bekommt hier die Antwort. Denn feinen Nieselregen vertont der Komponist ebenso treffend wie Donner und Hagelschauer.

George Winston: „Rain“ aus dem Album Winter Into Spring (20th Anniversary Edition), Dancing Cat, 1982/2002, Amazon, iTunes


Licht

„The Arctic Light“ nennt Terje Sørgjerd ein Naturphänomen, das im hohen Norden zwei bis vier Wochen vor der Mitternachtssonne auftritt. „Sonnenuntergang und Sonnenaufgang sind in einer prächtigen Farb- und Lichtshow von acht bis zwölf Stunden miteinander verbunden“, erklärt der Naturfotograf. „Kaum ist die Sonne unter dem Horizont verschwunden, geht sie schon wieder auf.“ Fasziniert von diesem Schauspiel der Natur, machte sich Sørgjerd vier Jahre lang immer wieder zur gleichen Jahreszeit auf den Weg, das arktische Licht zu fotografieren. Entstanden sind beeindruckende Zeitrafferaufnahmen vor der Kulisse der norwegischen Lofoten, die hier in einem Video präsentiert werden. Zur musikalischen Untermalung hat Pianistin und Komponistin Marika Takeuchi eigens ein Stück geschrieben. Bei Timecode 1:06 ist der Wechsel zwischen Tag, Nacht und Tag in einer einzelnen Sequenz zu bewundern.

Marika Takeuchi: „The Arctic Light“ – Single, Marika Takeuchi, 10. Juni 2011, Amazon, iTunes


Mond

Die Kraft des Mondes fasziniert die Menschen seit Jahrtausenden. Schon das zu vorchristlicher Zeit erbaute Stonehenge im Süden Englands diente vermutlich zum Großteil der Mondbeobachtung. Noch heute richten sich naturverbundene Menschen, Heilkundige und Landwirte nach dem Mondkalender, der bestimmte Tätigkeiten in bestimmten Mondphasen empfiehlt, während andere als ungünstig gelten. Dass der Mond auch rein physikalisch gesehen eine Wirkung auf das irdische Leben hat, kann jeder bestätigen, der die Gezeiten an Nord- und Ostsee miterlebt. Bei Voll- und Neumond wirken die Kräfte zwischen Mond und Erde besonders stark. Ebbe und Flut fallen extremer aus, Sturmfluten werden wahrscheinlicher. Wir selbst spüren diese Kräfte oft körperlich in Form von positiven Energieschüben oder melancholischen Stimmungstiefs. Pianist George Winston entwirft in „Moon“ eine musikalische Mischung aus Energie und Melancholie in verschiedenen Variationen.

George Winston: „Moon“ aus dem Album Autumn (20th Anniversary Edition), Dancing Cat, 1980/2001, Amazon, iTunes


Sterne und Wolken

Die Milchstraße über El Teide abzulichten, hatte sich Fotograf Terje Sørgjerd zum Ziel gesetzt. Der mächtige Vulkan, gelegen auf der Kanarischen Insel Teneriffa, ist der höchste Berg Spaniens und gilt weltweit als einer der besten Orte, um den Sternenhimmel zu beobachten. Während nachts die Sterne die Szenerie dominieren, selbst durch einen aus der Sahara herannahenden Sandsturm nicht zu verdecken (Timecode 0:32), sind es tagsüber die Wolken. Auch sie bildet Sørgjerd im Zeitraffermodus ab: als flink vorbeihuschende Schönwetterwölkchen, die der Sonne entgegeneilen; als nebelähnlich wabernde Schleier, die Blumen in ein leichtes Tüllkleid hüllen; oder als wellenförmig heranrollendes Wolkenmeer, das die Bäume am Berghang allmählich umspült und bis an die Wipfel in dicke, weiße Watte bettet. Passend hierzu unterlegt der Fotograf sein Video mit Ludovico Einaudis „Nuvole bianche“ (Weiße Wolken).

Ludovico Einaudi: „Nuvole bianche“ aus dem Album Una Mattina, Ludovico Einaudi/Decca (Universal), 2004/2014, Amazon, iTunes


Wind

Viele Menschen pflegen eine ambivalente Beziehung zu ihrer Heimatstadt. Sie ist zu klein, um die eigenen Träume zu verwirklichen, und doch zu schön, um sie einfach hinter sich zu lassen. Irgendwann ist die Zeit gekommen, sich zu trennen, auch wenn man gelegentlich zurückkehren wird an diesen besonderen Ort, der einem Kraft gibt. Für Marco Caricola, der heute in London lebt, ist der alte Leuchtturm in der süditalienischen Hafenstadt Bari sein Rückzugsort, den er zurücklassen musste. Die innere Zerrissenheit zwischen Liebe und Loslassen verarbeitet er im Klavierstück „Libeccio“, benannt nach einem mediterranen Wind. Der Komponist folgt dem Ruf des Windes heraus aus dem Wald, durch unwegsames Gelände, Dunkelheit und Regen. Vor sich trägt er das Licht des Leuchtturms, das er am Ende freigibt. Er entlässt das Licht ins nächtliche Meer mit einem lieben Gruß an den einsamen 52-Hertz-Wal, der als einziger auf dieser Frequenz singt und daher nicht mit seinen Artgenossen kommunizieren kann.

Marco Caricola: „Libeccio“ – Single, 1631 Recordings, 29. März 2017, Amazon, iTunes


Unbequeme Wahrheit

Unter dem Motto „Fridays for Future“ gehen Jugendliche seit einigen Wochen freitags auf die Straße, dem Vorbild einer schwedischen Aktivistin folgend. Nachdrücklich treten sie für aktiven Klimaschutz ein, ohne den es Oasen, wie die gerade bestaunten, bald nicht mehr geben könnte. In den Medien wird groß über die Schülerinitiative berichtet. Doch ist es nicht der erste eindringliche Hilferuf im Namen der Natur, der die Politiker zu sofortigem Handeln drängt. Als Al Gores aufrüttelnder Dokumentarfilm „Eine unbequeme Wahrheit“ vor über zwölf Jahren in die Kinos kam, war es bereits fünf vor zwölf. „Es muss sich radikal etwas verändern“, hieß es schon damals in Melissa Etheridges Titelsong. „Ich habe geschlafen, und ich muss aufwachen – jetzt.“

Melissa Etheridge: „I Need To Wake Up“ – B-Seite der Single Message To Myself, Island Records, 01. Januar 2007, Amazon, iTunes

Jennifer Balthasar
Jennifer Balthasar
Publizistin M.A., Magisterstudium der Publizistik, Psychologie und Soziologie an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz. Freiberuflich tätig in den Bereichen Journalismus, Öffentlichkeitsarbeit und Unternehmenskommunikation. Ihre Schwerpunkte bei „unser Lübeck“ sind moderne Klaviermusik, Alte Musik, Weltmusik und Crossovers sowie gesellschaftsbezogene Literatur, klassischer und moderner Tanz.

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