Der Bürgermeister von Rostock, Claus Ruhe Madsen auf der Vernissage in der Kunsthalle St. Annen in Lübeck

Eröffnung der gemeinsamen Kunstausstellungen Lübeck und Rostock
Geburtsstunde des Perspektivwechsels

Der 9. November hat es in sich: Der Wegfall der innerdeutschen Grenze, die Eröffnung der gemeinsamen Kunstausstellungen Lübeck und Rostock sowie der Geburtstag des Schirmherrn Björn Engholm tragen - neben weiteren historischen Ereignissen - ein und dasselbe Datum.

Unter dem sich selbst erklärenden Titel "Perspektivwechsel" wurde am vergangenen 9.11. die Doppelausstellung der Kunst nach 1945 aus den Sammlungen der Kunsthallen in Lübeck und Rostock feierlich eröffnet. Wie nachmittags zuvor in Rostock wurde die Doppelausstellung in der Lübecker Kunsthalle St. Annen abends in bester Stimmung mit hohem Besuch aus Kiel und Schwerin gefeiert. Beide Ministerpräsidenten der beteiligten Länder Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern, Manuela Schwesig und Daniel Günther, gaben sich neben den jeweiligen Bürgermeistern Jan Lindenau und Claus Ruhe Madsen die Ehre.

Zwei junge Kuratorinnen aus Lübeck und Rostock haben aus den jeweils gut gefüllten Archiven vielfältige Werke aus der Zeit nach 1945 gegenüber gestellt. Das Zusammentreffen der insgesamt unterschiedlichen Nachkriegskunst aus der ehemaligen DDR mit der aus der BRD bleibt spannend. Wie Lübecks Kultursenatorin Monika Frank gleich in ihrer Begrüßung richtig sagte, sollen die Ausstellungen dazu herausfordern, die eigenen Sichtweisen zu überprüfen.

Jörg-Uwe Neumann (Direktor Kunsthalle Rostock) und Frank Druffner (Kulturstiftung der Länder)Jörg-Uwe Neumann (Direktor Kunsthalle Rostock) und Frank Druffner (Kulturstiftung der Länder)

Eine solche Ausstellung bedarf natürlich mehrerer Unterstützer und Förderer, allen voran der Kulturstiftung der Länder. Ihr Vertreter Frank Druffner sprach anerkennende Grußworte, bevor die Politiker zu einer spannenden Diskussionsrunde auf das Podium traten.

Die Kunsthallenleiter Antje-Britt Mählmann (Lübeck) und Jörg-Uwe Neumann (Rostock) entlockten den Politikern ihre persönlichen Erinnerungen an den Mauerfall vom 9.11.1989. Jede/r Einzelne konnte sich sehr genau an diesen Tag erinnern und erzählen, wie und wo sie die Nachricht traf, obwohl sie zu dem Zeitpunkt alle mittlere Teenager waren. Mit persönlichen Besuchserlebnissen konnten Jan Lindenau und Daniel Günther aufwarten, umgekehrt war es ja schwieriger. Besonders unterhaltsam war Jan Lindenau mit seinen Anekdoten zur Grenzöffnung in Schlutup, als jeder einzelne Trabant durch ein für ihn gespanntes Toilettenpapierband fahren durfte. Alle vier plauderten munter drauflos, und zwar wie in guten Talkshows, ohne auf die Fragen der Moderatoren zu achten.

Antje-Britt Mählmann (Direktorin Kunsthalle St. Annen Lübeck), Claus Ruhe Madsen (Bürgermeister Rostock), Manuela Schwesig (Ministerpräsidentin Mecklenburg Vorpommern), Daniel Günther (Ministerpräsident Schleswig-Holstein), Jan Lindenau (Bürgermeister Lübeck), Jörg-Uwe Neumann (Direktor Kunsthalle Rostock)Antje-Britt Mählmann (Direktorin Kunsthalle St. Annen Lübeck), Claus Ruhe Madsen (Bürgermeister Rostock), Manuela Schwesig (Ministerpräsidentin Mecklenburg Vorpommern), Daniel Günther (Ministerpräsident Schleswig-Holstein), Jan Lindenau (Bürgermeister Lübeck), Jörg-Uwe Neumann (Direktor Kunsthalle Rostock)

Ganz besonders hoben die beiden Ministerpräsidenten ihr grundsätzlich gutes Einvernehmen und damit ihre immer gute Zusammenarbeit hervor. In allen Fragen der bundesdeutschen Nordländer seien sie sich einig und handelten gemeinsam, vor allem gegenüber einem speziell "guten Freund" aus Süddeutschland. Ihre gegenseitig ehrliche Wertschätzung fühlte sich gut an. Die Nachbarschaft an der Ostsee verbindet eben, auch wenn Manuela Schwesig trotz aller Reisefreiheit am liebsten in ihrem Land bleibt. Auf konkretes Nachfragen gestand sie, schon einmal in Timmendorfer Strand gewesen zu sein. Ein Besuch an der Nordseeküste, zu dem Daniel Günther sie unlängst eingeladen hatte, steht noch aus.

Politisch brisant wurde es, als Jan Lindenau die segensreichen Lübecker Stiftungen lobte, die schon vor der Wende Großes für die Museen der Stadt leisteten, während in der DDR Vermögen enteignet wurde und auch nicht aufgebaut werden konnte. Unvermittelt grätschte Manuela Schwesig hier rein und thematisierte den von überreichen Westlern verursachten Ost-West-Konflikt. Sie prangerte die Westler an, die nicht wüssten wohin mit ihrem vielen Geld, große Ländereien im Osten aufkauften und damit der Bevölkerung ihres Bundeslandes die Lebensgrundlage entzögen. All dies passte zwar nicht zu Lindenaus Erklärung, zeigte aber deutlich, wie blank die Nerven in diesem Punkt liegen. Einig waren sich schließlich alle, dass ein Leben ohne Kunst nicht möglich sei, wie die Pandemie-Zeit schmerzhaft gezeigt hatte und dass die Kunst staatlicher Unterstützung bedarf.

Björn Engholm (Ministerpräsident S-H a.D.) an seinem Geburtstag auf der Vernissage in der Kunsthalle St. AnnenBjörn Engholm (Ministerpräsident S-H a.D.) an seinem Geburtstag auf der Vernissage in der Kunsthalle St. Annen

Die zweite Podiumsrunde gestalteten die beiden Kuratorinnen mit Björn Engholm als Schirmherrn. Engholm betonte die unterschiedliche Entwicklung der Kunst in Ost und West. Während im Osten dem Sozialistischen Realismus folgend große Figurationen mit hohem künstlerischen Anspruch weiterentwickelt wurden, wie zum Beispiel das große Werk hinter dem Podium von Susanne Kandt-Horn "Eines Tages werden die Menschen wie Brüder leben", stürzte sich der Westen gleich in die Abstraktion. Von beiden Seiten werde eine große Bandbreite geboten. Die Kuratorinnen konnten aus prallvollen Archiven schöpfen. In mehr als 150 Bildern, Grafiken und Skulpturen konnten die Sammlungen gegenüber gestellt werden. Es bleibt zu hoffen, dass die beiden jungen Kuratorinnen möglichst viele junge Menschen dazu anstiften können, sich für Kunst zu begeistern und auch schon einmal ein Werk zu erwerben.

Musikalisch wurde die Ausstellungseröffnung von den jungen Musikern der Gruppe SYNTHESIA aus Rostock sowie dem Lübecker Bassisten Florian Galow begleitet. Ihr Stil ist abstrakt sphärisch, teils mit dem Synthesizer als auch live gespielt mit E-Gitarre, Schlagzeug und Bass. So abgehoben techno-electro-instrumental sie auch sein mochten, so frei und locker intonierten sie die ganz irdische Melodie zum "Happy Birthday" für Björn Engholm - alle Anwesenden sangen mit.


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