Über 3000 qm Wasserfläche spiegelt die Nylonstrumpf-Installation, Foto: (c) Holger Kistenmacher

NordArt 2025
Kunst-Pflicht-Termin in Büdelsdorf

Zugegeben - dieses Jahr bin ich echt spät dran, aber kurz vor dem Ende der Laufzeit habe ich es doch noch nach Büdelsdorf geschafft, um den alljährlichen Pflichttermin für alle Kunstliebhaber*innen im hohen Norden wahrzunehmen. Ich hatte extra auf meine Freundin aus der Schweiz gewartet, die unbedingt mitkommen wollte. Die 26. Ausgabe der NordArt - Internationale Ausstellung zeitgenössischer Kunst im Kunstwerk Carlshütte im schleswig-holsteinischen Büdelsdorf bei Rendsburg ist mittlerweile eine der größten Kunst-Schauen zeitgenössischer Kunst in Europa.

Wobei allein das Gelände der ehemaligen Eisengießerei Carlshütte mit ihren 22.000 Quadratmetern Ausstellungsfläche selbst die Documenta oder die Biennale in Venedig nicht fürchten muss. Denn es gibt außerdem noch die Wagen-Remise plus 80.000 Quadratmeter im herrlichen Skulpturenpark. Dabei wird die Riesen-Ausstellung jedes Jahr neu kuratiert und konzipiert und zeigt Künstler aus aller Welt. Allein die Ausmaße der gigantischen Fabrikhallen mit ihrem maroden, verrosteten Chic bieten immer wieder neue Perspektiven und Sichtachsen über mehrere Etagen. Dazu wurde dieses Jahr eine Wasserfläche von 3.000 Quadratmetern geschaffen, in der sich selbst die größten Installationen wunderbar spiegeln.

War and Peace-Installation von Wieslaw Smetek (Polen), Foto: (c) Holger KistenmacherWar and Peace-Installation von Wieslaw Smetek (Polen), Foto: (c) Holger Kistenmacher

Traditionell gibt es einen besonderen Fokus auf die Kunst aus Südost- und Zentralasien mit Künstler*innen aus China, Japan, der Mongolei, Usbekistan oder Südkorea. 2025 hatte die NordArt aber auch besondere Einzel-Ausstellungen wie das Special Project - Directions Poland oder Fokus Japan - Do/dat_code zu bieten. So stand die Wagen-Remise im wunderbaren Parkgelände ganz im Zeichen von Polen: „No more Tears“ war zum Beispiel ein Thema mit großartigen Holzskulpturen, einem „Verzweifelten Jesus“ einbetoniert in einer Badewanne oder einem Ikarus. Dazu queere Malerei, Porzellan-Objekte und Friedens-Botschaften. Dazu gehörte auch die großartige „War and Peace-Installation“ von Wieslaw Smetek in der Haupthalle, die zeigte, wie dubios die Welt zur Zeit ist. Ein Luxusauto in Camouflage-Look neben der Freiheitsstatue, die auf dem Seil tanzt und abzustürzen droht oder die Friedenstaube im Stacheldraht-Nest, während sich Jesus nur noch an den Kopf fasst.

Ein weiteres Sonderprojekt war eine Installation aus Israel und gehört zu meinen diesjährigen Favoriten. Anlässlich des 60-jährigen Bestehens der diplomatischen Beziehungen zwischen Deutschland und Israel durfte der Künstler Ronan Sharabani seine großartige multimediale Installation aus Videoarbeiten aufbauen. Geheimnisvoll werden Papierschnipsel, die Hochhäuser aus Gaza zeigen über einige Kästen mit Wüstensand bewegt. Man sieht die Projektoren nicht. Oder ein Tänzer macht die (Reise nach Jerusalem), indem er zwischen fliegenden Stühlen balanciert - ganz großartig und geheimnisvoll!!

Pinocchios Armee, Foto: (c) Holger KistenmacherPinocchios Armee, Foto: (c) Holger Kistenmacher

Und natürlich gab es wieder gigantische Skulpturen und Installation aus dem Reich der Mitte, wobei man sich immer wieder fragt: Wie kriegt man das nur heil transportiert von China nach Deutschland. So zeigte Yin Xiuzhen eine riesige Installation von gesammelten Schuhen, die alle eine besondere Geschichte haben, an langen, verknoteten Beinen, die von der Decke hängen. Im Park stolzierte der „Wanderer“ von Su Xingping über den Rasen, während „Pinocchio seine Armee“ von LIU Ruowang in der Metall-Hütte aufgefahren hatte. Xiang Jing hinterfragte mit ihrer nackten Frauenfigur und den an die Wand schauenden Frauenfiguren, was Weiblichkeit ist: „Your Body“. Ein völlig anderes Kunstmedium nutzte der letztjährige Publikums-Preisträger Yang Song: Seine Licht-Installation „Halo“ zeigt einen Heiligenschein und besteht aus tausenden Drähten in einer Metall-Konstruktion.

Aber auch die Malerei, längst tot gesagt, erlebt immer wieder neue Auferstehungen. Da kommen traditionelle Figuren mit der Moderne in Kontakt, aber grandios gemalt in der Mongolei. Auch der Berliner Künstler Christoph Lehmkuhl war mit seinen überbordenden Öl-Gemälden, die er nur mit den Händen malt und dabei Literweise Farbe bei Wind und Wetter verarbeitet, vertreten. Zu sehen war unter anderem seine Strand-Ansicht aus Timmendorf mit der Tee-Brücke. Und, und, und….

Sonderschau: Direction Polen: Ikarus, Foto: (c) Holger KistenmacherSonderschau: Direction Polen: Ikarus, Foto: (c) Holger Kistenmacher

Aber nächstes Jahr gibt es ja schon die 27. Ausgabe der NordArt, die ich bestens empfehlen kann. Also soll mein folgender Bilderbogen Lust auf einen Besuch in Büdelsdorf machen und bereits Vorfreude wecken: Auf zur NordArt 2026!


Fotos: (c) Holger Kistenmacher

Holger Kistenmacher
Holger Kistenmacher
Jahrgang 1956, freischaffender Journalist seit gut 25 Jahren, studierter Realschullehrer, praktizierender psychosozialer Betreuer, ambitionierter Fotograf und Kulturschreiber mit den Fachgebieten: Moderne Gegenwartskunst, Literatur, Musik zwischen Jazz und Rock, Nordische Filme, Moderner Tanz. Weltenbummler und Reisejournalist.

Sie haben keine Berechtigung hier einen Kommentar zu schreiben.