Joana Vasconcelos: Kochtopf-Damenpump "Marilyn Monroe"

Schloss Gottorf
Kunstausflug nach Schleswig an der Schlei

Endlich sind Schulferien, der Sommer hat neben Starkregen auch ein paar wirklich sonnige Tage zu bieten und man bekommt Lust, den einen oder anderen Ausflug im Land zwischen den Meeren zu unternehmen. Da bietet sich ein Kunstausflug nach Schleswig in das Schleswig-Holsteinische Landesmuseum Schloss Gottorf bestens an.

Allein schon das wunderbare Schloss, Sitz von Herzog Friedrich III. von Schleswig-Holstein-Gottorf mit seinem riesigen Barock-Garten, dem grandiosen Globushaus mit dem Nachbau des historischen, begehbaren Riesenglobus vom Hofgelehrten Adam Olearius von 1651, sowie der riesigen Sammlung an mittelalterlicher Kunst und Kultur (von Altären, über Klassiker wie Cranach, Bosch und niederländischer Gemäldesammlung, der Porzellan-Sammlung, der nordischen Wohnkultur, dem berühmten Wikinger-Schiff bis zu den Moorleichen, und, und, und...) ist einen ausgiebigen Besuch wert.

Schloss Gottorf, (c) Stiftung Schleswig-Holsteinische Landesmuseen / Bodo NitschSchloss Gottorf, (c) Stiftung Schleswig-Holsteinische Landesmuseen / Bodo Nitsch

Dazu gibt es aber auch jedes Jahr überregional beachtete moderne Kunstausstellungen der Gegenwart. So wird dieses Jahr noch bis November die Nummer eins der portugiesischen Gegenwartskunst, Joana Vasconcelos, eine ganz eigenständige, feministische Künstlerin von Weltrang präsentiert. Ihre großartige Schau, unter dem Titel „Le Château des Valkyries“, hat Groß-Installationen im Kreuzstall, in der Reithalle und an mehreren Orten im Schloss zu bieten.

Mir ist die portugiesische Künstlerin 2013 erstmals bei der Venedig Biennale begegnet, wo sie ein in Hamburg gebautes altes Fährschiff in den Landespavillon von Portugal umgestaltet hatte, mit dem man auf den Kanälen von Venedig schippern konnte. Das gesamte Schiff war mit Kork ausgelegt. Dazu gab es portugiesische Spezialitäten und Fado-Musik und unter Deck konnte man eine gestrickte, gehäkelte Unterwasserwelt der Fantasie erleben.

Joana Vasconcelos: 'Der Maßstab an sich hat keine magische Qualität, das Hauptziel ist es, verschiedene Perspektiven auf die Realität zu bieten.'Joana Vasconcelos: 'Der Maßstab an sich hat keine magische Qualität, das Hauptziel ist es, verschiedene Perspektiven auf die Realität zu bieten.'

Dafür hatte sie bis zu 50 Hausfrauen und Frauen vom Land in ihrer „Poesiefabrik“, ihrem Atelier in Lissabon angestellt, die aus Wolle, Stoff und anderen textilen Werkstoffen fantasievolle Korallengärten und Fische mit LED-Leuchten schufen. Das war der internationale Durchbruch für die feministische Künstlerin. Geboren in Paris kehrte sie nach der friedlichen Nelkenrevolution mit ihren Eltern zurück in ihr Heimatland Portugal. Ihre Familie musste vor der faschistischen Militärdiktatur nach Frankreich ins Exil gehen. Nach der erfolgreichen Revolution veränderte sich auch sehr schnell die Rolle der Frau im vorher stark patriarchalischen Land von der reinen Hausfrauen- und Mutterrolle hin zur selbstbewußten und selbstbestimmten Generation von modernen Frauen. Dementsprechend reflektieren Joana Vasconcelos Arbeiten Themen wie Geschlechterrollen, Weiblichkeit, Machtstrukturen, Körperlichkeit und soziale Normen. Sie arbeitet dabei hauptsächlich mit Materialien, die meist Frauen zugeschrieben werden wie Wolle, Stoff, Textilien, aber auch Haushaltsgerätschaften, Blumen und Ornamentik.

Tanzperformance rund um die Walküre MarthaTanzperformance rund um die Walküre Martha

Ihre Schleswig Schau, die aus 11 raumgreifenden Installationen besteht, zeigen unter dem Obertitel „Le Château des Valkyries“ vor allem ihre Walküren, Figuren aus der skandinavischen Mythologie. Früher bezeichnete man vor allem kriegerische Frauenfiguren, die als Symbole für Tapferkeit, Stärke, Tod und Schicksal standen, als Walküren. Ihre heutigen Großinstallationen aus Baumwoll-Häkelarbeiten, Textilien, LED, Ornamenten und aufblasbaren Komponenten orientieren sich an berühmten Frauen der Geschichte, wie der italienischen Mode-Designerin Marina Rinaldi, die als italienische Schneiderin bereits 1850 ein Atelier für Frauenmode gründete, das später von Max Mara weiter ausgebaut wurde. Als erstes High-Fashion-Haus kleidete sie mehr als 40 Jahre Frauen ab Kleidergröße 40 ein und leistete damit einen wichtigen Beitrag zur Body Positivity - Bewegung. Andere Frauen als Bezug sind starke Frauen wie Catherine Dior (Widerstandskämpferin und Schwester von Modeschöpfer Christian Dior) oder die Philosophin und Feministin Simone de Beauvoir. Diese Arbeiten findet man in der Kreuzhalle und im ehemaligen Reitstall.

Walküre Marina RinaldiWalküre Marina Rinaldi

Ihre Walküren sind selbstbewußt schwebende Wesen aus Stoffen, Spitzen, Stickereien, Wolle, Pailletten, Perlen, Federn und LEDs, die ihre textilen Körper in alle Richtungen ausstrecken und die Räume mit sanfter Macht einnehmen und besetzen. Daneben gibt es Arbeiten wie das rote „Flaming Heart“ aus roten aufblasbaren Kissen mit langen Tentakel-artigen Fangarmen. Ein fast schon Barock anmutendes Werk voller prunkvoller Dekorationselemente, das sowohl die Reinheit des Herzens wie auch pflanzliche Gestalt symbolisieren soll.

Flaming Heart (2019-2022)Flaming Heart (2019-2022)

Wie ein riesiger gehäkelter runder Topflappen kommt die Arbeit „The big Booby“, die große Brust als gewölbte Wandarbeit daher. Eine andere Wandarbeit hängt im Goldrahmen, „Finisterra“ und sprengt die Grenzen zwischen Malerei, Skulptur und Kunsthandwerk, hat aber vor allem auch etwas typisch portugiesisches, denn sie verweist auf das Ende der Welt, den geografisch westlichsten Punkt Portugals, ein Kap 40 Km westlich von Lissabon.

FinisterraFinisterra

Im Schloss selbst gibt es noch 4 weitere wunderbare Arbeiten. So hat sie ein weiteres schwebendes und sich drehendes Werk, „Red Independent Heart“ an die Decke gehängt - zwischen mittelalterliche Kunst. Dieses Herz von Viana, das berühmte Symbol der Stadt Viana do Castello im Norden Portugals ist ein filigranes Schmuckstück nur aus durchsichtigem roten Plastikbesteck geschaffen. Es dreht sich langsam unter dem Gesang der berühmten Fadosängerin Amalia Rodrigues und beschwört den Kreislauf des Lebens. Ein Raum weiter steht ein riesiger Damenpumps (siehe Titelfoto) neben großen Wandteppichen. Er besteht nur aus Kochtöpfen und ihren glänzenden Deckeln und ist nach der Filmdiva Marilyn Monroe benannt.

Weiter geht es in der historischen Schlosskapelle, wo noch heute Gottesdienste und Hochzeiten gefeiert werden. Dort hat die vielschichtige Künstlerin eine weitere Walküre „Thyra“ über die Köpfe der Kirchenbesucher installiert. Dieses beeindruckende Großwerk spielt auf die erste Königin Dänemarks, Thyra Danebod (ca. 880 - 935) an, die in der dänischen Nationalromantik unter anderem als Initiatorin des hiesigen Befestigungswerk Danewerk bei Schleswig gilt.

Garden of Eden im Hirschsaal - ein Labyrinth aus fluoreszierenden BlumenGarden of Eden im Hirschsaal - ein Labyrinth aus fluoreszierenden Blumen

Den glitzernden Abschluss ihrer Werke bildet die Installation „Garden of Eden“, ein Labyrinth aus fluoreszierenden Blumen, die sich auf die aufwendige Beetgestaltung des Barockgartens hinter dem Schloss Gottorf bezieht. Künstliches Licht setzt diese von Menschenhand geschaffenen Blumen höchst artifiziell in Szene. Gartenkunst der kreativen Art der Gegenwartskunst.

Anja Schindler: Installation aus der Serie 'Spiegel der Welt'Anja Schindler: Installation aus der Serie 'Spiegel der Welt'

Neben den Werken von Joana Vasconcelos zieht sich wie ein sprichwörtlicher blauer Faden die vielfältige Installationskunst der 1963 in Bremen geborenen Künstlerin Anja Schindler durch das gesamte Schloss. Unter dem Titel „Spiegel der Welt“ schmuggelt sie diverse cyanblaue Werke von sich in die Säle, Kammern, Erker und Gänge des ausgedehnten Gottorfer Schloss. Ihre künstlerischen Interventionen fordern zum Staunen und Wundern auf. Dabei setzt sie sich sowohl mit der Architektur des Schlosses als auch mit der schier unendlichen Menge aus verschiedensten Ausstellungsstücke auseinander.

Mal schafft sie „Wunderkammern“ voller seltsamer Pflanzen, Tiere und Zeichnungen, dann wiederum gießt sie einfach eine uralte historische Wanne voller türkisblauer Kügelchen. Ihre eingefärbten Pflanzen und deren Relikte zieren die Porzellansammlung genauso wie die historischen Wohnzimmer. Mit „Spiegel der Welt“ verwandelt sie das Schloss Gottorf in ein dreidimensionales Stillleben, das eine Brücke schlägt vom Barock ins Heute.

Wunderkammer von Anja SchindlerWunderkammer von Anja Schindler

Es gibt also viel zu entdecken im Landesmuseum Schleswig-Holstein. Ein wunderbarer Ausflug, der sich eigentlich zu jeder Jahreszeit lohnt. Als kleinen Geheim-Tipp verrate ich jetzt noch, wo man sich nach dem mehrstündigen Museumsbesuch noch wunderbar wieder erfrischen und stärken kann. Direkt an der Schlei, nahe von Haitabu, dem bekannten Wikinger-Museum bei Haddeby an der Landesstraße gibt es das wunderbare Restaurant „Odins“, wo man nach Wikinger-Art Schlemmen und Trinken kann, von Met bis Wildschweinbraten, alles „feinheimisch“ und ökologisch erzeugt - ganz lecker und bezahlbar.


Fotos: (c) Holger Kistenmacher


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