Der Deichtorhallen-Ableger in Hamburg Harburg präsentiert in seiner aktuellen Schau zwei schillernde Künstlerpersönlichkeiten aus Österreich, die kaum zu fassen sind. Sowohl persönlich, als auch in ihrer Kreativität und Kunst passen weder Jakob Lena Knebl (1970, Baden) noch Ashley Hans Scheirl (1956, Salzburg) in irgendeine Schublade. Das Künstler*innen-Duo, das zuletzt mit seinen großen Ausstellungen in Lyon (Biennale - 2019), Venedig (Biennale - 2022) und Paris (Palais de Tokyo - 2023) für Furore sorgte, gehört zu den glitzernden Persönlichkeiten der Gegenwartskunst.
Mit der letzten noch zu Lebzeiten gemeinsam mit Harald Falckenberg entwickelten Ausstellung: "Passage" widmen die Deichtorhallen dem Duo jetzt ihre erste große Präsentation in Deutschland und lassen die Falckenberg-Sammlung in einem ganz neuen Licht erscheinen. Wobei sich die schrill-schräg-grelle Kunst des Duos, welches sich selbst Gender-mäßig nicht festlegen lassen will, immer auch wieder mit viel künstlerischem und historischem Fachwissen auf diverse kreative Kollegen/innen der Kunst- und Design-Geschichte bezieht.
In den sinnlichen, ästhetisch stark aufgeladenen Installationen ist nichts wie es scheint. Spiegelungen und Skulpturen verweisen sowohl an Hans Arp, als auch an die Knautschfiguren der frühen Fernseh-Sendung Barbapapa, nennen sich bei ihnen jetzt aber Arpapapa. In der Kellerecke klebt eine große Fotografie, die sich „Fettecke“ in Anlehnung an die berühmte Fett-Ecke von Joseph Beuys nennt. Voller Humor und ohne Selbstscheu zeigt sich dort Jakob Lena Knebl in ihrer körperlichen Fülle und Nacktheit. Andere Werke verweisen an den Erbauer der Pariser Metro Hector Guimard, der in grotesk verzerrten Masken in Gold zu sehen ist.
Der berühmte Designer aus den 70er Jahren Luigi Colani wird mit seinen Waschbecken und Badewannen wieder entdeckt und steht Pate in den Springbrunnen-Installationen. Mary Shelly (Frankenstein) und Ada Lovelace werden zitiert, wenn die düsteren Installationen sich zwischen Groteske und schwarzer Romantik abspielen. Diese wunderbaren Räume sind aber auch immer Spiegelungen oder Doppelungen aus Skulpturen von Jakob Lena Knebl und Malereien von Ashley Hans Scheirl, sowie Bildtapeten, die wiederum aus der Ausstellung aus dem Pariser Palais de Tokyo stammen.
Dieser besondere Mix aus Skulptur, Malerei, Design, Inszenierung, Fotografie und Film schafft begehbare, verführerische Welten, die alle möglichen Themen von der Diversität über den „guten Geschmack“ bis zur Transformation abdecken. Wobei immer auch eine kräftige Portion Humor hinzu kommt, die auch beim Pressegespräch mit dem wunderbaren Duo deutlich wurde. Da werden auch mal politische, typisch österreichische Themen angerissen, über die sich die dortige Gesellschaft gerade heftig auseinander dividiert oder der ungeschminkte Blick auf sich selbst und die eigene Körperlichkeit geworfen.
So gibt es im Spiel- oder Therapie-Zimmer eine Installation aus kuscheligen Sitzecken, hässlichen alten Holzmöbeln und Spielzeug, den sogenannten Rupfentieren aus Jute und Leder, die auf die deutsche DDR-Künstlerin Renate Müller zurückgehen, an der Wand hängt ein Foto im Caspar-Kostüm zwischen Spielfiguren von Jakob Lena Knebl. Der Raum soll sowohl zum Spielen auffordern, als auch therapeutisch zum Beispiel durch Familien-Aufstellungen für seelische Gesundheit sorgen. So kommt immer auch eins zum anderen und ganze Gesamt-Kunstwerke entstehen.
Die schrillen Malereien von Ashley Hans Scheirl sind durchdrungen vom Surrealismus und von der Lust, sich selbst in Doppel-Porträts zu malen. Selbst-Inszenierung ist ein weiteres Feld der Identitätssuche und der Kreativität dieses wunderbaren vielfältigen Duos. Auf kleinen Video-Monitoren rocken sie als verkleidete Sisters of Mercy, angelehnt an die gleichnamige Rock-Band aus den 80ern, die zu den bevorzugten Bands aus der Jugend von Jakob Lena Knebl gehörte und deren Sänger wohl noch immer in Hamburg lebt, wie sie freudig erwähnte.
Neben diesen vielschichtigen Werken der beiden gibt es aber auch noch eine Gemeinschafts-Ausstellung von insgesamt 40 Kunst-Studenten aus Wien und Hamburg. So sind Leute aus der Time Based Media-Klasse von Prof. Angela Bulloch von der HFBK und aus der Klasse für Transmediale Kunst von Jakob Lena Knebl der Universität für angewandte Kunst in Wien vertreten. Ihre Arbeiten werden im 3. und 4. Stockwerk gemeinsam mit einigen Werken aus der Falckenberg-Sammlung präsentiert.
Also der Weg nach Harburg lohnt sich! Die Gesamt-Schau ist bis zum 15. September 2024 in der Sammlung Falckenberg/Deichtorhallen Hamburg zu sehen.
Adresse: Phönix-Fabrikhallen, Wilsdorfer Str.71, Tor 2, Hamburg-Harburg, Tel: 040-32103100. Geöffnet jeden 1. So im Monat 12-17 Uhr, 11 Euro Eintritt ohne Voranmeldung, sowie jeden Fr, 15 und 17 Uhr sowie jeden Sa & So um 12, 15, und 17 Uhr im Rahmen von 90-minütigen Führungen, dann 16 Euro Eintritt mit Voranmeldung.
Fotos: Holger Kistenmacher