Gitesh Klatt

Werkschau von Gitesh Klatt im Defacto Art am Holstentor
70 Jahre und kein bisschen leise

Der Lübecker Künstler Gitesh Klatt ist ein Mann mit Visionen, wie schon Peter Fischer vom Kunst-Verein Defacto-Art in seiner Eröffnungsrede am Donnerstagabend bei der Vernissage der Werkschau in der Ausstellungshalle der Kunsttankstelle am Holstentor betonte. Immer wieder hat er seine künstlerischen Mittel und seine Kreativität an den Gegebenheiten der jeweiligen Zeit angepasst.

Zum Beispiel in Corona-Zeiten hat er mit seinen Performances „Single Bench“ auf Isolation und Einsamkeit hingewiesen, wenn er im Raumanzug hilflos durch die Gegend taperte oder einsame Dialoge von sich gab. Auch seine Installation „Frozen Hello“ entstand in dieser bitteren Zeit und sprach Bände über eiskalte Zeiten und Lockdowns. Beide Werke sind als Film-Dokus in der aktuellen Werkschau zu sehen.

Lasse Federfuß und 'Peaceful Moments'Lasse Federfuß und 'Peaceful Moments'

Auch seine Installation „Peaceful Moments“ entstand in einer Zeit, als man sich den Krieg in der Ukraine niemals hätte vorstellen können. Aber die alten Schuhleisten, Fundstücke seines Onkels, die er beim Ausräumen dessen Hauses gefunden hatte, die schwankend sich im Gleichgewicht auf einer Platte, die an einem Seil von der Decke hing, hielten, verwiesen schon im Jahr 2013 darauf, wie schnell sich die friedliche Balance verabschieden kann. Ein Jahr später annektierte Russland die Krim. Bei der Vernissage wurde die Installation umgedeutet: Der Schlagzeuger Lasse Federfuß benutzte das Werk für einen Trommel-Einsatz und brachte das Werk zum Einsturz - kurz, aber heftig war die friedliche Balance dahin.

Aber auch die reale Gegenwart spiegelt sich in neuen Werken des Allrounders Gitesh Klatt. Einst begann er in den 70er Jahren mit feinen Zeichnung und Malerei, dann kamen Skulpturen, Installationen, Performances, Fotos und Filme hinzu. Seine neueste Acryl-Malerei zeigt zwei Kerle mit Panzerköpfen. Der Krieg beginnt eben immer zunächst in den Köpfen einiger Wahnsinniger. Ähnlich kann man die beiden „Ballhead - Skulpturen“ interpretieren. Die sogenannten „Trashhart Objekte“ zeigen die nicht immer glückliche Verbindung von Sport und Politik. Die unsägliche Fussball-WM in Katar ist noch nicht vergessen!

RostschiffRostschiff

Aber auch in seinen älteren Arbeiten lässt sich Entwicklung feststellen. So ist zum Beispiel sein „Rostschiff“ von 1989 immer noch in einem Prozess der Veränderung. Ursprünglich ein Leinwand-Foto eines realen Schrottdampfers vom Strand in Lanzarote, das Klatt auf eine Metallplatte gespannt hatte, um es dem Regen auszusetzen, indem er es auf dem Dach seiner Ente durch Lübeck fuhr, oder auch einmal in der Trave versenkte, hat das Bild mittlerweile diverse Roststellen, wo das Metall das Foto durchdringt. Das alte Schiff gammelt also sowohl am Strand, als auch in seiner künstlerischen Reproduktion weiter vor sich hin.

Seine Vision von Deutschland wird auch an seinem Reichstags-Bild von 2008 deutlich. Eine kleine Wolke schwebt unheimlich über dem Bundesgebäude, während der Künstler eine Gold-Stele mit ins Bild geschmuggelt hat: Wer will sich da auf wessen Kosten eine goldene Nase verdienen? Kuschelig und heimelig wird’s in der Ecke mit seinen Fell-Bildern, die man anfassen darf. Diese Fühlbilder aus den Jahren 2006 - 2008 aus Kunstfell und Camouflage schmeicheln der Wand und den Händen der Besucher, auch wenn ihre Bedeutung vielleicht hintersinniger sind, als es der erste Anschein macht.

Gitesh KlattGitesh Klatt

Darüber hinaus lässt sich noch das eine oder andere Werk des umtriebigen Künstlers, der in Kürze seinen 70. Geburtstag feiert, entdecken. Alter schützt halt nicht vor Kreativität und Mut zu neuen Werken. Veränderung seiner Werke lässt sich eben auch im lauschigen Garten des Defacto Art beobachten. Seit Jahren steht da seine Goldstele, ein Werk aus goldenen Rettungsdecken, recycelten PET-Flaschen und allerlei privaten Details, die der letzte Sturm arg gebeutelt hat. Aber wie schon bei dem berühmten Ai WeiWei-Werk, einem gestapelten Turm aus alten chinesischen Türen, auf der vorletzten Documenta in Kassel, den ein Sturm verdreht, aber nicht zum Einsturz gebracht hatte, trotzt die Kunst häufig allen Widerständen.

Bleibt zu hoffen, dass Gitesh Klatt noch lange neue Ideen und wilde Kreativität an den Tag legt, um die Kunst in die Wunde zu legen und das kunstaffine Publikum zum Staunen zu bringen.



Fotos: (c) Holger Kistenmacher

Holger Kistenmacher
Holger Kistenmacher
Jahrgang 1956, freischaffender Journalist seit gut 25 Jahren, studierter Realschullehrer, praktizierender psychosozialer Betreuer, ambitionierter Fotograf und Kulturschreiber mit den Fachgebieten: Moderne Gegenwartskunst, Literatur, Musik zwischen Jazz und Rock, Nordische Filme, Moderner Tanz. Weltenbummler und Reisejournalist.

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