Dagmar Täube (Direktorin St. Annen-Museum) erklärt die Porträts von Lukas Cranach: Luther und seine Ehefrau Katharina von Bora und Melanchthon

Hochkarätige Ausstellung im St. Annen-Museum
Cranach - Kemmer - Lübeck

Bereits im Vorfeld der neuen Ausstellung im Lübecker St. Annen-Museum übertreffen sich internationale Medien mit Superlativen: Der Superstar der Renaissance und Reformation Lucas Cranach trifft auf den „Champions-League-Maler“ Hans Kemmer aus Lübeck. Dabei dürfte den meisten Leuten der Name Kemmer eher kein Begriff in der Kunstszene sein.

Dementsprechend versucht die Ausstellung in den historischen Räumen des St. Annen-Museums, das wunderbarerweise aus der gleiche Zeit stammt, diesen heimischen Meistermaler zwischen Renaissance und Reformation neu zu entdecken. Dafür wurde der Lübecker Maler (geboren zwischen 1495 und 1500 - gestorben 1561) zu seinem 460. Todestag in einen künstlerischen Dialog zu seinem berühmten Lehrmeister Cranach gestellt.

Hans Kemmer war in seinen Gesellenjahren in Wittenberg in der Werkstatt von Cranach tätig und hat dort viel vom großen Meister gelernt. Cranach selbst war damals neben Dürer der angesagteste Maler seiner Zeit und äußerst geschäftstüchtig. Er unterhielt eine Mal-Werkstatt mit bis zu 11 Angestellten, die Auftragsarbeiten in serieller Produktion herstellten. Dieser „Kunst-Unternehmer“ ließ alle Werke mit seiner persönlichen Signatur, der „Geflügelten Schlange“ signieren, so dass heute weltweit bis zu 1500 Cranach-Werke bekannt sind.

Diese Zeit in Wittenberg fiel in die Umbruch-Zeit der Reformation durch Martin Luther, den Kemmer auch persönlich traf. Die von der Reformation ausgehenden humanistischen Impulse wurden natürlich auch von den deutschen Renaissance-Malern aufgegriffen und verarbeitet. Die Selbstbestimmung des Menschen drängt hervor, was sich auch in der Kunst spiegelt, wie die Kuratorin der Schau, Frau Dr. Täube beim Rundgang erklärte. Überhaupt wurden neue Themen bearbeitet - weg von der Gott gegebenen Weltsicht.

Nach seiner Rückkehr nach Lübeck wurde Hans Kemmer selbst zum Maler-Star seiner Zeit, weil es viele Auftraggeber gab, die ihn reich machten. So konnte er sich ein Haus in der Königstrasse leisten. Er malte Porträts viele reicher Bürger der Stadt, so auch vom damaligen Bürgermeister Wullenwever.

Porträt einer Dame und eines Herren als Leihgaben aus Leipzig und den NiederlandenPorträt einer Dame und eines Herren als Leihgaben aus Leipzig und den Niederlanden 

Die Ausstellung hat einen wunderbaren Stadt-Spaziergang entwickelt, in dem man sich auf die Spuren von Kemmer begeben kann. Orte und Plätze, wo Kemmer gewirkt hat, sind mit einem roten K gekennzeichnet. Überhaupt war die Ausstellung eine großartige Spurensuche und Detektiv-Arbeit, wie die wissenschaftliche Leiterin Miriam Mayer berichtete. Es wurde neueste Technik in Form einer Infrarot-Kamera angeschafft, die auch bei den Restaurierungen sehr behilflich war. Auch das wird anhand von verschiedenen Beispielen in der Ausstellung gezeigt.

Neben diesen technischen Neuerungen sieht Professor Wisskirchen, der Leiter der Lübecker Museen sogar einen Paradigmen-Wechsel durch das Projekt Cranach-Kemmer, der im St. Annen-Museum stattfinden soll. Weg von der reinen Schau der großartigen Altäre und Mittelalter-Kunst, hin zu Werken aus der Renaissance und Reformationszeit. Dafür wurde in den letzten Jahren viel Geld ausgegeben und Forschungsarbeit betrieben. „Es sei für ihn eine Frage der Nachhaltigkeit, wenn auf Dauer ein neuer Schwerpunkt im Museum geschaffen werde“, erklärte Wisskirchen. Dazu sollen auch neue Verbindungen unter den Lübecker Museen und nach außen geknüpft werden und durch neue digitale Strategien neue Besucherschichten erreicht werden. So sind mittlerweile alle im Lübecker Besitz befindlichen Kemmer-Werke untersucht und restauriert worden.

Hans Kemmer: Passionstryptichon des Gotthard von HoevelnHans Kemmer: Passionstryptichon des Gotthard von Hoeveln

Die gesamte Lübecker Ausstellung zeigt weltweit erstmals 22 von 29 noch erhaltenen Werken von Hans Kemmer. Sieben davon sind aus eigenem Besitz, die übrigen kamen als Leihgaben sowohl aus Privat-Besitz als auch aus internationalen Museen. Dazu kommen noch 42 Exponate von Lucas Cranach und seinen Schülern. Und als Schirmherr dieser hochkarätigen Ausstellung konnte der Bundespräsident a. D. Joachim Gauck gewonnen werden. Wie ebenfalls die Kultursenatorin Monika Frank betonte: „Das St.-Annen-Museum ist der ideale Ort, um Hans Kemmer im Dialog mit seinem Meister Lucas Cranach dem Älteren zu präsentieren. Die Exponate fügen sich stimmig in die einzigartige Atmosphäre des 1502 gegründeten St. Annen-Klosters ein und machen den Besuch zu einem Erlebnis“.

Die Ausstellung wird am Samstag, den 23. Oktober um 18 Uhr in der St. Aegidien-Kirche eröffnet. Sie läuft bis zum 6. Februar 2022. Neben der Ausstellung gibt es ein breitgefächertes Begleit-Programm (u.a. eine detektivische Führung für Kinder). Der großartige Katalog zur Schau erlaubt weitere Einblicke in die Forschungsarbeit und in das Schaffen der teilnehmenden Ausnahme-Künstler. Er kostet in der Ausstellung 39,90 Euro, später 49,90 Euro und ist im Hirmer-Verlag erschienen.

Lucas Cranach d. Ä. und Hans Kemmer -
Meistermaler zwischen Renaissance und Reformation
St. Annen-Museum
Ausstellung vom 24. Oktober 2021 bis 6. Februar 2022
Öffnungszeiten: Dienstag bis Sonntag 10-17 Uhr, ab 1.01.22: Dienstag bis Sonntag 11-17 Uhr

Holger Kistenmacher
Holger Kistenmacher
Jahrgang 1956, freischaffender Journalist seit gut 25 Jahren, studierter Realschullehrer, praktizierender psychosozialer Betreuer, ambitionierter Fotograf und Kulturschreiber mit den Fachgebieten: Moderne Gegenwartskunst, Literatur, Musik zwischen Jazz und Rock, Nordische Filme, Moderner Tanz. Weltenbummler und Reisejournalist.

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