Dr. Antje-Britt Mählmann (Leiterin Kunsthalle St. Annen) und Armin Mueller-Stahl(c) Holger Kistenmacher

Große Sonderausstellung zum 90. Geburtstag von Armin Mueller-Stahl in der Kunsthalle St. Annen
Im Fahrstuhl mit Armin Mueller-Stahl

Bilder seines Lebens werden unter dem Titel „Armin Mueller-Stahl. Nacht und Tag auf der Erde“ in einer großartigen Schau ab Mittwoch, den 16. Juni in der Lübecker Kunsthalle zu sehen sein.

Die Vielfältigkeit der Werke spiegelt dabei auch die Bandbreite seines gesamten künstlerischen Schaffens. Sein Oeuvre als Maler, Zeichner und Grafiker macht deutlich, dass der 1930 in Tilsit geborene Mueller-Stahl einzigartig unter den darstellenden Künstlern der Gegenwart ist. Nicht nur als international gefeierter Schauspieler, sondern auch als ausgebildeter Geiger und Klavierspieler und wie aktuell zu sehen, auch als genialer Porträtist und expressiver Maler ist er stets am Puls der Zeit.

Wie er in der Vorstellung seiner Werkschau immer wieder betonte, war stets die Symbiose aus schauspielerischem und malerischem Schaffen ohne Musik nicht möglich. So sieht er seine Großformate, wie die Großstadtbilder-Bilder, als Symphonie von Farben und Klängen, vom Andante seines Chicago-Bildes bis zum Allegro-furioso (München-New York) von 2017.

„Die verschiedenen künstlerischen Talente von Armin Mueller-Stahl stehen nicht beziehungslos nebeneinander, sondern verschränken sich - ja bedingen und befruchten sich gegenseitig. Das Auge des Schauspielers, die Gabe der Menschenbeobachtung und die Fähigkeit, dann in die unterschiedlichsten Rollen zu schlüpfen, das alles hat direkt und unmittelbar auch den Zeichner und Maler Armin Mueller-Stahl geprägt und hervorgebracht“, wie Prof. Dr. Hans Wißkirchen im Vorwort zum schönen Katalog zur Schau schreibt.

Chicago, (c) Armin Mueller-StahlChicago, (c) Armin Mueller-Stahl

Unterteilt ist die Ausstellung in verschiedene Bereiche: So umfasst die Präsentation eine große mediale Bandbreite von den frühen Gemälden über meisterhaft ausgeführte druckgrafische Zyklen bis hin zu den Porträts. Der Themenblock „Von Osten nach Westen“ greift die Biografie des Künstlers auf. Seine schauspielerische Karriere begann in der DDR als Geheimagent in der Fernseh-Serie „Das offene Visier“. Als er sich aber an der Unterschriften-Sammlung gegen die Ausbürgerung von Wolf Biermann 1976 beteiligte, bekam er im Osten keine Angebote mehr. Daraufhin siedelte er 1980 in die BRD über und spielte unter anderem in dem Rainer Werner Fassbinder-Film „Lola“.

Mit fast 60 Jahren entschied er sich dann zum Sprung über den großen Teich und machte einen weiteren Karriereschritt in Hollywood. Große Erfolge konnte er mit „Music-Box“, „Avalon“, „Illuminati“, aber besonders mit dem grandiosen Jim Jarmusch-Film „Night on Earth“ (1991) feiern.´Gerade der letztgenannte Film animierte ihn zu Skizzen und Bildern vom Filmset, indem er die nicht miteinander verknüpften Einzelschicksale an verschiedenen Orten der Welt zu humorvollen, poetischen Fallbeispielen der menschlichen Existenz verarbeitete.

Porträtbild Goethe (c) Armin Mueller-StahlPorträtbild Goethe (c) Armin Mueller-StahlÄhnlich sieht es bei seinem Zyklus der Verarbeitung des Ur-Fausts von Goethe aus, die für ihn eine der wichtigsten möglichen Theaterrollen darstellte. Im Jahre 2003 widmete er sich dem Stoff in einem umfassenden Lithographie-Zyklus, ohne jedoch die dramatische Handlung genau abzubilden. Vielmehr ging es ihm um Verwandlung und Variation. Gleichzeitig wird aber auch die eindringliche Tiefe der geistigen und künstlerischen Auseinandersetzung des Malers und Schauspielers mit existenziellen Problemen in einem größeren gesellschaftlichen und philosophischen Zusammenhang deutlich.

Dass der mittlerweile 90jährige immer noch wach und im hier und jetzt verwurzelt ist, zeigen seine Gemälde, die sich mit aktuellen Themen wie Fukushima, Donald Trump oder dem Niedergang der SPD auseinandersetzen. Auch der Humor ist ihm trotz Krise und Pandemie nicht abhanden gekommen. Bei einer gemeinsamen Fahrt im Fahrstuhl lobte er nicht nur meine Lockenpracht schmunzelnd, sondern antwortete auf meine Frage nach seinem gesundheitlichen Befinden: „Soweit alles gut, nur ein paar Schrauben sind halt schon locker“.

Armin Mueller-Stahl vor Porträtbild 'Franz Wisten',(c) Holger KistenmacherArmin Mueller-Stahl vor Porträtbild 'Franz Wisten',(c) Holger KistenmacherSpeziell für die Schau im St. Annen-Museum hat er einen neuen Werkzyklus geschaffen, der aus Porträts berühmter jüdischer Persönlichkeiten in der Weltgeschichte und Gegenwart besteht. Viele dieser Menschen bezeichnet er als Freunde und Bekannte, die er kennenlernen durfte und von denen er viel gelernt hat. So habe er „Fritz Wisten“ alles zu verdanken, was ich jemals schauspielerisch gelernt habe, erzählt er launig beim gemeinsamen Rundgang.

Zu fast jedem Porträt fällt ihm dabei eine Anekdote ein. Der Zyklus reicht von Rabbi Salomon Carlebach über Franz Kafka, Helene Weigel, Arnold Schönberg, Lion Feuchtwanger bis hin zu Susan Sontag. Aber auch so lustige Ereignisse wie das Problem, dass plötzlich zwei Porträts von Gorbatschow in der Ausstellung angekommen waren, kommentiert er lächelnd damit, dass er das Bild noch einmal größer malen musste, weil das daneben hängende Bild von Helmut Schmidt größer war, Gorbatschow aber bei weitem die wichtigere Persönlichkeit gewesen sei.

Vervollständigt wird die wunderbare Schau durch zwei Filmräume im Keller der Kunsthalle, wo man sich noch Original-Filme des Multi-Talents anschauen kann. Gleichzeitig kann ich den sehr gut gemachten Katalog zur Schau empfehlen, der für 28 Euro im Museumsshop zu erwerben ist.

Die Ausstellung endet am 3. Oktober 2021 und kann unter den bekannten Hygiene-Regeln ab nächsten Mittwoch (16. Juni) besucht werden. Eine Vernissage mit dem Künstler, Bürgermeister Jan Lindenau, Björn Engholm und Minister-Präsident Daniel Günther (digital) ist für den 15. Juni um 18.30 Uhr im Theater Lübeck geplant.

Weitere Infos unter www.die-luebecker-museen.de

Holger Kistenmacher
Holger Kistenmacher
Jahrgang 1956, freischaffender Journalist seit gut 25 Jahren, studierter Realschullehrer, praktizierender psychosozialer Betreuer, ambitionierter Fotograf und Kulturschreiber mit den Fachgebieten: Moderne Gegenwartskunst, Literatur, Musik zwischen Jazz und Rock, Nordische Filme, Moderner Tanz. Weltenbummler und Reisejournalist.

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