Blick in die Ausstellung

Cornelius Völker in der Overbeck-Gesellschaft
Farbgewaltige Stilleben der anderen Art

Schon der Angang zum wunderbar lichtdurchfluteten Pavillon der Overbeck-Gesellschaft ist ein kleiner Kunst-Genuss. Vorbei an Geibel-Denkmal, Jakobi-Kirche und Heiligen-Geist-Hospital geht es durch die lauschigen Bürgergärten und vorbei an der goldenen "Daphne" hinein in den Bauhaus-Ausstellungsraum des Kunstvereins, der 1. Adresse für aktuelle Gegenwartskunst in Lübeck.

„Verflüchtigungen“ heißt die aktuelle Schau mit farbsatt leuchtenden Gemälden des Düsseldorfer Künstlers Cornelius Völker (*1965). Der Maler bedient sich dabei eines kreativen Genres der Malerei, das eigentlich ein ziemlich angestaubtes Image hat: das Stillleben. Bilder „voller Saft und Kraft“, wie Oliver Zybock, der Direktor der Overbeck-Gesellschaft, die Wirkung der Werke auf den Betrachter beschreibt.

Tatsächlich überzeugen die Bilder durch alternative Inhalte, kräftigen Pinseleinsatz und eine farbstarke Handschrift des Künstlers. Zu sehen sind alltägliche Dinge des Lebens, die man normalerweise eher nicht in der Kunst erwarten würde. Blutdurchtränkte Tampons, verkrustete Pflaster, ablaufendes Menstruationsblut im Waschbecken, abgekaute Apfelreste, verblühte Blumen, verrutschte Zeitungsstapel, eine ausgequetschte Zahnpasta-Tube oder der banale Inhalt eines Abfall-Eimers. Das ist alles so normal, irritiert aber in seiner wunderbaren Ästhetik und handwerklichen Klasse.

Die Inhalte sind flüchtig, im Zerfall befindlich oder schlicht gebraucht. Trotzdem voller Schönheit und Farbigkeit, die man sich gut an der heimischen Wand vorstellen kann. Gerade der lichtdurchflutete Pavillon im Bauhaus-Stil mit seinen schlichten, weißen Wänden bringt die wunderbaren Bilder in voller Klasse und Farb-Intensität zur Geltung.

Saftig leuchten die Pflaumen, während die Himbeeren schon kurz vor dem Zermatschen im eigenen Saft scheinen. Die Hintergründe bleiben schemenhaft, während sich das leuchtende Feuer von Kerzen und Feuerzeug wunderbar spiegelt. Alles sehr dekorativ - was ja eigentlich völlig verschrien ist in der Kunstwelt, aber auch wunderschön.

Dabei glänzt der Künstler Völker vor allem mit der Technik der Erhöhung der Plastizität. Das erreicht er, indem die Hintergründe eher unscheinbar sind, während der abgebildete Inhalt (Obst, Pflanze, Buch) kontrastreich und gradlinig im Vordergrund steht. „Diese extremen Kontraste zu den Hintergründen kommen daher, dass ich etwas machen wollte, was man grundsätzlich eher versucht zu vermeiden“, so Völker. „Beides, Figur und Grund, trennt sich voneinander, sodass es schwer ist, wieder eine Verbindung im Bildganzen herzustellen. Für mich war das interessant, weil ich gemerkt habe, dass durch eine solche Isolierung der Figur eine ganz eigene Malfläche, ein Bild im Bild, entsteht, das sich kategorial vom Hintergrund löst“.

Die Ausstellung im Pavillon der Overbeck-Gesellschaft öäuft bis zum 30. Mai 2021. Öffnungszeiten: Di bis So von 11 - 17 Uhr. Zugang nach telefonischer Anmeldung (0451/74760) oder übers Internet: www.overbeck-gesellschaft.de. Für den 8. Mai 2021 um 16 Uhr ist eine Midissage in Anwesenheit des Künstlers geplant, wenn die Corona-Zahlen dieses zulassen.

Holger Kistenmacher
Holger Kistenmacher
Jahrgang 1956, freischaffender Journalist seit gut 25 Jahren, studierter Realschullehrer, praktizierender psychosozialer Betreuer, ambitionierter Fotograf und Kulturschreiber mit den Fachgebieten: Moderne Gegenwartskunst, Literatur, Musik zwischen Jazz und Rock, Nordische Filme, Moderner Tanz. Weltenbummler und Reisejournalist.

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