Raum mit Sylt-Bilder

Rainer Fetting-Retrospektive in Gottorf
Here are the Lemons

Langsam machen wir uns vorsichtig wieder locker. Museen öffnen unter besonderen Hygiene-Maßnahmen.

So ergibt sich erfreulicherweise die Möglichkeit, mal wieder einen Kunstausflug im Lande zu unternehmen. Mein Ausstellungstrip hat mich nach Schleswig in das dortige Landesmuseum Schloss Gottorf geführt. Dort hat in der Reithalle die erste Schau nach dem Corona-Shutdown mit einer großartigen Rainer Fetting-Retrospektive die neue Kunstsaison begonnen.

In den 70/80er Jahren galt Fetting noch als „Junger Wilder“. Heute ist der ursprünglich aus Wilhelmshaven stammende Künstler schon über 70 Jahre alt, aber immer noch nicht brav und angepasst. Selbst seine neuesten Arbeiten bestechen durch einen wilden, heftigen breiten Pinselstrich. Früher begründeten Fetting und seine Freunde der sogenannten Moritzboys (Salome, Middendorf) ihre Künstlerselbsthilfe-Galerie oder spielten wilden Punk unter dem Namen „Geile Tiere“.

Punkmusiker im CBGBPunkmusiker im CBGB

Ihre Bilder waren farbenfroh, expressiv und schnell auf Riesen-Leinwände hingeworfen. Die Themen, die in der harten Zeit in Berlin entstanden, waren die Mauer, die wilden Punkparties und die offen zur Schau getragene Homosexualität. Und dann musste auch Fetting natürlich nach New York, wo seine grellen Taxi-Bilder entstanden. Mittlerweile pendelt der Künstler zwischen Berlin, New York und Sylt, wo er auch ein Atelier besitzt.

Noch immer sind urbane Themen, wie die Subkultur im berühmten CBGB (New Yorker Punk-Club) oder das Straßenleben der Großstadt auf den Bildern zu finden. In New York begegnete ihm auch Desmond Cadogan, ein Tänzer, der auch anderen Künstlern, wie Andy Warhol, Keith Haring oder Robert Mapplethorpe Modell stand. In Schleswig ist Desmond in großformatigen Aktbildern zu sehen, aber auch in einer Badewanne sitzend als Skulptur. Auch als „Stürzender“ hat Fetting den makellosen, durchtrainierten Körper als große Skulptur verewigt. Das Gemälde, wo Desmond eine Schale Zitronen trägt, hat für den Titel der Schau: „Here are the Lemons“ gesorgt.

Helmut Schmidt - natürlich mit KippeHelmut Schmidt - natürlich mit Kippe

Vielen, auch den Nicht-Kunstkennern, ist Fetting aber besonders durch seine Skulpturen bekannt. So steht die große Willy Brandt-Figur im SPD-Haus in Berlin und erscheint somit häufig bei Presseterminen in der Tagesschau. Aber auch in Lübeck ist die Skulptur bekannt, denn sie steht als kleinere, sehr farbige Version im Willy Brandt-Haus in der Königstrasse. In Schloss Gottorf sind daneben aber auch noch ein großartiger Willy-Kopf und diverse rohe, schrundige Helmut Schmidt-Büsten - natürlich mit Kippe - ausgestellt.

Daneben kann der Besucher der Schau auch noch eine ganz andere Seite des Künstlers kennenlernen. Seit Fetting auch auf Sylt lebt, hat er das Landschaftsbild für sich entdeckt. Gegen den Wind kämpfend sieht man den Künstler im Sturm. Schafe, Deiche, Strandkörbe und die Wilde See sind großformatig und farbintensiv in Szene gesetzt.

Blick in die AusstellungBlick in die Ausstellung

50 Jahre Künstlerdasein haben ein umfangreiches Oeuvre geschaffen, von dem jetzt gut 60 Gemälde, 14 Bronzen sowie 62 Zeichnungen in Schleswig zu sehen sind. Es lohnt also selbst der weiteste Weg, um sich mal endlich einem der wichtigsten deutschen Gegenwartskünstler ausführlich zu widmen.

Die Ausstellung „Here are the Lemons“ zeigt Werke von Rainer Fetting von den 70ern bis heute. Die Ausstellung in der Reithalle des Schloss Gottorf in Schleswig läuft bis zum 18. Oktober und ist täglich geöffnet von 10 bis 17 Uhr, am Wochenende bis 18 Uhr.

Achtung: Nasen-Mund-Maske nicht vergessen!!!
Viel Spaß wünscht Holger Kistenmacher

Holger Kistenmacher
Holger Kistenmacher
Jahrgang 1956, freischaffender Journalist seit gut 25 Jahren, studierter Realschullehrer, praktizierender psychosozialer Betreuer, ambitionierter Fotograf und Kulturschreiber mit den Fachgebieten: Moderne Gegenwartskunst, Literatur, Musik zwischen Jazz und Rock, Nordische Filme, Moderner Tanz. Weltenbummler und Reisejournalist.

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