Nam June Paik, Videoscooter, Foto: (c) Estate of Nam June Paik

25 Jahre Sammlung Falckenberg
Alles was Rang und Namen hat in der Installationskunst

76 Jahre alt ist er mittlerweile, der Industrielle und Jurist Harald Falckenberg und einer der wichtigsten Sammler von moderner Gegenwartskunst weltweit. Dabei hat er sich seine Lockerheit und sein Engagement für die kritische, moderne Kunst immer bewahrt, selbst wenn ihm ein anderer Sammler mal ein Werk vor der Nase weggeschnappt hat, wie er entspannt im Pressegespräch mit Dirk Luckow, dem Deichtorhallen-Chef ausplauderte.

Eigentlich habe er keine Ahnung von Kunst gehabt, als er im Mai 1994 sein erstes Werk kaufte. Damals sei er noch bei Stefan Schmidt-Wulfen vom Hamburger Kunstverein in die Lehre gegangen. Das Wichtigste sei ihm aber immer der direkte Kontakt mit den Künstlern selbst, wenn es um den Ankauf geht. Werner Büttner, Albert Oehlen und Martin Kippenberger waren die ersten, die sich ja auch viel in Hamburg Eimsbüttel rumtrieben, das eine oder andere Bierchen kippten und für neue Kontakte zu Künstlern der sogenannten Counter-Kunst sorgten. Büttner habe sogar einmal für 2 Jahre in einer Wohnung von ihm gelebt, nachdem ihn seine Frau rausgeschmissen hatte.

Dirk Luckow und Harald Falckenberg, Foto: Holger KistenmacherDirk Luckow und Harald Falckenberg, Foto: Holger KistenmacherSo sei sein „Unruhe-Cosmos“ aus Kunst von Leuten, die sich kritisch mit unserer Welt auseinander gesetzt haben, entstanden. Anlässlich des 25-jährigen Jubiläums seiner Sammlung zeigen die Deichtorhallen jetzt eine großartige Schau, die den Schwerpunkt auf installative und skulpturale Arbeiten legt. Auf über 6000 Quadratmetern Fläche werden in den Phoenix-Hallen in Hamburg-Harburg rund 100 meist großformatige Arbeiten von über 60 Künstlern aus aller Welt gezeigt. Die weitläufigen, über mehrere Stockwerke gehenden Hallen mit ihren Durchblicken bieten die Möglichkeit des Zwiegesprächs zwischen den Werken, wie Luckow betonte.

Dabei ist alles vertreten, was in der modernen Gegenwartskunst Rang und Namen hat. Angefangen mit Künstler/innen, die sich kritisch mit der Generation der Väter auseinander gesetzt hat: von Wolf Vostell über Martin Kippenberger bis zu Mike Kelly und Jon Kessler. Vom Letztgenannten werde eine raumgreifende, riesige Video-Installation gegen den Krieg frisch restauriert präsentiert. 

Freche, humorvolle, kritische Kunst habe ihn immer interessiert, sagt Falckenberg. Installative, raumbezogene, fragmentarische Ansätze waren schon immer ein wichtiger Aspekt der Sammlung, die sich hauptsächlich auf Dada, Fluxus und Konzeptkunst in den Anfängen konzentrierte.

Jon Kessler, The Palace at 4 a.m., Foto: Holger KistenmacherJon Kessler, The Palace at 4 a.m., Foto: Holger Kistenmacher

Die meisten Künstler/innen, die sich mit großen Arbeiten auf internationalen Biennalen beteiligten, haben nach den Ausstellungen ihre Werke zerstört, weil keiner sie kaufen konnte oder wollte. Der Weg von Harald Falckenberg war immer ein anderer. Er wollte weg vom Tafelbild, seine Vorlieben lagen immer mehr auf dem Aspekt des Gesamtraum-Erlebnisses.

Genau so sieht es jetzt in den Phoenix-Hallen aus. Gleich am Eingang hängt ein Video-Screen mit einer Arbeit von Robert Wilson, dem Theatermagier, der einen weiß geschminkten König liegend auf grünem Rasen zeigt, der ein Ei hochhält, und dem ein kleiner Hase ein Lied singt: köstlich!! Gleich daneben steht eine aufgeblasene menschliche Fett-Skulptur (Adorno als Oliver Hardy) von Erwin Wurm, während von der gegenüber liegenden Wand Michael Jackson mit Affe in Rot grüßt.

Harald Falckenberg vor Michael JacksonHarald Falckenberg vor Michael Jackson

Besonders beeindrucken aber die prozesshaften und raumgreifenden Installationen, die teilweise speziell für die Sammlung geschaffen wurden: So gibt es zum Beispiel einen aseptischen, klaustrophobischen Raum von Gregor Schneider, der an Guantanamo erinnert, oder den dunklen Raum von Olaf Breuning voller spooky Affen, die rülpsen und furzen. Natürlich durfte sich auch Jonathan Meese, dessen Arbeiten man ja schon in Lübeck besichtigen durfte, gleich in mehreren Räumen austoben.

Viel interessanter finde ich hingegen die Video-Skulpturen vom Altvater der Videokunst Nam June Paik, der zum Beispiel Josef Beuys in kleinen Fernsehern auf einen Motorroller installiert hat – großartig. Von Thomas Schütte sind kleine blaue Geister in einem Spiegel-Rondell zu sehen, während Thomas Grünfeld seine aus verschiedenen ausgestopften Tieren bestehenden „Misfits“ zeigt. Ganze Räume bespielen Jimmie Durham, Jason Rhoades oder Paul McCarthy, während Thomas Hirschhorn sein sogenanntes Bernsteinzimmer präsentiert.

Olaf Breuning: Apes, Foto: (c) Olaf BreuningOlaf Breuning: Apes, Foto: (c) Olaf Breuning

Man kann also viel entdecken bei dem ausgiebigen Kunstspaziergang, der im Keller mit dem riesigen Schaulager voller Gemälde aus aller Welt und einer restaurierten Installation eines Schwimmbeckens, das wie die alte DDR-Grenze von Stacheldrahtzaun und Wachtürmen umgeben ist, beginnt und bis in die hintersten Waschräume auf der anderen Kellerseite führt, wo sich Meese austoben darf. Über die verschiedenen Stockwerke verteilt darf man viele weitere Weltstars der Kunstszene (John Bock, Monica Bonvicini, Mark Dion, Sarah Lucas, Tony Oursler, Bjarne Melgaard, Cosima von Bonin, Diana Thater oder Paul Thek, um nur einige zu nennen) entdecken. Viele der Arbeiten sind entweder als Ausleihe sonst in den Museen der Welt zu sehen oder wurden noch nie in Hamburg ausgestellt. Es gibt also viel Neues zu sehen und die nächste documenta oder die Biennale in Venedig sind noch Jahre entfernt, also auf nach Hamburg-Harburg. Es lohnt sich!!

Die Falckenberg-Sammlung ist jeden ersten Sonntag im Monat bei freiem Eintritt zwischen 12 und 17 Uhr zu besichtigen. Mit Voranmeldung (Tel.: 040/4281310) kann man sie aber auch im Rahmen einer Führung donnerstags bis sonntags anschauen. Die Schau läuft vom 30. November 2019 bis zum 24. Mai 2020. Ein Katalog ist geplant.
Die Phoenix-Hallen liegen in Hamburg-Harburg, Wilstorfer Straße 71. Weitere Infos unter www.deichtorhallen.de/sammlung-falckenberg

Holger Kistenmacher
Holger Kistenmacher
Jahrgang 1956, freischaffender Journalist seit gut 25 Jahren, studierter Realschullehrer, praktizierender psychosozialer Betreuer, ambitionierter Fotograf und Kulturschreiber mit den Fachgebieten: Moderne Gegenwartskunst, Literatur, Musik zwischen Jazz und Rock, Nordische Filme, Moderner Tanz. Weltenbummler und Reisejournalist.

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