(c) Lauren Greenfield

Fake it till you make it
"Generation Wealth"

Dicke Dollarbündel, dicke Eier, dicke Titten, dicke Protzautos, dicke Klunker – vom American Dream zur Kultur des Bling, Bling.

Mit "Generation Wealth" zeigen die Hamburger Deichtorhallen eine Multimedia-Ausstellung der amerikanischen Fotografin und Filmemacherin Lauren Greenfield zum heute allgegenwärtigen Streben nach Status, Schönheit und Reichtum. Dass dabei jede Menge Lüge und Schein dabei ist, belegt der Spruch des Rap-Stars Future: "Fake it till you make it!"

Die 1966 in Venice, Los Angeles geborene Lauren Greenfield arbeitet sich seit über 25 Jahren an dem Thema der Kultur des Materialismus, des Starkults und des sich immer stärker ausbreitenden Phänomens der Verknüpfung von Status mit Aussehen und Selbstdarstellung ab. Dabei entstanden über 500.000 Dias und 650 Stunden Filmmaterial. Ausgehend von ihrem neuesten Streifen "Generation Wealth", einem 103 Minuten langen Film aus dem Jahre 2018, hat nun der Deichtorhallen-Kurator Ingo Taubhorn eine vielschichtige Multimedia-Schau aus Bildern, Texten, Kurzvideos und dem Film, der täglich gezeigt wird, zusammengestellt.

Blick in die Ausstellung, Foto: Holger KistenmacherBlick in die Ausstellung, Foto: Holger Kistenmacher

Die Idee zu ihrer langjährigen Arbeit kam Greenfield in den 90ern in L.A., als sie in einer "fancy school" war, obwohl ihre Eltern eher Hippies der Mittelklasse waren, wie sie in der Presse-Konferenz berichtete. Eine weitere Inspiration für sie war der Film "Wallstreet" mit Michael Douglas. "Shopping, Money, Image, Value, Beauty, Branding, Sex – wir haben nie das, was wir wollen." Dementsprechend lautet ihre Botschaft: "Bigger is not better."

Sie kämpft mit ihren Fotos gegen "The glory of fame and wealth!", auch wenn das in der großartigen Ausstellung in Hamburg durch die gigantischen Groß-Fotos von Glitzer-Parties, Goldklunkern und viel sexy nackter Haut scheinbar konterkariert wird. Nach ihrer persönlichen Einstellung ist Unabhängigkeit viel wichtiger als Riesen-Anwesen oder Millionen Dollars.

(c) Lauren Greenfield(c) Lauren Greenfield

Trotzdem bedeutet der "American Dream" für viele junge Leute in den USA oder sonst wo auf der Welt: reich und schön zu sein. Menschen wie Kim Kardashian, die dafür berühmt ist, dass sie berühmt ist, oder Donatella Versace sind dubiose Vorbilder, die sich ihren Körper absaugen, aufspritzen oder mit Nervengift verunstalten lassen. Da verwundert es nicht, dass in dieser Zeit Donald Trump – ein protziger Reality-TV-Star, Narziss und Immobilienentwickler, der Inbegriff der "Generation Wealth" – zum Anführer der freien Welt gewählt wurde.

"Alle Leute wollen in Mar-a-Lago bei Donald Trump wohnen", sagt der Sozialkritiker Chris Hedges in einem Film-Interview. Aber auch die Neureichen in Russland oder China präsentieren sich in den Fotos von Greenfield beim Golfen im Wohnzimmer oder vor protzigen Statussymbolen. "Trump is a symptom, not the cause", meint Lauren Greenfield, die aber befürchtet, dass die gesamte Entwicklung immer mehr "into the dark direction" bezüglich Umwelt, Klima, Gerechtigkeit und Spaltung des Landes führen wird.

(c) Lauren Greenfield(c) Lauren Greenfield

Trotzdem erhofft sie sich von der Ausstellung, die in 11 Kapitel, wie "I shop therefore I am", "The Cult of Celebrity", "Sexual Capital" oder "New Aging", unterteilt ist, dass die Besucher ihre Einstellung wechseln. Gerade in Zeiten von "me too" hat sie den Glauben an die Menschen noch nicht verloren. "Vielleicht erkennen die Leute ihre Abhängigkeit von Statussymbolen und rücken Themen wie Familie, Zusammenhalt der Bevölkerung und Gerechtigkeit von Verteilung wieder mehr in den Vordergrund."

Dazu hat sie ein Gästebuch ausgelegt, in dem Besucher/innen ihre Erfahrung mit Luxus aufschreiben sollen. Doch so ganz scheinen die Künstlerin und die Ausstellungsmacher nicht an dieses wünschenswerte Ziel selbst zu glauben, denn ganz am Ende des Parcours hängt ein Foto mit der Parole "Fuck the American dream".

Die Ausstellung läuft in der Halle für Fotografie der Deichtorhallen in Hamburg bis zum 23. Juni 2019. 10 Euro Eintritt.

Zum Projekt "Generation Wealth" ist das gleichnamige Buch 2017 im Phaidon Verlag, das von der London Times zum Fotobuch des Jahres gekürt wurde, in der Ausstellung vergünstigt zum Preis von 49,95 Euro erhältlich, Buchhandelspreis 69,95 Euro.

Holger Kistenmacher
Holger Kistenmacher
Jahrgang 1956, freischaffender Journalist seit gut 25 Jahren, studierter Realschullehrer, praktizierender psychosozialer Betreuer, ambitionierter Fotograf und Kulturschreiber mit den Fachgebieten: Moderne Gegenwartskunst, Literatur, Musik zwischen Jazz und Rock, Nordische Filme, Moderner Tanz. Weltenbummler und Reisejournalist.

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