Emil Nolde, Seebüll Hof, Aquarell, (c) Nolde Stiftung Seebüll

Der Magier der Farben im Museum Behnhaus Drägerhaus in Lübeck
Emil Nolde. Farbenzauber – Eine Retrospektive auf Papier

Emil Nolde ist einer der populärsten Maler des deutschen Expressionismus und einer der größten Aquarellisten gewesen. Das Museum Behnhaus Drägerhaus in Lübeck präsentiert jetzt erstmalig seine farbenfrohen Werke auf Papier: norddeutsche Landschaften und Südseeimpressionen, Blumen und Menschen im Großstadtdschungel in Berlin.

Die Ausstellung in Lübeck spannt einen Bogen von bislang noch nie gezeigten Arbeiten bis hin zu seinen Meisterwerken wie den „Ungemalten Bildern“, welche er in der Abgeschiedenheit seines Landhauses in Seebüll, nahe der dänischen Grenze, gemalt hat, nachdem seine Kunstwerke von den Nazis als entartet gebrandmarkt und er selbst mit einem Malverbot belegt worden war. Noldes gewaltige Farbexplosionen scheinen die Ausstellungsräume des historischen Bürgerhauses in Lübeck zu sprengen und bringen die Wände zum Leuchten.

Emil Nolde, Meer mit Dampfer, Aquarell (c) Nolde Stiftung SeebüllEmil Nolde, Meer mit Dampfer, Aquarell (c) Nolde Stiftung Seebüll

Ungemalte Bilder, so nannte Nolde – eigentlich Emil Hansen –, die kleinformatigen Aquarelle, die er zwischen 1938 und 1945 gemalt hat. Seine Kunst galt unter den Nationalsozialisten als entartet; er hatte ab 1941 Mal- und Ausstellungsverbot. Aufgrund des Geruchs der Ölfarben, die bei staatlichen Kontrollen der Gestapo hätten wahrgenommen werden können, griff er auf die Aquarellmalerei zurück. Es entstanden über tausend Aquarelle ungemalte Bilder oder auch „Bildskizzen“, die zur späteren Ausführung als Ölbild geplant waren. Die Aquarelle sind phantasievolle Erinnerungen eines langen Lebens; sie sind Ausdruck seiner persönlichen Gefühle, den Traumlandschaften eines damals über siebzigjährigen Künstlers.

Es sind keine realen Impressionen, keine Skizzen vor der Natur. In kontrastreichen Farben hält der Künstler den stürmischen Himmel über der Warft in Seebüll fest, die raue Nordsee mit den Dampfern und Segelschiffen, die friesische Landschaft mit ihren Kirchen, Bauernhäusern und Bewohnern, seine Reiseeindrücke. Mal in zarten Tönen, mal in beispielloser Intensität prallen die Farben aufeinander, bilden Kontraste; die farbintensiven Kompositionen beginnen zu leuchten. Als „Magier der Farben“ bezeichnet ihn Astrid Becker, stellvertretende Direktorin der Stiftung Seebüll Ada und Emil Nolde. Erst nach und nach findet die Figuration Eingang in seine anfangs abstrakte Bildsprache. „Träume können Empfindungen, Szenen und Bilder so eindringlich und schön gestalten, wie der wache Künstler es nicht kann“, sagte Nolde 1940.

Emil Nolde, Acht Bäume, Aquarell, Cospeda 1908, (c) Nolde Stiftung SeebüllEmil Nolde, Acht Bäume, Aquarell, Cospeda 1908, (c) Nolde Stiftung Seebüll

Es sind nicht nur die ungemalten Bilder, welche den Besucher faszinieren. Insgesamt 80 Zeichnungen und Aquarelle auf Papier dokumentieren alle Schaffensperioden des norddeutschen Malers. Angefangen bei den Frühwerken über seine Schweizer Jahre und der Zeit in Cospeda bei Jena bis zu den Arbeiten, die auf Reisen in exotische Länder entstanden sind.

Der Weg als freischaffender Künstler war für den Bauernsohn aus dem nordschleswigschen Nolde nicht einfach. Nach einer Lehre als Holzbildhauer folgten Wanderjahre als Schnitzer in verschiedenen Möbelfabriken, eine Weiterbildung an der Kunstgewerbeschule Karlsruhe und am Kunstgewerbemuseum Berlin. Er erlernte die Technik des Aquarellierens und prägte sie mit seiner ausdrucksstarken Farbwahl. Ganz in der Tradition der Pleinairmalerei, der Freilichtmalerei der Impressionisten, aquarellierte Nolde in der Nass-in-Nass-Technik direkt vor dem Motiv.

Emil Nolde, Dame und zwei Herren im Café, Aquarell, Berlin 1910-11, (c) Nolde Stiftung SeebüllEmil Nolde, Dame und zwei Herren im Café, Aquarell, Berlin 1910-11, (c) Nolde Stiftung SeebüllFür seine Farben verwendete er ein sehr saugfähiges Papier, so dass beim Ineinanderlaufen der Farben oft wolkenartige, an Wetterphänomene erinnernde Szenen entstanden. Er benötigte keine Vorzeichnungen oder Hilfslinien. Die Radikalität der Farben, der Farbenrausch und die expressive Leuchtkraft seiner Bildmotive unterscheiden sich von der Technik seiner Zeitgenossen: Das Verhältnis von Farben und Wassermenge bestimmen die Leuchtkraft oder Transparenz seiner Farbschichten, klar abgegrenzte Konturlinien gibt es nicht, alles verläuft ineinander und bestimmt so den Bildaufbau.

Als Grundlage wählte Nolde Wasserfarben, die schnell in das stark saugende Japanpapier einzogen. Darauf setzte er eine zweite Ebene mit deckender Gouache und Tuschekonturen. Mit verschiedenen Schichten, die mehrmals wiederholt werden können, erreichte er eine höchste Farbintensität und eine besondere Tiefenwirkung. Manchmal übermalte er einzelne Stellen mehrmals, manchmal ließ er Stellen frei, um die Struktur des Papiers zu betonen. Das Gegenständliche ergab sich aus der Form und dem Fluss der Farbflächen. „Er hat eine unglaublich glückliche Hand. Er malt, das Papier saugt die Farbe auf, die Farben fließen, die Grenzen wachsen, man glaubt, die Materie mache sich selbständig – und doch glückt ihm das Bild. […] Es fließt ihm aus der Hand, eingerechnet aller Veränderungen, die ohne sein Zutun im Papier geschehen. Die Bilder ereignen sich; sie entfalten sich wie gelenkte und zugleich eigenständige Lebewesen“, erzählt Jolande Nolde, die zweite Frau des Künstlers.

Emil Nolde, Fünf Mohnblüten, orange und rosaviolett, Aquarell, (c) Nolde Stiftung SeebüllEmil Nolde, Fünf Mohnblüten, orange und rosaviolett, Aquarell, (c) Nolde Stiftung Seebüll

Für ein Jahr war Nolde Mitglied der Künstlergemeinschaft „Die Brücke“ und gehörte zu den Wegbereitern des Expressionismus. Er pflegte Kontakte zu anderen Kollegen seiner Zeit, darunter Karl Schmidt-Rottluff oder Ernst Ludwig Kirchner. Wer war Emil Nolde? Seine Verstrickungen während der nationalsozialistischen Zeit, seine glühende Verehrung für Adolf Hitler, sein Antisemitismus gegen den jüdischen Kunsthändler Paul Cassirer und den Maler Max Liebermann sowie seine Anbiederung an das politische System lassen ihn als ambivalente Persönlichkeit erscheinen, was allerdings nicht Thema des Artikels sein soll. Gleichwohl wurde seine Kunst 1937 auf der Münchner Ausstellung für „Entartete Kunst“ gebrandmarkt und der Maler mit Berufsverbot belegt. Denn die über vierzig eingereichten Kunstwerke entsprachen nicht den Vorgaben der Kunst im Nationalsozialismus. Seine Werke wurden aus den Museen entfernt, beschlagnahmt und zwangsverkauft.

Emil Nolde, Mädchen mit rotem Hut, Aquarell, (c) Nolde Stiftung SeebüllEmil Nolde, Mädchen mit rotem Hut, Aquarell, (c) Nolde Stiftung SeebüllNoldes unverwechselbare Farbenpracht zeigt sich nicht nur in den Landschaftsdarstellungen, sondern auch in seinen Porträts, wobei die Farbe der Charakterisierung der Person dient. Attribute wie Hüte oder Halstücher sind Bestandteil seiner Bildnisse, wie sein Porträt einer jungen Frau mit rotem Hut. Ein Traum erfüllte sich für den Maler, als er 1913 die Zusage erhielt, an der „Medizinisch-Demographischen Deutsch-Neuguinea-Expedition“ als inoffizieller und zahlender Gast teilnehmen zu dürfen, die das Reichskolonialamt in Berlin organisiert hatte.

Während der Reise über Sibirien, Japan und China in die Südsee schuf er zahlreiche Aquarelle und Zeichnungen, meist mit Bildnissen von Einheimischen und ihrem Umfeld. Wie intensiv Nolde mit seiner dänischen Frau Ada dieses Jahr erlebt hat, zeigt neben den Aquarellen wie „Eingeborene mit Kopfbedeckung, Neu-Guinea" sein Reisebericht über die Südsee.

2017 war der 150. Geburtstag von Emil Nolde. Anlass für acht Museen im Norden, diesen bedeutenden Maler zu würdigen. Über alle acht Nolde-Ausstellungen informiert die gemeinsame Homepage www.nolde-im-norden.de.

Die Ausstellung „Emil Nolde. Farbenzauber – Eine Retrospektive auf Papier“ ist vom 07. Juli 2018 bis 07. Oktober 2018 im Museum Behnhaus Drägerhaus zu besichtigen. Die Öffnungszeiten sind Dienstag bis Sonntag von 10–17 Uhr.


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