Schon 2022 hat der in Wolfsburg geborene Filmregisseur Edward Berger mit seinem Film „Im Westen nichts Neues“ mehrere Oscars abgeräumt. Jetzt ist sein neuer Film „Konklave“ wieder für acht der begehrten Goldjungs aus Hollywood nominiert. Der erstgenannte ein fulminanter Kriegsfilm, während der aktuelle ein spannender Kirchen-Thriller ist. Ein großer, ein sehr aufwendiger Film über die Papstwahl und was im Hintergrund passiert.
Als Grundlage dient das Buch von Robert Harris, ein viel gelesener Thrillerspezialist („Vaterland“ oder sein von Polanski verfilmter Roman „Der Ghostwriter“). Der Papst ist tot und liegt aufgebahrt in seinen Gemächern im Vatikan, die nach dem Abtransport der Leiche traditionell versiegelt werden. Kardinal Lawrence, grandios und mit feiner Gestik dargestellt von Ralph Fiennes, wird auf Veranlassung von dem Kardinal Tremblay, der den Pontifex als Letzter gesprochen hatte, bewußt spät informiert vom Ableben des Papstes, um seine eigene Position als eventueller Nachfolger im höchsten Kirchenamt zu steigern. Oder vertuscht er gar Schlimmeres?
Lucian Msamati, Foto: (c) Leonine Studios
Neben Tremblay buhlen aber noch andere einflussreiche Kardinäle um die Nachfolge: Kardinal Bellini (Stanley Tucci) verkörpert die Erneuerung der Kirche als unerschrockener und liberaler Kirchenmann, während sein Gegenspieler Kardinal Tedesco gegen Frauen, Homosexuelle und für einen Rollback in die Zeiten der lateinischen Liturgie plädiert. Als Alternative kommt da noch der schwarze Kardinal aus Nigeria ins Spiel, der aber über eine sexuelle Affäre stolpert. So bestimmen Intrigen den Machtkampf, der sich nach alter Tradition hinter verschlossenen Türen in der Sixtinischen Kapelle abspielt.
Wie es die katholische Kirche seit Jahrhunderten mit ihren mächtigen Traditionen und Gesetzen bestimmt, werden die aus aller Welt angereisten Kirchenmänner ohne Kontakt nach außen in die Räume im Vatikan eingeschlossen, um in den verschiedenen Wahlgängen den neuen Papst zu wählen. Völlig überraschend war kurz vor dem Einschluss noch ein bis dato unbekannter Kardinal aufgetaucht, der vom Papst persönlich im Geheimen ernannt worden war. Dieser, ursprünglich aus Mexiko stammende Kirchenmann, war hauptsächlich in für die katholische Kirche äußerst brisanten Ländern eingesetzt, nämlich im Kongo, dem Irak und schließlich als Kardinal von Kabul im Kriegsland Afghanistan.
Foto: (c) Leonine Studios
Es beginnt ein zähes Ringen der Gottesmänner um die Vorherrschaft, während draußen vor den Toren die Gläubigen auf dem Petersplatz ausharren, um den „Weißen Rauch“ zu sehen, das Symbol dafür, dass das Konklave einen neuen Papst bestimmt hat. Gedreht in Rom und in der italienischen Filmhauptstadt, den Cinecittà Studios balanciert der Film geschickt zwischen Kammerspiel und großartigem Filmkunstwerk mit bombastischen Bildern, Kostümen und Architektur. Nach dem Motto: Ordentlich Rot muss ins Bild, zeigt die Kamera von Stéphane Fontaine großartige Bilder von Gruppen von Kirchenmännern, die in ihren roten Roben wie Schuljungen draußen vor den heiligen Gemäuern ihre Zigaretten rauchen und in Grüppchen ihre Intrigen schmieden. Zurück bleiben dutzende Zigarettenkippen auf den Pflastersteinen. Der Film wandert zwischen großen Gesten, wie der sehenswert choreografierte Aufmarsch der Kardinäle in langen weißen Kleidern, roten Jacken und weißen Schirmen rund um einen Brunnen im Inneren des Vatikans und den vielen kleinen Details, die die Traditionen spiegeln, wie die Zerstörung des Papstringes, nachdem ein Gehilfe der Leiche des Papstes unter Mühe den Ring vom Finger gezogen hatte.
Sergio Castellitto, Foto: (c) Leonine Studios
Der Gegensatz von alten Kirchenritualen und dem Einbruch der Aktualität der Neuzeit in das Konklave wird mit vielen Anspielungen und kleinen Gimmicks unterstrichen. Da raucht der erzkonservative Tedesco, nachdem er rassistische Sprüche von sich gegeben hat, an seinem Vaporizer oder die explosive Weltenlage außerhalb der Kirchenmauern dringt mit Macht in die Gemäuer ein, in dem ein Bombenanschlag die hohen Kirchenfenster sprengt. Der kalte Windhauch der Realität bringt dabei sogar die Stimmzettel des Konklave durcheinander.
Auch weltliche oder kirchenfeindliche Themen wie Kindesmissbrauch und Patriarchat und Frauenfeindlichkeit in der katholischen Kirche werden im Film nicht ausgespart. Exemplarisch steht dafür der Auftritt von der wunderbaren Isabella Rossellini, die als Nonne mit ihren Schwestern die älteren Herren versorgt und dabei möglichst unsichtbar bleiben soll, als sie in einem Monolog vor den mächtigen Kardinälen des Konklave, Gerechtigkeit für eine verunglimpfte schwarze Schwester einfordert.
Isabella Rossellini, Foto: (c) Leonine Studios
Während die Kamera um die strenge Abfolge der Rituale, der Abgeschlossenheit der Männer im Vatikan und beim Abstimmen in der Sixtinischen Kapelle kreist, bespielen ominöse Streicherklänge in teilweiser harter und kantiger Tonalität das Geschehen. Der Komponist, Volker Bertelmann, der bereits zum fünften Mal mit Regisseur Berger zusammen gearbeitet hat und ebenfalls für seine Musik den Oscar gewann, ist erneut für die berühmte Trophäe nominiert.
Natürlich ist „Konklave“ kein gewöhnlicher Thriller, dafür aber ein großartig bebilderter Film über einen Vorgang, der sich normalerweise hinter verschlossenen Türen abspielt. Dabei wird mit Kritik an alten, aber auch aktuellen, überkommenen Traditionen in der katholischen Kirche nicht hinter dem Berg gehalten. Eine patriarchale Welt voller Intrigen, bösen Ränkespielen und Korruption um die Macht und das höchste Amt in der katholischen Welt, gespielt von einem großartigen Cast von hervorragenden Schauspielern und Schauspielerinnen. Wobei das überraschende Ende des Films vielleicht für die Hoffnung steht, die Ralph Fiennes als Kardinal Lawrence bereits als Filmzitat bekennt: „Gewissheit ist der erbitterte Feind der Einheit. Gewissheit ist der tödliche Feind der Toleranz. Unser Glaube ist genau aus diesem Grunde etwas Lebendiges, weil er Hand in Hand geht mit dem Zweifel. Gäbe es nur Gewissheit und keinen Zweifel, so gäbe es kein Mysterium und folglich keinen Grund für den Glauben“.
Konklave läuft derzeit im Filmhaus Lübeck: Infos