Der spleenige texanische Filmmagier Wes Anderson ist bekannt für außergewöhnlich skurrile Filme, wie „Die Tiefseetaucher“ (2004), „Moonrise Kingdom“ (2012) oder „Grand Budapest Hotel“ (2014). Damit eroberte er nicht nur die Herzen der weltweiten Cineasten-Fan-Gemeinde, sondern ist vor allem auch bei der ersten Garde der Schauspielkunst in Hollywood schwer beliebt.
Trotz Minigagen wird unter den Filmstars um die noch so kleinste Nebenrolle gebuhlt. So war es kein Wunder, dass es dieses Jahr auf dem roten Teppich bei dem Filmfestival in Cannes bei der Premiere eng wurde. Statt mit dicken Limousinen fuhr der große Cast mit einem Schulbus vor. In der schrägen Wüsten-Story „Astroid-City“ spielen natürlich seine Dauer-Schauspieler Jason Schwartzman und Tom Hanks mit, aber auch die große Garde der Hollywood-Stars von Scarlett Johansson, Tilda Swinton, Margot Robbie über Oliver Norton, Willem Dafoe, Matt Dillon, Steve Carell, Rupert Friend, Brian Cranston, Adrien Brody, Jeffrey Wright bis hin zu Jeff Goldblum.
(c) Universal Pictures Germany
Letztgenannter ist allerdings gar nicht zu erkennen, denn er spielt das Alien als schlaksigen Typen mit spindeldürren Beinen in einem schwarzen Ganzkörper-Anzug. Mit seinen ängstlich von links nach rechts rollenden Augen taucht dieser Außerirdische in dem Wüsten-Kaff Astroid-City mit seinem skurrilen grünen Raumschiff - das wie eine Autofelge aussieht - auf, um einen Kometen zu klauen. Dieser Asteroid war vor mehreren 1000 Jahren in dem abgelegenen Wüstenort eingeschlagen und hatte einen riesigen Krater hinterlassen. Was einerseits zum Namen des unwirtlichen Ortes im Nirgendwo führte und andererseits seit Jahren Nerds und andere Weltraum-Touristen lockt.
Gedreht wurde der Film, der eigentlich in der Wüste Idahos spielt, in Spanien. Wir schreiben das Jahr 1955: Kindliche Superhirne versammeln sich mit ihren ebenso seltsamen Eltern und Geschwistern in der Wüste, um an einer Art „Jugend forscht“-Wettbewerb teilzunehmen, genannt Junior-Stargazer-Kongress. Auch der Kriegs-Fotograf und Witwer Angie Steenbeck (Jason Schwartzman) ist mit seinen vier Kindern (3 altkluge junge Töchter und der schüchterne aber geniale Sohn) gekommen, bis ihr Auto förmlich explodiert.
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Doch dann wird es kompliziert: Der gesamte Film stellt sich als Theaterstück im Film oder umgekehrt heraus. Mal in Schwarz-Weiß diskutiert der Regisseur (Norton) mit Willem Dafoe, während andererseits die Geschehnisse im Wüstenkaff, welches als pastellfarbenes Bühnen-Landschafts-Theater aus gemalten Bergen und Kakteen aus Pappmaché daher kommt, überhand nehmen. Will der E.T.-Nachfolger, (Wes Anderson ist bekennender Anhänger Steven Spielbergs und seines Außerirdischen) das Alien nur zurückholen, was auf seinen Heimatplaneten gehört? Also geht es um Restitution? Oder geht es um zerstörte Familien-Systeme? Gerade vor drei Wochen war die Frau von Augie gestorben und der Vater hat es den Kindern noch nicht erklärt, obwohl er ihre Asche in der Tupperdose mit sich führt.
Auch der Großvater (Tom Hanks) muss anreisen, um die Kinder abzuholen, obwohl er den Schwiegersohn nie gemocht hat, aber das Auto ja explodiert ist. Während das örtliche Militär in Alarmbereitschaft versetzt wird wegen dem Alien-Fall und gleich den ganzen Ort unter Quarantäne stellt, quartiert sich die seltsame Besucherschar in rustikalen Hütten ein. Von Fenster zu Fenster lernt Augie die Schauspielerin Midge Campbell (Scarlett Johansson) kennen, die im Bademantel bei offenem Fenster für ihre nächste Rolle - inklusive Nacktszene übt. Währenddessen spinnen die nerdigen Gören herum, fliegen mit Düsen-Rucksack durch die Lüfte und erwarten die nächsten experimentellen wissenschaftlichen Erkenntnisse, unterstützt von der schrägen Wissenschaftlerin Tilda Swinton.
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Dazu gibt es jede Menge Querverweise, wie den häufig auftauchenden Roadrunner, der durchs Bild flitzt. Oder ein Gangsterauto wird unter Kugelhagel von einem Polizeiauto plus Motorrad verfolgt, während das Militär in regelmäßigen Experimenten bildschöne Atombombenpilze produziert und ein Wüstenzug wie eine possierliche Spielzeug-Eisenbahn mit tödlicher Fracht in Form eines Atomsprengkopfes vorbei rattert. Es passiert so viel und in so wunderbar detailreicher Dekoration, dass man mitunter gar nicht weiß, wo man zuerst hinschauen soll. Bei dem verzauberten Bühnenbild voller unglaublicher Detailfülle beweist sich mal wieder, dass Wes Anderson früher einmal ein äußerst kreativer Schaufensterdekorateur war.
Dabei läuft die Kamera wie auf Schienen durch das Bild und zurück, während man als Betrachter kaum hinterher kommt. Obwohl es keine lineare Erzählform im Film gibt, sondern Anderson eher diverse Stichworte wie „Die Verlorenheit der Menschheit im Universum, die Unausweichlichkeit des Todes oder die bröckelnden Familienzusammenhänge“ andeutet, bleibt eigentlich ein konkreter Inhalt des Films im Dunkeln. Der Anderson-Fan erwartet aber eigentlich auch keine einfache Story, sondern erfreut sich immer wieder an der überbordenden Fantasie und Kreativität seiner Bilder. Dazu passen die 50er-Jahre Schlager ebenso wie die knalligen Kostüme.
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Für Cineasten ist „Asteroid-City“ nur ein weiterer einzigartiger Film seines Regie-Helden, auch wenn ich persönlich den Streifen doch etwas überfrachtet fand und eine klarere inhaltliche Aussage auch nicht geschadet hätte.
Der Film läuft in Lübeck im Filmhaus. www.cinestar.de