Auf Kunst-Stippvisite in der Stadt an der Seine
Paris - mon amour

Vor ein paar Tagen war ich mal wieder für ein verlängertes Wochenende in der französischen Hauptstadt Paris. Hauptgrund war die letzte Kunst-Intervention des Jahrhundertkünstlers Christo.

Bereits vor 60 Jahren hatten Christo und seine Partnerin Jeanne-Claude die Verhüllung des Triumphbogens geplant. Damals lebten die beiden in einer kleinen Mansarde ganz in der Nähe des Arc de Triomphe. Christo, der als Christo Javacheff 1935 in Bulgarien geboren wurde, lernte die Amerikanerin Jeanne-Claude (als Französin Jeanne-Claude de Guillebon 1935 in Casablanca geboren) in der Stadt der Liebe kennen, nachdem er 1958 aus seiner kommunistischen Heimat flüchten musste. Schon bald darauf begann die gemeinsame künstlerische Arbeit, die mit kleineren Interventionen, wie die auf einer Straße gestapelten Ölfässer, begann. Es folgten gigantische Groß-Projekte wie die „Wrapped Coast“ in Little Bay/Australien, der „Valley Curtain“ über einen Fluss in Colorado, die „Surroundet Islands“ in der Bucht von Miami/Florida, The Umbrellas in Japan und Kalifornien, die Verhüllung des Reichstages in Berlin oder zuletzt 2016 „The Floating Piers“ auf dem Iseo-See in Norditalien, um nur einige zu nennen.

Das Projekt, den Triumphbogen in der Mitte Paris zu verhüllen, erlebten Christo und Jeanne-Claude leider nicht mehr mit, weil sie bereits 2009 und er im letzten Jahr verstorben waren. Bis kurz vor seinem Tod hatte Christo an den Vorplanungen gearbeitet. Zunächst verhinderte ein brütendes Falkenpaar die Arbeit (Frühjahr 2020) und dann kam Corona, was ein weiteres Jahr Verzögerung bedeutete. Jetzt ein Jahr später konnten seine Mitarbeiter (u.a. 100 Höhenkletterer und 30 Schneiderinnen aus Lübeck, die die riesigen kilometerlangen Stoff-Bahnen nähten) unter der Anleitung seines langjährigen künstlerischen Direktors Vladimir Yavacheff die Verhüllung ausführen. Und das Ergebnis ist grandios.

Mitten auf dem Platz Charles de Gaulle, der sofort in Christo und Jeanne-Claude-Platz umgetauft wurde, steht jetzt das blau-silbrig glänzende Monument mit seinen roten Seil-Verknüpfungen. Direkt am Wochenende war sogar die gesamte Prachtstrasse Avenue de Champs-Elysees für den Auto-Verkehr gesperrt, der ansonsten in mindestens acht Spuren rund um den Triumphbogen braust. Gleich zur Eröffnung kam sogar die Bürgermeisterin auf dem Fahrrad angeradelt, wie Hunderttausende Pariser und extra angereiste Kunst-Touristen. Trotz Corona-Checking und Hundertschaften an Sicherheit-Personal wurde die Besichtigung von früh bis spät ein Fest voller staunender und lächelnder Besucher.

Je nach Tageszeit glänzt der Stoff mal in den französischen National-Farben Blau-Weiss-Rot, orange beim Sonnenaufgang oder silbrig-glänzend am blauen Himmel. Ein Ereignis, das ich diesmal nicht verpassen wollte. Schon die Reichstags-Verhüllung, die ich 1995 über insgesamt drei Wochen begleiten konnte und die ein Riesen-Erfolg mit über 5 Millionen Besuchern wurde, war nicht nur eine Kunst-Sensation, sondern diente auch als Symbol für die deutsche Wiedervereinigung. Für Paris ist die Umwandlung ihres National-Denkmales auch ein Symbol für die Freude und Einheit des Volkes, auch wenn einige Gegner massiv protestiert hatten, weil der Triumphbogen eben auch die ewige Flamme für den unbekannten Soldaten beherbergt. Es gab natürlich auch Leute, die sich ereiferten, weil die gesamte künstlerische Bearbeitung über 14 Millionen Euro gekostet hat.

Dabei ist es immer wieder wichtig zu sagen, dass Christo ein sehr eigenständiger und freier Künstler war. Gemeinsam haben sie die Groß-Projekte immer selbst finanziert und eigentlich nur für sich selbst gemacht. Wenn die Bevölkerung ihre Kunst schön fand, war es eigentlich nur ein gerne genommenes Extra für Jeanne-Claude und Christo, wie sie in ihren Statements immer betonten. Und nach 14 Tagen wird einfach alles wieder abgebaut und das Material recycelt, als wenn nichts geschehen wäre. Allerdings soll der Stoff diesmal verkauft werden, um sein allerletztes Projekt, die „Mastaba of Abu Dhabi“, eine riesige Pyramide aus Öl-Fässern in der Wüste in den Vereinigten Emiraten zu realisieren. Hoffen wir mal, dass das gelingt. Der verhüllte Arc de Triomphe ist jedenfalls bereits eine weitere großartige Legende in der langen künstlerischen Geschichte dieses genialen Kunst-Paares.

Holger Kistenmacher
Holger Kistenmacher
Jahrgang 1956, freischaffender Journalist seit gut 25 Jahren, studierter Realschullehrer, praktizierender psychosozialer Betreuer, ambitionierter Fotograf und Kulturschreiber mit den Fachgebieten: Moderne Gegenwartskunst, Literatur, Musik zwischen Jazz und Rock, Nordische Filme, Moderner Tanz. Weltenbummler und Reisejournalist.

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