Wenn man dem irischen Musiker Van Morrison eines nicht vorwerfen kann, dann ist es Faulheit. Zwischen September 2017 und Dezember 2018 veröffentlichte der mittlerweile 74jährige Meister vier neue Studioalben. „The Prophet Speaks“ war die 40. Scheibe seiner Karriere.
Allerdings war der 1945 in Belfast geborene legendäre Musiker zuletzt 2015 an gleicher Stelle in Hamburg zu sehen und hören. Also wurde es mal wieder dringend Zeit, und 4.000 meist angegraute Fans ließen es sich nicht nehmen, bei lauschigen Temperaturen im wunderbaren Stadtpark der Musiklegende die Referenz zu erweisen.
Und natürlich bekam das Publikum, wonach es lange warten musste: eine Live-Retrospektive aus 40 Jahren Blues, Soul, Jazz, Boogie, R&B und Pop. Natürlich hauptsächlich eigene Stücke aus seinem umfangreichen Repertoire, aber auch einige Interpretationen großer Kollegen (Muddy Waters, Lester Young, Bo Diddley und Carl Perkins), vor denen er sich gesanglich verbeugte.
Los ging es mit „Let´s get lost“, wobei sich sofort seine sechs-köpfige Begleit-Band gehörig Respekt verschaffte. Bass, Gitarre, Orgel, zwei Perkussionisten und eine hervorragende Background-Sängerin (Dana Masters) heimsten des öfteren Szenenapplaus ein, wenn sie mal wieder eine gelungene Solo-Einlage abgeliefert hatten. Besonders Dana Masters konnte gut gefallen, wann immer sie Platz für eigene Vokalausflüge bekam.
Ansonsten wusste aber Van Morrison selbst mit seiner immer noch sehr prägnanten Stimme und seinem musikalischen Talent an Mundharmonika und Saxophon zu überzeugen. In Glitzeranzug und Hut wirkt der kleine, alte Mann manchmal wie eine Danny de Vito-Kopie, aber dann haut er eine herzerwärmende Version von „Sometimes We Cry“ raus, dass einem die Tränen vor Freude kommen möchten.
Van Morrison hält zwar keine großen Reden und sagt auch seine Songs nicht an, zeigt sich aber hochkonzentriert und aufgeräumt. Er spielt teilweise ohne Übergänge Klassiker wie „Days like this“, „Enlightenment“ oder die wunderbar schwingende Nummer „Have I Told You Lately“. Es folgten Countrynummern wie „Ride on Josephine“ von Bo Diddley oder das ganz frühe „Brown Eyed Girl“, wo Morrison auch mal den irischen Cowboy raus hängen lassen kann.
Nach gut eineinhalb Stunden beenden die Musiker die entspannte Feierabend-Show mit einer 15-minütigen Lang-Version von „Gloria“ - noch so ein Klassiker aus seiner Zeit mit „Them“. Während sich der Meister langsam verkrümelt, dürfen seine Musiker noch einmal 10 Minuten loslegen und sich mit diversen Solis selbst profilieren. Ein wunderschöner Sommerabend in meiner Lieblings-Live-Location mit gekonnt-relaxter Musik – was will man mehr!