Foto: Lutz Roeßler

"Fifty Shades of Porn" im Theater Lübeck
„Spielclub 2“ - mehr als eine Milieustudie

Nein, der „Spielclub 2“ in der Beckergrube hat nichts mit Zwielichtigem oder Verbotenem in schummrigen Bars, an Spieltischen oder in Zockerrunden zu schaffen. Er beschäftigte sich nur mit ganz besonderen Spielen, nämlich denen beim Sex, genauer - so suggeriert es zumindest der Titel „Fifty Shades of Porn“- mit denen beim Sex in der pornografischen Variante.

Das Tabuthema gibt es nicht erst, seit es Computer und Internet gibt. Besondere Formen, sich sexuell zu stimulieren oder zu befriedigen, hat es schon immer und in allen Kulturen gegeben. Bilder und Schriften zeugen davon. Ein Unterschied allerdings ist, dass die Teilhabe daran heute überall und jedem und zu jeder Zeit verfügbar ist, so verfügbar wie Google oder Wikipedia.

Das was am Theater Lübeck „Spielclub“ genannt wird, steht seit Jahren unter der erfolgreichen Leitung von Knut Winkmann und ist Teil der ehrenwerten Sparte „Theaterpädagogik“. Geboten wird eine Reihe von Aktivitäten, darunter auch Theaterspielerfahrungen. Sie können helfen, unterschiedlichste Probleme zu diskutieren, auch schwierige. Die Ergebnisse werden jedes Jahr numerisch hochgezählt. Die 1 erhielt in dieser Spielzeit „Das Camp“, ein Stück für Jugendliche ab 15 Jahren, im September bereits aufgeführt. Bei 2, der jetzt gezeigten „Stückentwicklung mit jungen Erwachsenen“ (laut Programmheft), geht es um „Fifty Shades of Porn“, gedacht für Jugendliche ab 16 Jahren. Dieses Alter ist so gemeinhin das, in dem die Pubertät anfängt oder schon aufhört, zumindest aber das Sexuelle in Geist und Körper sich breit macht. Damit sich auseinanderzusetzen, ist notwendig auf dem Weg zum Erwachsenwerden.

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Vincenz Türpe, ein paar Jahre Ensemblemitglied in Lübeck, tat es mit Phaedra Brenke, Pia Fanick, Louisa Gast, Martha Lorenzen, Johanna Martini, Maja Nolte, Hendrik Schäfer, Robin Schiwy, Fiete de Wall, Anne-Magdalena Walther und Adrian Zumbruch. Locker und direkt sprachen die Elf über das Thema. Peinlichkeit gab es eher beim Publikum, als die Darsteller heutiges Sexwerkzeug von Gleitcremes über Dildo bis zum Womanizer den Zuschauern in die Hand gaben: Aufklärung der anderen Art, manchmal zweideutig, kaum anzüglich oder zotig. Sie redeten über das, was oft das Elternhaus verschämt unterlässt. Praxis bekommen viele insgeheim oder zufällig und mit vielen Irritationen.

Eine einstündige Art Schau war entstanden, die in unterschiedlichsten Szenen sich der vielen Aspekte des Themas annahm. Ob es genau 50 waren, ließ sich nicht nachverfolgen. Auf jeden Fall waren die Nummern der Revue unterhaltsam und zum Nachdenken anregend, mal vorgeführt und mal gelesen, im Mono- oder Dialog, mal dem Realen angenähert mal der Groteske. Viele Formen, auch gesungene oder getanzte, hatte man gefunden, im Solo oder in Gruppen, im Alltagsdress oder verkleidet. Einschlägige Literatur wurde herangezogen, schließlich ist der Titel dem auch verfilmten Buch „Fifty shades of Grey“ nachempfunden. Einziger Unterschied: der „Spielclub 2“ sagt ehrlich „Porn“ statt nebulös „Grey“.

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Geklärt dürfte damit auch sein, dass die „2“ für diesen Spielclub keinesfalls etwas mit Zweisamkeit zu tun hat. Irgendwann am Abend erfuhr der Zuschauer, wie schöpferisch die Sprache ausdrückt, dass es anders geht: von „Onanie“ mit biblischer Herkunft über Verschleierung im Fremdwort „Masturbation“ bis zum simplen „es sich selbst machen“. Deftige Szenen gab es mit der „Familie Immerscharf“ oder dabei, die Methode der Penisverlängerung beim Seilspringen zu veranschaulichen. Drastisch auch die Versuche, die Kamasutra-Akrobatik nachzustellen. Man blieb immer beim Thema, ohne einen Seminarton anzunehmen, selbst bei Verwendung der Liste der statistischen Ergebnisse darüber, wieviel Jugendliche unter 20 sich Pornos ansehen.

Quintessenz: Stimme einer jungen Frau: „Ich will aus Liebe alles tun, nur nicht das …“. Da es beim Porno „einzig um das Körperliche geht“, trennt er Sex und Beziehung. Das aber wirklich zusammenzubringen, sei schwer, wie ein junger Mann im Videovorspann bekannte. Er versuchte, über Pornos sich auf sein Erstes Mal vorzubereiten – und das ging ganz schön schief.

Arndt Voß
Aufgewachsen in Neumünster, in Lübeck seit 1959. Studium in Kiel und Hamburg (Musik- und Literaturwissenschaft). Ständige Mitarbeit an den Lübeckischen Blättern von 1974 bis 2014, Berichte und Kritiken darüber hinaus in einigen anderen Organen. Schwerpunktthemen: Musiktheater, Schauspiel, Konzerte.

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