Der neue Generalmusikdirektor Stefan Vladar, Foto: (c) Olaf Malzahn

Stefan Vladar stellt sich mit Mahlers „Auferstehungssinfonie“ vor
Ein gewaltiges Werk – begeistert aufgenommen

Es ist ein gewaltiges Werk, Gustav Mahlers 2. Sinfonie, die den Beinamen „Auferstehungssinfonie“ trägt, es ist zugleich eines mit einer besonderen Anziehungskraft. Die bewirkt nicht nur der große Aufwand, der nötig ist, das musikalische Epos zum Klingen zu bringen. Denn ein riesiges Orchester ist vorgeschrieben, dazu Chor und zwei Solostimmen.

Vor allem aber ist es ein Werk mit breiter stilistischer Vielfalt und prägnanten, fassbaren und wiedererkennbaren Themen. Obwohl die Aufführungszeit von nahezu eineinhalb Stunden alle fordert, die Ausführenden und auch den aufmerksamen Zuhörer, vermag sie doch durch ihren spannungsreichen Aufbau zu fesseln. In diesem besonderen Fall richtete sich die Aufmerksamkeit zusätzlich entschieden auf den Dirigenten, auf Stefan Vladar, Lübecks neuen GMD. Er gab mit diesem Monumentalwerk seinen Einstand.

Mehr als einhundertzwanzig Jahre alt ist das in Hamburg vollendete Werk. Ob heute vom Hörer die Aussagekraft erfasst wird, die über Mahlers Persönlichkeit hinausweist, er nicht einfach von der gewaltigen Wucht der Musiksprache hinweggerissen wird, sei dahingestellt. Der Mahler-Forscher Constantin Floros jedenfalls hatte in der Sinfonie die Idee einer überkonfessionellen Kunstreligion in musikdramatischer Form gefunden, der Mahler Klang und in den gewählten Texten auch Wort gegeben hatte. Beides ist äußerst lebendig in Beziehung gesetzt und ergreift bei jedem neuen Hören.

Das 1. Sinfoniekonzert 2019 mit Stefan Vladar, Foto: (c) Olaf MalzahnDas 1. Sinfoniekonzert 2019 mit Stefan Vladar, Foto: (c) Olaf Malzahn

Vladar hatte den großen Apparat sehr konzentriert, zugleich inspirierend im Griff. Seine Gestik war führend, von klarem Formwillen gezeichnet. Unverkrampft hatte er alle Fäden in dem verästelten Gewebe der Mahlerschen Polyphonie in der Hand, gestaltete liedhafte Bögen, verstand es, Übergänge von grandioser Spannung zu modulieren, beschönigte in den wilden Ausbrüchen nichts, riss das Orchester in kraftvoller Bewegung durch die Stationen, um im nächsten Moment wieder diszipliniert zur Ruhe zurückzuleiten. Das war packend, zog das Publikum in atemlosen Bann und führte die Lübecker Philharmoniker, verstärkt durch viele Aushilfen, zu exemplarischem Tun. Es war ein Mahlererlebnis, das dessen expressiv neue Sprache unbeschönigt und herb formulierte, aber auch sein Romantisches und Weiches durchformte, womit Mahlers Modernität sich deutlich hervorhob.

Lübecks weites Podium in der MuK bot gerade dem großen Instrumentalkörper Raum. Die beiden Solistinnen, die Sopranistin Evmorfia Metaxaki aus Lübecks Opernensemble und die sehr junge dänische Mezzosopranistin Laura Mayer, sowie die starke Sängerschar aus Chor und Extrachor des Theaters (einstudiert von Jan-Michael Krüger) und dem Hamburger Carl-Philipp-Emanuel-Bach-Chor (einstudiert von Edzard Burchards) hatte man deshalb auf den Bühnenrang postiert, eine Lösung, die klanglich nicht immer befriedigte. Das Singen über das Orchester hinweg nahm den Stimmen Glanz.

Dirigent Stefan Vladar und die Solistinnen: Evmorfia Metaxaki und  Laura Mayer, Foto: (c) Lutz RoeßlerDirigent Stefan Vladar und die Solistinnen: Evmorfia Metaxaki und Laura Mayer, Foto: (c) Lutz Roeßler

Dennoch waren die Leistungen der Sänger mehr als nur überzeugend. Apart war der volle, helle Alt Laura Mayers. Sie gab im vierten Satz dem „Urlicht“ aus „Des Knaben Wunderhorn“ eine bei aller Schlichtheit in der Aussage feinsinnige Glaubensintensität. Evmorfia Metaxakis Sopran ist dagegen farbiger, kontrastierte im Duett, aber ergänzte den Mezzo klangvoll. Anrührend, wie die Solopartien aus dem Chorklang heraustraten – Widerklang des Einzelnen in der sie tragenden Gemeinschaft. Der Chor selbst bescherte einen der eindringlichsten Momente, als er im verhaltenen Pianissimo ruhig, zugleich mit voluminösem Wohlklang das „Auferstehen“ und den Glauben an die Unsterblichkeit intonierte. Es ist der Beginn von Klopstocks eindrücklichem Credo, das Mahler bis hin zum ekstatischen Fortissimo steigerte.

Stefan Vladar führte sich mit dieser Leistung beeindruckend ein, vermochte alle, die Solisten und die Chöre, aber auch „seine“ Philharmoniker zu einem imponierenden Erfolg zu führen. Selten gab es solch einen langen und intensiven Applaus.

Wer die Sinfonie noch einmal hören möchte, hat dazu am 31. Oktober Gelegenheit. Der Sender "NDR Kultur" hat das Sonntagskonzert aufgezeichnet und wird es am Reformationstag ausstrahlen. Die genaue Uhrzeit steht allerdings noch nicht fest.

Arndt Voß
Aufgewachsen in Neumünster, in Lübeck seit 1959. Studium in Kiel und Hamburg (Musik- und Literaturwissenschaft). Ständige Mitarbeit an den Lübeckischen Blättern von 1974 bis 2014, Berichte und Kritiken darüber hinaus in einigen anderen Organen. Schwerpunktthemen: Musiktheater, Schauspiel, Konzerte.

Sie haben keine Berechtigung hier einen Kommentar zu schreiben.