Foto: Paul Leclaire

Der „Freischütz“ im Theater Lübeck bietet wenig Gelegenheit für Begeisterung
Applaus ist besser als der leiseste Buhruf

Am Tage der Premiere des Stückes wurde Jochen Biganzoli gegen 18 Uhr im NDR 3 befragt, wie er seine Lübecker Inszenierung angelegt habe. Er bekannte, dass der Fokus seiner Arbeit sich mit dem Thema „Angst“ beschäftigt und von ihm in den Mittelpunkt des Stückes gestellt wird. Erfahrenen Operngängern schwante da sicher nichts Gutes.

Vergessen muss man, was im Schulbetrieb um den „Freischütz“ in den Mittelpunkt gerückt wurde. Vergessen wir die Zeiten, als Carl Maria von Weber dafür sorgte, entspannt den Heimweg anzutreten. Wir leben heute in einer Zeit der Angst vor dem Morgen, speziell in politischer Hinsicht. Das kann ein guter Regisseur nicht außer Acht lassen. Nur möchte man gerne immer noch – nicht nur der Musik wegen – die Urform eines Stückes ausmachen können.

Max, der Jägerbursche, schwebt vom Himmel. Der unsichere Bursche gerät schnell in große Bedrängnis, folgt ihm doch auf Schritt und Tritt ein Kameramann. Jede Mimik seiner Angst zeigen die Aufnahmen auf. Die leere Bühne (Wolf Gutjahr) unterstreicht die Verzweiflung des Max. Er gelangt nicht in den Wald, sondern Bilder zeigen auf, wie die gesamte Misere des Waldes zu beurteilen ist. Dass er der heutigen Zeit angepasst ist und er viel mit Bildmaterial arbeiten wird, hat Biganzoli gleich im Interview erklärt. Okay, wir leben im Hier und Jetzt, aber was der Bauer Kilian im Glitzeranzug bewirken soll, kann höchstens auf die Vielseitigkeit der modernen Bauern hinweisen. Mal sehen, wann wir den verzweifelten Bauern auf der Bühne erleben werden. Ein begabter Schriftsteller findet ab und an schon Zugang in den Medien.

Dass es nach der Pause noch brisanter zugehen wird, konnte man dem Programmheft entnehmen. Aufsteller von Papst Benedikt, Angela Merkel (mit dem Vermerk: Angela, Reihe 8), Mesut Özil, ein Euroschild bevölkern das Geschehen. Ein dunkel gekleideter Trupp verriegelt den Zuschauerausgang. Ist nichts von wegen „Lieb Vaterland, magst ruhig sein“.

Foto: Paul LeclaireFoto: Paul Leclaire

In Lübeck sorgen immer wieder die Sängerinnen und Sänger für echtes kulturelles Erleben. In diesem Falle allen voran Tobias Hächler als Max. Er verfügt über einen umfassenden Tenor, in seiner Darstellung äußerst geschmeidig. So, wie man sich einen jugendlichen Helden vorstellt. Die Agathe ist bei Maria Fernanda Castillo bestens aufgehoben. Andrea Stadel als Ännchen muss manche Grenzen überschreiten, sie meistert es bravourös. Gerard Quinn und Taras Konoshchenko enttäuschen auch hier nicht. Steffen Kubach wirbelt alles auf, trotz allem war er schon glaubwürdiger. Der Chor als sturmerprobter Faktor ist auf jeden Fall im Fokus des Geschehens, Einstudierung Jan-Michael Krüger. Am Pult Andreas Wolf, ihm bieten sich viele Möglichkeiten, sein Können zu beweisen.

Keiner kann dem Regisseur Jochen Biganzoli unterstellen, dass er des Spektakels wegen so und nicht anders inszenierte. Mancher hätte es sich anders gewünscht.

Helga Rottmann
Helga Rottmann
Immer wieder musste der Großvater dem Kind "Kennst Du das Land, wo die Zitronen blüh'n" aus "Mignon" vorsingen. Das zielte auf ein Gesangsstudium. Dennoch der Wechsel zur schreibenden Zunft. 15 Jahre Kultur-Redakteurin bei einem Lübecker Blatt. Schreibt seit 2012 für "unser Lübeck". Schwerpunktthemen: Oper, Operette, Musical, SHMF.

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