María Fernanda Castillo (Desdemona), Marius Vlad (Otello), Foto: Jochen Quast

Verdis vorletzte Oper als Meilenstein der Opernwelt
Zerstörerische Eifersucht

Wollte man es flapsig und zeitgemäß ausdrücken, könnte man diese Inszenierung als ganz großes Kino titulieren.

María Fernanda Castillo (Desdemona), Julia Grote (Emilia), Foto: Jochen QuastMaría Fernanda Castillo (Desdemona), Julia Grote (Emilia), Foto: Jochen QuastDas Fundament für diese Leistung basiert ohne Zweifel auf dem Entschluss des Regisseurs Bernd Reiner Krieger, in den Opernablauf keine Mätzchen einzubauen, er inszeniert konventionell und somit glaubwürdig. Und er ist eins mit den Sängern. Momme Röhrbein als verlässlicher Partner, der ein passendes, karges Bühnenbild schafft. Angelika Rieck hat eine sichere Hand mit den Kostümen. Sie sind en vogue, auch im Hier und Jetzt.

Ein Taschentuch als Auslöser für tödliche Eifersucht und letztlich Mord als Grundlage für ein Opernlibretto zu benutzen, ist schon außergewöhnlich erfindungsreich. Bernd Reiner Krieger gelingt es, was nicht alle seines Fachs beherrschen: Er legt die Charaktere so an, dass ihr Handeln glaubwürdig ist. Wunderbare Protagonisten sind in der Lage, seine Visionen durchzuführen.

Die Titelfigur des Otello findet in Marius Vlad einen Interpreten, der diese mörderische Partie ohne Mankos über die Rampe bringt. Ihm gelingt es, dass trotz aller Dominanz sein mangelndes Selbstwertgefühl durchscheint. Kongenialer Gegenspieler, der intrigrante Jago, hat mit Michele Kalmandy ein Gegengewicht, das sich hören lassen kann. Kein Wunder, dass bei der Opernentstehung auch im Gespräch war, sie "Jago" zu nennen.

Michele Kalmandy (Jago), Foto: Jochen QuastMichele Kalmandy (Jago), Foto: Jochen Quast

Der ganz große Lichtblick ist dann Maria Fernanda Castillo als Desdemona. Sie überzeugt als liebende Frau, die Intrigen gegen sich erleben muss. Zeitweise erscheint ihre Stimme anbetungswürdig. Ein bedeutender Gewinn. Ihre Zofe Emilia ist mit Julia Grote sehr gut besetzt. Als Cassio bringt Juraj Holly nicht nur ein bühnentaugliches Äußeres mit. Der Chor unter der Leitung von Jan-Michael Krüger hat eine enorme Leistung zu erbringen. Wie alle anderen Mitwirkende ist auch der Chor top. Andreas Wolf dirigiert temporeich und versiert.

Das Publikum applaudierte stürmisch. Das Theater Lübeck ist mit dieser Aufführung wieder mal in Vorreiterposition.

Helga Rottmann
Helga Rottmann
Immer wieder musste der Großvater dem Kind "Kennst Du das Land, wo die Zitronen blüh'n" aus "Mignon" vorsingen. Das zielte auf ein Gesangsstudium. Dennoch der Wechsel zur schreibenden Zunft. 15 Jahre Kultur-Redakteurin bei einem Lübecker Blatt. Schreibt seit 2012 für "unser Lübeck". Schwerpunktthemen: Oper, Operette, Musical, SHMF.

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