Leander Härtel (Oliver), Chor, Company, Foto: (c) Olaf Malzahn

Auf der Suche nach Wärme und Anerkennung
Oliver!

Mehr als 60 junge Darsteller bringen das Musical „Oliver Twist“ nach Charles Dickens mit der Musik von Lionel Bart ins Große Haus. Dieses Musical zwingt zum Nachdenken. Wenn auch das Original vor mehr als 100 Jahren in Form von Fortsetzungsheftchen erschienen ist, so trifft Dickens auch in heutiger Zeit den sozialkritischen Aspekt und lässt keinen kalt.

Das Theater Lübeck geht das Wagnis ein und schickt an die 60 Jugendliche und Kinder auf die Bühne, die dank des Regisseurs Wolf Widder ihre Aufgaben brillant erfüllen.

Das Dilemma des Oliver, der im Waisenhaus aufwächst, nimmt seinen Anfang, als Oliver beim Mittagessen um einen Nachschlag bittet. Das widerspricht den Regeln von Zucht und Ordnung des Heimes. Der durchtriebene Gemeindediener Mr. Bumble erklärt sich bereit, Oliver aus der Waisenkindergemeinschaftt zu entfernen und zu verkaufen. Steffen Kubach macht aus dem Mr. Bumble eine Paraderolle. Gekonnt wirft er seine Haartolle zurück und widmet ihr mehr Aufmerksamkeit als dem Oliver. Dass er bei dieser Gelegenheit Mrs. Corney kennen lernt, wird sich für ihn nicht nur als Glücksfall erweisen. Andrea Stadel als Leiterin des Armenhauses darf hier herrlich gemein sein. Bumble gelingt es, Oliver bei dem Leichenbestatter Mr. Sowerberry unterzubringen (Mark McConnell). Imke Looft als seine Frau hat Gehässigkeit auf ihre Fahne geschrieben.

Ida-Marie Brandt (Bet), Leander Härtel (Oliver), Femke Soetenga (Nancy), Chor, Foto: Olaf MalzahnIda-Marie Brandt (Bet), Leander Härtel (Oliver), Femke Soetenga (Nancy), Chor, Foto: Olaf Malzahn

Oliver, naiv und von Natur aus gradlinig, flieht und landet in London, wo er bei Taschendieben Unterschlupf findet. Leander Härtel darf den Oliver Twist verkörpern. Er gibt alles und spielt sich in die Herzen der Zuschauer. Da darf man natürlich etwas nervös sein, aber die Choreographie (Harald Kratochwil) hat er ebenfalls verinnerlicht. Seine helle Stimme hat hoffentlich den Stimmbruch hinter sich. Er ist bei dem alten Hehler Fagin gelandet. Chris Murray singt und spielt, dass es eine Freude ist. Etwas zu langatmig erscheint die Szene mit dem gestohlenen Schmuck. Aber Vorsicht bei Chris Murray, er könnte vielen die Show stehlen! Sein Musterschüler Artful Dodger ist bei Paul Schiffner bestens aufgehoben. Er hat bei aller Durchtriebenheit ausreichend Coolness, um sympathisch zu wirken. Umwerfend Femke Soetenga als Nancy. Eine großartige Stimme – und sie darf ihr Herz sprechen lassen.

Peter Grünig als Mr. Brownlow, der Oliver endlich ein behütetes Zuhause bietet. Katja Lebelt hat wunderbare, bunte Kostüme gezaubert. Ihre Ausstattung spiegelt das Geschehen glaubhaft wider. Lionel Bart schrieb die Texte und komponierte die Musik des Stückes. Alles ungemein zeitgemäß. Wolf Widder, der die Zähmung der Kinderschar großartig in den Griff bekommt, gebührt Dank. Auch dem Theater Lübeck „Dankeschön“. Einige Lorbeeren mehr in dem Erfolgskranz der Aufführungen.

Helga Rottmann
Helga Rottmann
Immer wieder musste der Großvater dem Kind "Kennst Du das Land, wo die Zitronen blüh'n" aus "Mignon" vorsingen. Das zielte auf ein Gesangsstudium. Dennoch der Wechsel zur schreibenden Zunft. 15 Jahre Kultur-Redakteurin bei einem Lübecker Blatt. Schreibt seit 2012 für "unser Lübeck". Schwerpunktthemen: Oper, Operette, Musical, SHMF.

Sie haben keine Berechtigung hier einen Kommentar zu schreiben.