Andreas Hutzel (Hanns Dieter Hüsch), Foto: Thorsten Wulff

Andreas Hutzel in Begleitung von Willy Daum
"Hüsch – Wir seh'n uns wieder" im Jungen Studio

Wer jemals Hanns Dieter Hüsch erlebte, glaubte ihn wieder vor sich zu haben. Aber es war Andreas Hutzel, der im Jungen Studio des Lübecker Theaters nicht einmal in eine Maske schlüpfen musste. Mit einer Brille saß er da, ebenso hager und mit scharfen Falten im Gesicht wie der, den er vor 20 Jahren oder mehr bei einem Auftritt in seiner Heimatstadt Schorndorf erlebte und zu verehren lernte.

Zugegeben, Hutzels Haartracht ist fülliger, und er braucht, um eine hohe Stirn zu kaschieren, keinen Bart. Aber er hat die Mimik, das intensive, verhuschte Wesen des gebürtigen Rheinländers trefflich drauf und bringt die Texte wunderbar klar und lebendig über die Lippen. Man spürt eine Geistesverwandtschaft und eine Lust, der Prosa und den Liedern wieder Laut zu geben.

2005 ist der Kabarettist und Schriftsteller mit 80 Jahren im Windecker Ländchen gestorben. Sein Lebenswerk ist bunt und umfangreich. Eine lange Liste von Kabarett-Programmen auf verschiedensten Tonträgern und eine ebenso lange mit Buchveröffentlichungen zeugt davon. Viel Poetisches verfasste er, auch Kinderbücher, Liedermacher und Schauspieler war er, im Quartett mit Franz Josef Degenhardt, Wolfgang Neuss und Dieter Süverkrüp trat er auf, war u. a. Sprecher in Laurel-und-Hardy-Filmen und bei Pat und Patachon und moderierte im Rundfunk. "Wir seh'n uns wieder", das war auch der Titel seines Solo-Programms aus dem Jahre 1998 und seiner Abschiedstournee, mit der er sich im Jahre 2000 als dienstältester deutscher Kabarettist vom Publikum verabschiedete. Viel Zeit hatte er nicht mehr. Ein Schlaganfall beherrschte seine letzten vier Jahre.

Andreas Hutzel (Hüsch) und Christoph Daum, Foto: Thorsten WulffAndreas Hutzel (Hüsch) und Christoph Daum, Foto: Thorsten Wulff

Wir sahen ihn wieder. Jetzt saß Andreas Hutzel dort im Jungen Studio in Lübeck, nicht als sein Double, das wäre banal. Hutzel bleibt Hutzel, wie in all seinen Rollen. Seine Wirkung beruht darauf, dass er den anderen, die andere Figur ernst nimmt, sie respektiert, sich aber gleichzeitig mit einem Schalk im Nacken von ihr distanziert. Sprechweise und Mimik verweisen auf das Original, das er aber immer nur vermittelt. Das in der Balance zu halten ist harte Arbeit, gelingt aber zumeist prächtig, manchmal bis zur Erschöpfung.

Auf einem kleinen Tisch hat er Hüschs Texte liegen, aus denen er vorträgt. An einem zweiten Tisch daneben sitzt Willy Daum, der die Rolle seines musikalischen Alter Egos übernommen hat. Statt eines Textblattes steht dort ein Kasten, von dem der Zuschauer nur den hölzernen Rahmen mit seinen parallel verlaufenden schmalen Schlitzen sieht. Es ist die Klangzauberkiste der 60-er Jahre, eine Philicorda-Orgel. Sie half Hüsch, sich selbst bei seinen Songs zu begleiten. Denn sie konnte damals Unerklärliches vollbringen, hatte schon ein Schwellpedal und vor allem eine Einfinger-Akkord-Automatik. Die zu erklären, hatte Hutzel auch einen Text bei Hüsch gefunden.

Andreas Hutzel (Hanns Dieter Hüsch), Foto: Thorsten WulffAndreas Hutzel (Hanns Dieter Hüsch), Foto: Thorsten Wulff

An "Tea-for-two" wird der Aufbau der in Song und Jazz so beliebten Septnonakkorde erklärt und wie sie dem Songschreiber nutzbar werden. Genüsslich lieferte Daum die klangliche Demonstration und begleitete dann Hutzel bei den eingestreuten Songs. Überhaupt gab es so manche Anspielung auf Musik, die Hüsch als intimen Kenner dieser Materie verriet. Zu lesen ist, dass er unter anderem Orff schätzte, ein früher Berufswunsch war, Opernregisseur zu werden, seine erste CD 1963 trug gar den Titel "Carmina Urana". Es wäre ein Spaß gewesen, ihn nach der jüngsten Opernpremiere zu erleben, zumal auch dessen Weihnachtsgeschichte im Programm bedacht ist.

Dass man Hanns Dieter Hüsch heute noch uneingeschränkt genießen kann, liegt daran, dass seine Programme nie tagespolitisch eng waren. Nach Dinslaken geht es, wo er den Radfahrer Gott trifft oder an den Niederrhein, wo der Einwohner "nix weiß, aber alles erklären kann", besonders aber die Drainage. Er schuf mit seinen Figuren wie Tante Anna oder Onkel Eberhardt, dessen Schuhe er liebend gern getragen hätte, vor allem aber mit Hagenbuch, dessen Existenz den Irrsinn des Daseins illustriert, Wesen, die schon lange leben, über die man sich auch heute noch erhaben fühlt, auch über Ditz Atrops, den Hochintelligenten, aber ständig Besoffenen. Die Lacher bewiesen es, von denen es im Laufe des Abends immer mehr gab. Es ist wieder ein Hutzel-Abend, der zum Dauerläufer das Zeug hat.


Fotos: Thorsten Wulff

Arndt Voß
Aufgewachsen in Neumünster, in Lübeck seit 1959. Studium in Kiel und Hamburg (Musik- und Literaturwissenschaft). Ständige Mitarbeit an den Lübeckischen Blättern von 1974 bis 2014, Berichte und Kritiken darüber hinaus in einigen anderen Organen. Schwerpunktthemen: Musiktheater, Schauspiel, Konzerte.

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