Neu interpretierte "Hoffmanns Erzählungen"

Premiere der phantastischen Oper von Jacques Offenbach beschert ein Fest der Stimmen. Möchte man zum Kreis der Arrivierten gehören, die modernes Regietheater als Kunstwerk des Heute betrachten, war man bei der Lübecker Premiere der Offenbach-Oper am rechten Ort.

Eine gewisse Voreingenommenheit war nicht zu verhindern, als in der Vorankündigung des Stückes Florian Lutz als Regisseur benannt wurde. Auch mit seiner Tannhäuser-Inszenierung machte er nicht jeden glücklich. Dieser Mann hat Phantasie! Vielleicht sollte er Einiges davon nicht gerade der Bühne überlassen.
 
In Offenbachs Oper sind drei Erzählungen des Dichters E. T. A. Hoffmann miteinander verbunden. Im Original-Libretto (Jules Barbier) schildert Hoffmann drei Episoden aus seinem Leben, quasi das Handlungsgeschehen dieser Oper. Hier tritt Hoffmann in Badelatschen in einem Fitness-Center nebst unerlässlicher Schönheits-Chirurgie auf. Dieser Akt der Puppe Olympia zugehörig, ist am leichtesten nachzuvollziehen, geht es hier auch um die Vollkommenheit des Menschen. Es tummeln sich das Model (Daisy Reineke) und der Bodybuilder (Oliver Reinhardt). Wo hat er sich nur die Muskeln antrainiert?
 
Hoffmann wird von dem Franzosen Jean-Noël Briend verkörpert. Seine Stimme nimmt einen breitgefächerten Umfang ein - mit hervorragenden Pianotönen. Er singt die Ballade von Kleinzack, die jahrelang Nicolai Gedda als besten Interpreten auszeichnete, voller Dynamik. Dass er sein Temperament bezüglich des Trinkliedes in einer Rockband ausleben muss, erschließt sich hauptsächlich Florian Lutz selbst. Ihm stets zur Seite seine Muse in Gestalt von Wioletta Hebrowska, die anfangs gehemmt erscheint, dann aber zur gewohnt guten Form aufläuft. Hoffmann, der Zerrissene, findet auch nicht sein Glück bei der Kurtisane Giulietta. Er übersteht den letzten Akt nicht im Rausch, sondern trennt sich von seinem “besten Stück”.

Jean-Noël Briend (Hoffmann), Ensemble, Chor, Foto: Oliver Fantitsch

Die Französin Fabienne Conrad ist der absolute Glanzpunkt des Abends. Exzellente Stimmführung und überzeugendes Schauspieltalent gehen eine Symbiose ein, die Elitekünstler auszeichnen. Sie hat Witz, Humor und ausreichend Geschmeidigkeit in jeder Hinsicht, um diesen Platz (vier Rollen) einzunehmen. Ihre verstorbene Mutter gibt Raffaela Lintl. Eine angenehme Überraschung bereitet Guillermo Valdés, auch in unterschiedlichen Rollen. Gerard Quinn als Bösewicht ist darstellerisch unterfordert. Mechthild Feuersteins Kostüme sind teilweise wunderbar opulent. Martin Kukulies zeichnet für die Bühne verantwortlich. Die Chorleitung dieses Mal nicht allein Joseph Feigl anvertraut, ihm zur Seite Jan-Michael Krüger.

Der GMD Ryusuke Numajiri hat es mit den Tempi. Schon im Fidelio sehr schnell, lässt er hier die Barcarole dahinplätschern, obwohl das Publikum sicher gern voller Elegie dahingeschmolzen wäre. Unter ihm musiziert das Philharmonische Orchester der Hansestadt Lübeck, es singen Chor und Extrachor.
 
Der Phantast Hoffman als Rocksänger, das ist neu. Und nur das zählt bei manchen Regisseuren. Wer`s mag, darf sich auf die hiesige Aufführung freuen.
 

Fotos: Oliver Fantitsch
Helga Rottmann
Helga Rottmann
Immer wieder musste der Großvater dem Kind "Kennst Du das Land, wo die Zitronen blüh'n" aus "Mignon" vorsingen. Das zielte auf ein Gesangsstudium. Dennoch der Wechsel zur schreibenden Zunft. 15 Jahre Kultur-Redakteurin bei einem Lübecker Blatt. Schreibt seit 2012 für "unser Lübeck". Schwerpunktthemen: Oper, Operette, Musical, SHMF.

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