Kultfigur Dittsche brilliert mit Soloprogramm
Die MuK mutiert zur Mukkelbude

Zunächst ist nur eine Figur im Dittsche-Look auf einem Podest auf der Bühne zu sehen. Allerdings mit allen bekannten Ausstattungsmerkmalen der Kult-Figur bekleidet: blau-weiß-gestreifter Bademantel, rote Jogginghose, Schumiletten und Alditüte voller Bierflaschen, dazu gesellt sich in Kriegszeiten eine Ukraine-Fahne und ein Bier in der Hand.

Dann schlurft Dittsche persönlich in Siegerpose und unter tosendem Applaus auf die Bühne. Allerdings trägt er dazu eine FFP2-Maske plus einen Melitta-Kaffeefilter vorm Gesicht. In Coronazeiten wähnt er sich damit auf der sicheren Seite. Außerdem kann man damit ja auch jede Menge Kaffee kochen, den man zwar nicht austrinken kann, aber als erneute „Welt-Idee“ auch als Coffee to go nutzen kann. Und dann folgt eine seiner delikat, abstrusen Erfindungen: Man benutze ein Paar Gummistiefel, innen und außen jeweils mit Alufolie ausgekleidet, dazwischen den überschüssigen Kaffee gegossen und fertig ist der Wärme-Schuh für den Winter. Außerdem hat man ja auch immer eine schöne Tasse Kaffee dabei, wie praktisch. Und der Saal tobt!

Olli Dittrich, der Hamburger Komödiant, gerade 65 Jahre alt geworden, ist auf „Chefvisite“ durch die Republik. Dass die Kultserie „Dittsche“ (seit 2004 mit insgesamt 30 Staffeln im Fernsehen) vorzüglich funktioniert, beweist die improvisierte Comedy-Sendung zur Genüge. Als arbeitsloser Verlierertyp in Bademantel und mit Leergut in der Aldi-Tasche sinniert er im Eppendorfer Grill von Freund Ingo-Mann beim perlenden Bier über Gott und die Welt, die Tücken des Alltags und die verquere Welt der Promies.

Aber auch als Solo-Programm funktioniert die schräge Welt des ewigen Loosers auf der großen Bühne und sorgt für durchgehendes Gelächter und beste Laune im voll besetzten Saal der MuK in Lübeck. Natürlich kalauert er sich durch den Eppendorfer Grill, wo das Heiligtum von Grill-Chef Ingo steht: Die gläserne Salat-Bar, die mit ihrem Duft den Laden „ummuggelt“. Aber erst nachdem Ingo-Mann jeden Morgen vor der Eröffnung erstmal die „Selbstschutzschicht“ der Salate mit dem Kartoffel-Pfannenkuchen-Wender abmacht, denn in der „Majonäse wohnen ja bekanntlich die Käse-Tierchen“. Aber der Salat schlägt ja zurück durch Braunfärbung.

Auch die Corona-Zeit war schwer für den Imbiss-Wirt Ingo. Also verlegte er sich aufs „Dilivern“, sprich das Ausliefern der Ware per Stereopor-Box durch Kröte, der normalerweise an der Säge im Obi in Poppenbüttel steht, jetzt aber leider von Wolke 7 aus zusieht, wie Dittsche seine Geschichten erzählt.
Auch Dittsche war zeitweilig berufstätig als Aushilfe, Reinigungskraft und Müll-Rausträger im Imbiss, womit er sich sein Feierabend-Bier reichlich verdient habe, bis ein kleines Missgeschick zum zwischenzeitlichen Abbruch der Tätigkeit bei Ingo und der Umzug zum Biertrinken beim Griechen geführt hatte. Was war geschehen: Eine Zusammensetzung unglücklicher Umstände. Dittsche hatte sein Bier über Ingos Heiligtum, der Glas-Vitrine verpütschert und wollte den Schaden mit dem ollen Küchenlappen wieder beseitigen, allerdings nachdem er damit zuerst den Fussboden gewischt hatte.

Man erfährt außerdem, wo Schildkröte eigentlich seinen Namen her hatte. Das lag an der „Kunstleder-Jacke aus Schwarz, die er von einem Schwager aus der DDR hatte, die so schön mit Kroko-Muster gesteppt war. Wenn Kröte dann so nach dem sechsten Bier einen Buckel machte, wegen Müdigkeit oder so, sah er darin halt aus wie eine Schildkröte“.

Auch sein Nachbar, Herr Karger kriegt wieder richtig sein Fett weg. Der soll ja mal Friseur-Meister gewesen sein und hatte dementsprechend noch viele Utensilien im Keller, wie Tuben, Shampoos, Figurenköpfe zum Frisieren, Bürsten und Trockenhauben. Eine dieser Trockenhauben hatte sich Dittsche mal zum Grillen von Würstchen im Garten von Freund Giovanni ausgeliehen. Als Karger seiner Frau dann in Corona-Zeiten die Dauerwelle erneuern wollte, verschmolzen die Lockenwickler am Kopf und es wurde ein „Micki-Schnitt“ mit der Gartenschere. Ist ja auch ein Ex-Frisör, so nach dem Motto: Der Schuster trägt die schlechtesten Schuhe. Außerdem trägt er seine eigenen Haare auch recht eigenwillig: so von links nach rechts über die Glatze gepappt, ein bisschen wie Erol Flinn, aber mit Kartoffelnase und Hühnerficker-Brille.

Als Dittsche in der Wohnung der Kargers mal zum Blumengießen beordert wurde, zerlegt er natürlich das gesamte Bade-Zimmer. Die rausgerissene Klospülung, die lustig aus der Wand schießt, repariert er dann mit einer gekneteten Wurst aus ca. 20 Oropax von Frau Karger, sowie zum Aushärten die Viagras von Herrn Karger aus deren Nachtisch-Schublade. Die Viagra-Pillen hat er dann später mit zurecht geschnitzten Waschmaschinen-Tapps ersetzt.



So blödelt sich Dittsche mit Unschuldsmiene durch den ersten Teil der Show, bis er zum Pausen-Bier bittet. Allerdings vorher muss er noch sein Geheim-Rezept, eine weitere „Welt-Erfindung“ gegen Corona erläutern: Hühner-Suppe für die Außen- und Innen-Imprägnierung . Dafür die Badewanne heiß auffüllen, zwei Maggie-Würfel rein und eine Tüten-Suppe Huhn, kräftig umrühren und ab in die Wanne. Per Kelle zwischendurch immer mal einen kräftigen Schluck und man bleibt gesund. Die Versiegelung von Außen und Innen hat nur den Nachteil, dass auch schon einmal etwas Suppen-Grün im Haar-Ansatz stecken bleibt oder sich ne Suppennudel in die Schulter brennt.

Nach der Pause geht es nahtlos weiter: „So jetzt pass auf“! Bitte! Er kommt vom Größten zum Kleinsten, vom unendlichen Weltall bis zur Winzigkeit des Mikroversums, wenn zum Beispiel alles Leben selbst schon in der Amöbe zu finden ist. Ein Gedanke, der ihn tagelang kaum schlafen ließ. Auch die philosophische Frage, was zuerst da war - und damit meint er nicht Huhn oder Ei, sondern Kronenkorken oder Flaschenöffner. Dann wird’s politisch. Es tauchen Namen wie Merkel, Lauterbach, Trump oder RKI-Wieler auf. Auch der Torwart-Titan Ollie Kahn darf nicht fehlen, denn der war ja bekanntlich der Einzigste, der die Hühnergrippe überlebt hatte. Merkels Funktionsjacke wird erklärt, wobei die berühmte Raute zum Drehen am mittleren Knopf diente, um einen Mechanismus mit Underberg oder Likör aus dem Ärmel per Schlauch zum Mund zu führen.

Auch dass Karl Lauterbach neuerdings immer so schlaue Sachen sagt, erklärt der Alleswisser recht anschaulich. Früher trug der doch immer Fliege, was zur Sauerstoff-Unterversorgung im Hirn führte. Seitdem er jetzt den obersten Knopf offen lässt, seien seine Gedanken förmlich explodiert. Und im Zugaben-Teil erklärt Dittsche erstmals vor Publikum, dass er zwischenzeitlich auch schon einmal eine Lebensabschnitts-Begleiterin hatte, die gleich mit Möbeln und geerbten Orient-Teppich bei ihm eingezogen war. Das hielt leider nicht so lange. Wohl auch, weil er den Teppich per Kupferdrähten mit einer astreinen Teppich-Heizung ausstatten wollte. „Aber hinterher ist man ja immer schlauer“!

Als er das ausgelassene Publikum dann endlich auf den Heimweg schickt, gibt er seinem Wunsch Ausdruck, dass man trotz aller Dramen und Tragödien momentan, doch hoffentlich einen vergnüglichen Abend zusammen hatte. Dem kann nicht widersprochen werden. Dittsche komm bald wieder!

Holger Kistenmacher
Holger Kistenmacher
Jahrgang 1956, freischaffender Journalist seit gut 25 Jahren, studierter Realschullehrer, praktizierender psychosozialer Betreuer, ambitionierter Fotograf und Kulturschreiber mit den Fachgebieten: Moderne Gegenwartskunst, Literatur, Musik zwischen Jazz und Rock, Nordische Filme, Moderner Tanz. Weltenbummler und Reisejournalist.

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