Camilla Nylund, Stefan Vladar und die Lübecker Sinfoniker in der MuK, Foto: Hildegard Przybyla

MuK Lübeck
Brahms und Strauss und eine große Sängerin im vierten Konzert der Philharmoniker

Die Lübecker Philharmoniker beendeten das Jahr mit einem im Wesen ernsten Programm. In ihm rahmten die „Tragische Ouvertüre“ und die 3. Sinfonie, beide von Johannes Brahms, die „Vier letzten Lieder“ von Richard Strauss. Sie hatte der Komponist 1948 im Alter von 84 Jahren komponiert, ein Jahr vor seinem Tode.

Insgesamt war es ein Programm voll innerer Bezüge. Zumal mit der „Tragischen Ouvertüre“ hatte man ein Werk an den Anfang gestellt, das selten zu hören ist, seltener noch als die „Akademische Festouvertüre“, ihr Gegenstück. Brahms unterschied sie so: „…die eine weint, die andre lacht“. Dennoch stehen beide in Moll und sind wohl auch nahezu gleichzeitig entstanden. In einem Brief an seinen Verleger Simrock hatte er am 6.11.1880 geschrieben: „Bei der Gelegenheit konnte ich meinem melancholischen Gemüt die Genugtuung nicht versagen – auch eine Trauerspiel-Ouvertüre zu schreiben!“ Ob er ein bestimmtes im Sinne hatte, ist allerdings nicht bekannt.

Doch war Brahms mit sich selbst uneins, wie er die „Tragische“ verstanden haben wollte. Das verrät ein anderer Brief, in dem er sie als „dramatische“ Ouvertüre bezeichnete. Mit dieser Äußerung bekommt GMD Stefan Vladar Recht, das Werk mit viel Dynamik, gleich anfangs mit leidenschaftlichen Akkorden und hastig verkürzten Pausen aufzuführen. Sie gaben dem Paukenton keine Zeit zum Ausschwingen. Heftige, vorandrängende Partien folgten, selbst der lyrische Abschnitt war erregt in Szene gesetzt. Erst beim Marsch nahm er das Tempo zurück, um dann nach den Fanfaren das Wilde etwas mehr zu bändigen.

Foto: Hildegard PrzybylaFoto: Hildegard Przybyla

Ganz im Gegensatz dazu forderte Richard Strauss‘ Komposition Ruhe und Besinnung. Für seine Lieder zu drei Texten Hermann Hesses, zu „Frühling“, „September“ sowie „Beim Schlafengehen“, hatte er erstaunlich feinfühlige Töne gefunden, auch für die Vertonung des letzten, dem einzigen der Gedichte, das wirklich ein Lebensende thematisiert. Es ist Joseph von Eichendorffs „Im Abendrot“. Diese altersweise, abgeklärte Liedfolge mutet zunächst durch die weit schwingende Stimme und die üppige Besetzung im Orchester rauschhaft an, ist aber mit den Inhalten der Lyrik eng verbunden, ergänzt die Gedichte in bewundernswerter Hinsicht.

Die Gesangslinien zu gestalten erfordert beides, eine helle, auch in der Höhe noch farbige Sopranstimme, zudem eine, die mühelos sich in den Orchesterklang einbinden kann, ohne in ihm zu versinken. Stefan Vladar hatte das Glück, dafür Camilla Nylund engagieren zu können. Der finnische, international auf der Bühne und im Konzerthaus gefragte Gast lockte viele Zuhörer in die MuK, die auch beim Montagskonzert noch gut besucht war. So konnten viele Zuhörer erleben, wie im ersten Lied von „Duft und Vogelsang“ und vom Wunder des Lichts gesungen wird und zugleich der Orchesterklang immer heller wird. Im „September“ wird der „sterbende Gartentraum“ Klang, der durch das Horn „die müdgewordenen Augen“ geschlossen bekommt. Die tiefen Streicher führen dann „Beim Schlafengehen“ mit allen Sinnen unter Begleitung der seelenvollen Solovioline (Carlos Johnson klangschön und mit feinem Ausdruck) in den „Zauberkreis der Nacht“. Bis „Im Abendrot“ zwei Menschen wandermüde sich fragen: „ist dies etwa der Tod?“ - Die Sängerin hatte großen Eindruck gemacht, der sich erst nach einer langen Pause in heftigen Beifall wandelte.

Foto: Hildegard PrzybylaFoto: Hildegard Przybyla

Nach der Pause folgte dann Brahms 3. Sinfonie, damit die Rückkehr zu absoluter Musik, die aus sich ihren Sinn bezieht, nicht aus einem Text. Wenn man für die Ouvertüre auch gern einen Hintergrund finden möchte, so kann man es dort ebenso wenig wie bei der dargebotenen Sinfonie, Brahms dritter, uraufgeführt 1883. Sie beginnt mit drei Akkordtürmungen. Sie schwanken zwischen Dur und Moll und schüren Erwartungen. Durch das ganze Werk ist diese harmonische wie melodische Spannung unüberhörbar. Dennoch bietet Brahms im zweiten Satz oder im dritten abgemilderte, gar tänzerische Perioden und hält trotzdem insgesamt für mehr als eine halbe Stunde in Atem. Stefan Vladar gelingt es, dies mit seinem Orchester konsequent durchzuhalten. Eine beachtenswerte Leistung war zu bewundern, die entsprechend mit Beifall honoriert wurde!


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