Zwei ganz besondere Musikwerke hatte das siebente Konzert der Lübecker Philharmoniker auf dem Programm (5. und 6. Mai 24), das eine ein klassisches Klavierkonzert, das andere eine romantische Sinfonie. Von beidem gibt es viele, auch herausragend schöne. Dennoch sticht die Verbindung gerade dieser beiden Werke hervor, weil beide ganz besondere Beispiele ihrer Art waren.
Das erste, das Klavierwerk, hatte das Schicksal, Schlusspunkt eines besonderen Schaffens zu werden. Es ist Wolfgang Amadeus Mozarts letztes Konzert für dieses Instrument, von ihm im Alter von 35 Jahren noch selbst öffentlich vorgestellt - nur neun Monate vor seinem frühen Tode. Er hatte noch Größeres vor, die „Zauberflöte“ z.B. oder sein „Requiem“. Dennoch wirkt dieses Konzert auch wegen seiner Unbeschwertheit so besonders, da es das Kämpferische der Gattungsgeschwister vorher vergessen lässt. Dieses Werk ist beseelt von einem freundlichen, positiv stimmenden Ausdruck, auch wenn immer wieder Moll-Eintrübungen das Heitere plötzlich verwischen und auch wenn zu Beginn des Allegro-Satzes noch leichte, trotzig wirkende Gegensätze anklingen. Die Streicher tragen dort ein aufsteigendes Dreiklang-Thema mit einem verspielten Abstieg vor, werden von den wenigen Bläsern jedoch durch ein kurzes, kantig absteigendes Dreiklangsmotiv im Forte zurückgewiesen. Das wiederholt sich sogar noch. Schnell stellt sich danach aber Gemeinsames ein, zumal wenn beim Einsatz des Solisten die gleiche Partie sich friedlicher anhört: Das Trotzmotiv erklingt jetzt im Piano, auch weicher dadurch, dass es Violinen und Bratschen artikulieren.
Stefan Vladar spielte hier eine Doppelrolle als Dirigent und Solist. Trotz der Doppelbelastung merkte man keine Anstrengung. Solist und Tutti fanden sich sehr gut in allen Passagen, bei den Unterbrechungen durch die kurzen Bläserepisoden wie bei dem durch Synkopen belebten Seitensatz oder den kichernden Vorschlägen im Seitenthema. Einzig die rasende Hast beim Beginn der Solokadenz wollte keinen Sinn machen.
Der erste Satz ist der gewichtigste, der zweite, ein warmes Larghetto. Es hat im Anfangsthema ein paar hübsche Finessen. Dazu gehören die absteigende Kette von Sextakkorden und die anschließende Chromatik, aber auch ein leicht melancholischer Anflug spielt mit. Frei davon ist der sprudelnde Finalsatz, der als Besonderheit ein auch heute noch bekanntes Mozartlied zum Thema hat. Es ist die Melodie zu „Sehnsucht nach dem Frühlinge“, ein Lied, dessen Text mit „Komm, lieber Mai, und mache“ beginnt. Was man nicht vergessen sollte, ist, dass der Textdichter Christian Adolph Overbeck war und der zur Mozart-Zeit unter anderem Bürgermeister der Hansestadt Lübeck.
Ein Besonderes der Sinfonie im zweiten Teil ist, dass sie ganz explizit bereits von ihrem Komponisten „Romantische“ genannt wurde. Es ist Anton Bruckners 4. Sinfonie, ein gewichtiges Werk, 90 Jahre nach Mozarts Konzert und auch in Wien uraufgeführt. Einige Fassungen gibt es von ihr, weil Bruckner das Werk immer wieder umarbeitete. Das ist ein Zeichen dafür, dass sein Schöpfer um jede Ausdrucksnuance rang. Wohl jeder spürte die Geschlossenheit der Sinfonie und ihre Ausdrucksvielfalt. Stefan Vladar fand eine bemerkenswerte Ruhe, das groß besetzte Orchester mit vielen Aushilfen, allein 13 davon Streicher, zu dem großartigen Eindruck zu animieren. Das Publikum, selbst am Montag-Abend war die MuK stark besetzt, zeigte sich selten gebannt, erfreut von der Leistung vor allem des Horns gleich zu Anfang, das allein schon für die besondere Stimmung dieser Sinfonie sorgte, der Celli mit dem trauermarschartigen Thema im zweiten Satz, des nahezu Artistische der Hörner im dritten oder das stürmische Tutti im Finale.
Der Beifall wollte nicht enden, zumal diese Sinfonie wegen ihrer Ansprüche bei Wiedergabe und Besetzung länger in Lübeck nicht zu hören war.
Fotos: Hildegard Przybyla