Alice Merton, Foto: (c) Holger Kistenmacher

Der Sonntag
Nachschlag zum Superkunstfestival

Am zweiten Tag des grandiosen Superkunstfestivals ballert die Sonne noch mehr als am ersten Tag. Das hat zur Folge, dass die Wege so langsam immer staubiger werden, was den Bedarf an Kaltgetränken und Cocktails kräftig anheizt. Apropos anheizen: Auf der Main Stage ist dafür die deutsche Popsängerin Alice Merton, 1993 in Frankfurt geboren, aber in Kanada aufgewachsen, zuständig.

Die quirlige Sängerin und ihre vierköpfige Band sorgen für beste Party-Laune hauptsächlich bei den jüngeren Festival-Besuchern. Die kennen nämlich die Texte ihrer Chart-Hits wie „No Roots“, „Hit the ground running“ oder „Why so serious“ und singen lautstark mit. Dazu tänzelt die charmante Musikerin in ihrem gelben Netz-Hemd, fröhlich die Arme schwenkend über die weitläufige Bühne.

Jesus  von Rumba Santa, Foto: (c) Holger KistenmacherJesus von Rumba Santa, Foto: (c) Holger Kistenmacher

Wer weiter das Tanzbein schwingen wollte war danach auf der Naturbühne genau richtig. Dort machten die Jungs von Rumba Santa eine richtige südamerikanische Party mit reichlich Gebläse und Rhythmen, die sofort in die Hüften gingen. Also sagten sich die Tanzwütigen: einen fruchtigen Cocktail in der Hand und die Tanzschuhe in die Höhe. Oder man drehte  mal wieder eine Runde und landete beim Zirkus, wo junge Athleten jonglierten und im Spagat in den Seilen hingen, während über die deutsche Geschichte erzählt wurde.

Dann wurde es Zeit für den abendlichen Haupt-Act: die auch langsam in die Jahre gekommenen Helden der Hamburger Schule, Tocotronic hatten sich angesagt. Die Hamburger Band rund um den Sänger und Gitarristen Dirk von Lowtzow, den Bassisten Jan Müller, den Schlagzeuger Arne Zank und schlußendlich dem Gitarristen Rick Mc Phail gehört seit 1993 zum Urgestein deutscher Rockmusik mit intelligenten Texten. Dass ihr musikalischer Anspruch auch nach 30 Jahren Bandgeschichte nicht nachgelassen hat, davon zeugt ihre neueste Scheibe „Nie wieder Krieg“, womit die Musiker auch den Abend angingen. Trotz dieses hehren Anspruchs ist ihre Bühne eher lustig ausstaffiert mit diversen Plüschtieren, was nicht nur die Kinder erfreute.

Jan Müller von Tocotronic, Foto: (c) Holger KistenmacherJan Müller von Tocotronic, Foto: (c) Holger Kistenmacher

Es folgten Songs wie „Jugend ohne Gott gegen Faschismus“ oder das bekannte „Aber hier leben“ (nein Danke!). Lowtzow gab dabei von der Bühnenmitte den Dirigenten, der sich auf dem langen Laufsteg „nicht zum Affen machen will“, das Publikum aber trotzdem gestenreich aufforderte, den Refrain mitzuschmettern. Die wichtigen, häufig geschmackvollen Texten, unterlegt mit schrammeligen Independent-Gitarrensound, kamen beim älteren Publikum super an. Viele erinnerten sich an Jahre alte Hits der Band und sangen und tanzten in die untergehende Sonne. Für mich ist danach erstmal Schluß. Man wird eben auch nicht jünger, und so ein Festival, wie klasse es auch ist, fordert bei mir so langsam den Tribut.

Egal, am Montag kommen ja noch die Freunde der DJ-Kunst mit Westbam und Konsorten auf ihre Kosten. Dazu viel Spaß wünscht Holger Kistenmacher!



Holger Kistenmacher
Holger Kistenmacher
Jahrgang 1956, freischaffender Journalist seit gut 25 Jahren, studierter Realschullehrer, praktizierender psychosozialer Betreuer, ambitionierter Fotograf und Kulturschreiber mit den Fachgebieten: Moderne Gegenwartskunst, Literatur, Musik zwischen Jazz und Rock, Nordische Filme, Moderner Tanz. Weltenbummler und Reisejournalist.

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