Hohe Luftfeuchtigkeit, die tröpfchenweise durch den Wind ins Gesicht geschlagen wird – und das bei Temperaturen um 5 °C – wer möchte da schon raus. Der gemütliche Abend wird von den LübeckerInnen daheim verbracht – von allen LübeckerInnen?
Nein, viele zog es in das Studiokonzert in der Musikhochschule Lübeck, noch mehr aber wollten ihre Seele im CVJM baumeln lassen. Menschen von 15 bis 75 Jahren sind dem Ruf des Phishbacher Trios gefolgt, um Audrey Martells, die neueste Entdeckung von Walter Fischbacher, der in den letzten Jahren jeweils im Herbst in Lübeck ein Konzert gab, zu feiern.
Nicht immer warten die regelmäßig im CVJM auftretenden KünstlerInnen mit Überraschungen auf. Bei Phishbacher ist das aber anders. Man kann sich bei ihm auf nichts verlassen – außer dass es mal wieder ein ungewöhnlicher Abend wird. Egal ob er mit seinem Namensvetter Axel Fischbacher auftritt oder mit seiner Frau, der begnadeten Sängerin Elisabeth Lohninger, den „Christmas in July“ feiert – es sind immer ganz besondere Konzerte. Die einzige Konstante ist die „Werbepause“, in der Walter seine vielen unterschiedlichen CD-Produktionen vorstellt.
Einen Konzertabend zu veranstalten, bei dem das Publikum in einer ganz besonderen Weise einbezogen wird, versuchen viele, aber das, was die neueste Entdeckung Phishbachers dem Publikum bot, war atemberaubend. „Soul Survivor“ ist der Name der Tour und der gleichnamigen CD, die Phishbacher mit der ehemaligen Backgroundsängerin Celine Dions, die nun endlich und verdientermaßen selbst im Rampenlicht steht, präsentierte. Eine Stimme wie Mensch es sich wünscht. Von einer weichen samtigen Stimme, die alle ZuhörerInnen verzaubert, hin zur expressionistischen Soulröhre, die einem Gänsehaut macht.
Auch die Musiker hatten ihren Spaß, selten habe ich Walter Fischbacher so häufig lachend am Piano gesehen, die Mimik vom Ausnahmeschlagzeuger Ulf Stricker ist mittlerweile legendär, und der Bassist Petr Dvorsky zeigte sich verliebt in sein Instrument und die Musik – abwechselnd mit reichlich Erstaunen im Gesicht. Wunderbar präsentierte Martells den Song „Sweet Regine“, den sie für Randy Crawford schrieb. Eine bessere Interpretation dieses Songs, den ich schon diverse Mal gecovert hörte, gibt es einfach nicht – auch nicht von Randy Crawford, die ich sehr schätze.
Unvergesslich wird dieser Abend aber für eine Person bleiben, die jüngste Besucherin des Konzertes. Audrey Martells animierte mit Tanzeinlagen und Händeklatschen das Publikum. Bei dem Song „Caution“ sollten verschiedene Gäste den Refrain ins Mikrofon singen, was mehr oder weniger gut gelang. Dann aber, als Audrey das Mikrofon an Mafalda (15 J.) reichte, war nicht nur sie überrascht von deren Stimmsicherheit, so dass Martells die Schülerin mit auf die Bühne zog, um den Song mit ihr gemeinsam zur großen Freude der ZuhörerInnen weiterzusingen. Frenetischer Applaus war der Dank an die beiden Sängerinnen.
In der New Yorker Szene wird das Phishbacher-Martells Projekt als „the next big thing“ gehandelt – sehr zu Recht! Wünschen wir ihnen doch den großen Erfolg und uns bitte eine Wiederholung im nächsten Jahr.
Übrigens, solche tollen Erlebnisse kann Mensch nur haben, wenn er sich auf das Experiment einlässt, Konzerte noch unbekannter, aber großartiger KünstlerInnen zu besuchen.