Christoph-Mathias Mueller

Mit üppiger Klangpalette gemalt
Konzert des Sinfonieorchesters der MHL

Das, was das Sinfonieorchester der Musikhochschule für den Auftritt am 8. Oktober 2016 erarbeitet hatte, gehört in die Kategorie dessen, was außergewöhnlich zu nennen ist.

Für das Programm, das am Tag vorher schon einmal im Großen Saal und am Folgetag noch einmal in Neumünster gespielt wurde, waren drei Beiträge vorbereitet worden, zwei Kompositionen aus dem Ballett-Bereich und ein Orchesterwerk, alle üppig, sehr farbig instrumentiert. Allein drei Harfen und Celesta, volles Blech mit vier Hörnern, von der Trompete bis zur Tuba, bei den Holzbläsern von der Piccoloflöte über Bassklarnette bis zum Kontrafagott, dazu zahlreiches Schlagwerk und eine gut besetzte Streichergruppe mit immerhin fünf Kontrabässen mussten sich den Raum auf der Bühne des Großen Saales teilen. 

Aber das eigentliche Erstaunliche war die Begeisterung, mit der sich die Spieler in diese Klangwelten vertieft hatten, angeleitet durch Christoph-Mathias Mueller, Chef des Göttinger Symphonie Orchesters. Er hatte in der kurzen Vorbereitungszeit einen spürbar guten Kontakt zu den jungen Musikern gefunden. Schon Maurice Ravels La Valse, an den Anfang gestellt, machte deutlich, wie präzise sie ihm bei der Melodik, bei der Agogik oder der Klangabstimmung folgten und wie bewegt sie Ravels Choreografisches Poem, wie es im Untertitel heißt, in seiner Vielschichtigkeit darzustellen vermochten. Dieser Abgesang an Wiener Walzerseligkeit ist wahrlich keine leichte Kost. Alles verlangt Präzision, der rauschende Dreiviertel-Takt, die schwelgerischen Streicher, doch auch die Gegenwelt mit den grummelnden Bässen bis hin zu den marschartigen, destruktiven Attacken. Ravels Komposition, 1920 uraufgeführt, ist mehr als eine Apotheose des Walzers, sie kündet von Verfall und Vergänglichkeit, von dem Verlöschen alten Glanzes. Das wurde hinreißend spürbar.

ProbenfotoProbenfoto

An der Stelle, an der gewöhnlich das Solistenkonzert steht, stand das 1964 uraufgeführte Orchesterstück Métaboles pour grand orchestre von Henri Dutilleux (1916-2013), auch das ein Werk der klanglichen und konstruktiven Finesse. Es passte an diese Stelle im Programm, denn die ununterbrochen hintereinander gespielten fünf Sätze sind eine Art von Konzert für Orchester. Im ersten sind es die Holzbläser, die im Vordergrund stehen, dann die Streicher, die Blechbläser und die Schlagzeuger, bevor im Finalteil alle vereint werden. Das gibt ungezählte Möglichkeiten zu effektvoller solistischer Präsentation, spannt sich von solistischer Cello-Kantilene, quasi ein Chanson, bis hin zu Anspielungen auf Big-Band-Klänge.

Nach der Pause führte Müller die Musiker dann in die russische Märchenwelt, die Igor Strawinsky im Feuervogel eingefangen hatte. Jüngst hatten die professionellen Kollegen in der MuK den Extrakt daraus, die Kurzfassung als Suite, geboten. Die jungen Musiker mussten sich mit der weit vielschichtigeren Ballettfassung aus dem Jahre 1910 vertraut machen, mit der der Komponist den Durchbruch als Klangzauberer schaffte. Das bedeutete eine Unzahl von Aufgaben, von emotionalen Impressionen bis zu immer noch frappanten Nachzeichnungen optischer Eindrücke, von melodiöser Feinarbeit etwa beim Reigentanz der Prinzessinnen über die furiosen Sprünge im Höllentanz Kastschejs bis zum grandiosen Schluss.

Die Begeisterung über die spannende, hoch konzentrierte Leistung der jungen Musiker war groß, und die dankten Mueller ihrerseits für sein präzises, bis in kleine Details sinnreich gestaltendes Leiten.

Arndt Voß
Aufgewachsen in Neumünster, in Lübeck seit 1959. Studium in Kiel und Hamburg (Musik- und Literaturwissenschaft). Ständige Mitarbeit an den Lübeckischen Blättern von 1974 bis 2014, Berichte und Kritiken darüber hinaus in einigen anderen Organen. Schwerpunktthemen: Musiktheater, Schauspiel, Konzerte.

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