Rares zum Saisonabschluss
Achtes Konzert der Lübecker Philharmoniker

Mit den vier sinfonischen Meditationen L’Ascension, einem frühen Werk von Olivier Messiaen, und dem Lobgesang von Felix Mendelssohn Bartholdy hatte GMD Ryusuke Numajiri für den Saisonabschluss zwei heute selten aufgeführte Werke auf dem Programm, die sich im Kontext zueinander wenig zu sagen haben, auch stilistisch weit auseinander liegen. Das eine ist geprägt durch einen intensiv empfundenen Katholizismus, das andere zeichnet einen philosophisch begründeten Ansatz aus, der im Protestantischen zu verorten ist.

In der sinfonischen Notunterkunft, der Rotunde der MuK, ist ein Werk wie L’Ascension schwer zu vermitteln (Der hier beschriebene Eindruck entstand beim Konzert am Montag, den 20. Juni 2016). Messiaen hatte das faszinierende Orchesterwerk später für Orgel bearbeitet. So mag zur Entstehungszeit dies Instrument und eine hallige Kirche bereits seine Klangvorstellung bestimmt haben. Aber die Akustik eines Kirchenraumes kann die Rotunde nicht ansatzweise bieten, wie sie auch impressionistische Klangsensibilität nicht unterstützt. Zudem sind die einzelnen Sätze nur im Kontext ihrer religiösen Bedeutung zu fassen. Der erste Satz z. B. ist choralartig und wird allein von Bläsern gespielt. Sein Titel verweist darauf, dass Christus hier den Vater um seine Verherrlichung bittet. Numajiri dirigierte den Satz mit einer intensiven Steigerung zum Schluss hin. Im zweiten faszinierte der impressionistische Beginn, eine unisono Klangmixtur von Bläsern, später dann eine über einen Bordun gelegte filigrane Mixtur, die in ihrer Klanglichkeit an den frühen Strawinsky erinnert. Im dritten, zugänglichsten Satz entfaltet sich ein großes Crescendo mit einem Tanzcharakter. Der vierte Satz schließlich, nur für Streicher komponiert, ist wie ein ergriffenes Gebet, das durch seine intensive Gestaltung trotz des unaufgelösten Septakkordes zum Schluss den Hörer eigenwillig in der Schwebe entlässt.

Mendelssohns Lobgesang, auch das Werk eines jungen Komponisten, war im Auftrag der Stadt Leipzig entstanden. Es erklang zur Vierhundertjahrfeier der Erfindung der Buchdruckerkunst. Ort der Uraufführung war die Thomaskirche, ein Raum, in dem Bibelzitate und Martin Rinckarts „Nun danket alle Gott“ passend waren. Rinckart, barocker Dichter in Leipzig, protestantischer Theologe und Kirchenmusiker, dankte in seinem Lied vor allem dafür, dass Gott sein Volk ans Licht geführt hat. Mendelssohn erweitert diese Vorstellungswelt durch eine Auswahl von Bibelzitaten, die seine Komposition in einen metaphorischen Zusammenhang zur Aufklärung stellt.

Um dieses musikalisch auszudrücken, erfand Mendelssohn für sein Werk eine Mischform aus Sinfonie und Kantate. In einer dreigliedrigen, rein instrumentalen Sinfonia mit einem Maestoso con moto, einem Allegretto un poco agitato und einem Adagio religioso schafft er zunächst eine musikalische Basis. Sie geht von dem Kerngedanken des zweiten Teiles aus, dem Lob Gottes. Maestoso erklingt dieser Satz auch in der Interpretation der Lübecker Philharmoniker. Zu dem zweiten Satz, einem Allegretto, zu dem ein nachdenkliches Klarinettensolo führt, fand der Dirigent einen besonderen Zugang, ließ ihn schwebend und leicht im Mendelssohn-Ton erklingen. Wirkungsvoll auch der kontrastive Mittelteil dieses Satzes, in dem der wunderbar fließenden Musik choralartige Unterbrechungen entgegengestellt werden. Der dritte Teil schließlich führt in seinem besinnlichen Ausdruck zum groß angelegten Kantatenteil.

Drei Solisten sind gefordert. Der Sopran Andrea Stadel und der Tenor Daniel Jenz, Mitglieder des Opernensembles, nutzten vollkommen ihre stimmlichen Möglichkeiten. Andrea Stadel überzeugte wie immer mit hervorragender Textverständlichkeit und sehr beweglicher, in allen Lagen rund klingender Stimme. Und auch Daniel Jenz fand mit seinem schlanken, doch kräftigen Tenor den rechten Kantatenton, der sich in seiner Arie Stricke des Todes dramatisch steigern konnte. Im zentralen Ich harrete des Herrn nutzt Mendelssohn einen weiteren Sopran, der in imitatorischer Führung eingesetzt ist. Hier bewährte sich Katharina Kühn, Mitglied im Opernelitestudio, im schönen Zusammenklang mit Andrea Stadel und dem Chor.

Zwei Chöre hatten sich für diese Aufführung zusammengefunden, der Theaterchor Lübeck, von Jan-Michael Krüger einstudiert, und der Carl-Philipp-Emanuel-Bach-Chor aus Hamburg, den Gabriele Pott vorbereitet hatte. Diese Zusammenarbeit war nicht zum ersten Male fruchtbar. Sie führte auch dazu, dass das gesamte Konzert ein drittes Mal in der Laeiszhalle in Hamburg aufgeführt wurde. Numajiri konnte sich auf den Chor verlassen, nutzte auch dessen Singfreude, forcierte in Tempo und Lautstärke aber in einigen Partien zu stark.

Mit großem Beifall dankte das Publikum, den Sängern, aber auch dem sehr differenziert gestaltenden Orchester.


Fotos: (c) Olaf Malzahn

Arndt Voß
Aufgewachsen in Neumünster, in Lübeck seit 1959. Studium in Kiel und Hamburg (Musik- und Literaturwissenschaft). Ständige Mitarbeit an den Lübeckischen Blättern von 1974 bis 2014, Berichte und Kritiken darüber hinaus in einigen anderen Organen. Schwerpunktthemen: Musiktheater, Schauspiel, Konzerte.

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