Foto: Esther Kaiser

CD-Tipps und Konzert-Ankündigungen
Musik für stille Momente

Jetzt ist Weihnachten vorbei, die Nächte immer noch lang, dafür regnet es oder ist anderweitig ungemütlich da draußen und Sie haben noch Gutscheine am Kühlschrank hängen: Ab in den Plattenladen oder zum Onlineshop Ihres Vertrauens und dann: aufs Sofa, in den Lieblingssessel mit Musik für eine ruhige Zeit.

Wie z. B.: Esther Kaiser – Songs Of Courage

Manchen ist sie vielleicht noch von ihrer letzten Produktion (dem ebenso sehr empfehlenswerten Album) Learning how to listen – the music of Abbey Lincoln bekannt. Nun hat die Professorin für Gesang Esther Kaiser eine große Band zusammengestellt, als da sind Tino Derado (piano), Marc Muellbauer (double bass), Roland Schneider (drums), Rüdiger Krause (guitar), Franz Bauer (vibes), Birgitta Flick (saxophone), Hasan Al Nour (kanun), Akram Younus Al-Siraj (cello) und Lauren Franklin-Steinmetz (ebenfalls cello) und zusammen mit diesen Musiker*innen aus verschiedenen Teilen der Welt Stücke von Künstler*innen wie John Lennon, David Bowie, Suzanne Vega, Hanns Eisler und Chick Corea eingespielt, die sie neu arrangierte und instrumentierte.

So erklingen bekannte Klassiker in einem ganz neuen Kontext und treten dort miteinander in Kommunikation. Denn Esther Kaiser versteht in ihrem neuen Projekt den Begriff „Courage“ als Herzenssache und möchte Welten miteinander verbinden, um eine gemeinsame musikalische Sprache zu finden für die Themen unserer Zeit. Jazzsounds treffen auf orientalische Klänge, Berliner Jazzmusiker auf geflüchtete Musiker aus Syrien und dem Irak. Das macht die Scheibe so besonders wie reizvoll. Esther Kaiser bleibt Teil des Ganzen, singt sich nicht in den Vordergrund (was sie auch gar nicht nötig hat) und ist gleichzeitig das Markenzeichen des gelungenen Gesamtkunstwerkes. Kommenden Freitag, den 18. Januar 2019, tritt sie im CVJM Lübeck auf. Wer Zeit hat, sollte unbedingt hingehen, wer keine Zeit hat, die Musik über CD entdecken.

Esther Kaiser: Songs Of Courage, GLM (Soulfood), August 2018, Amazon

Chris Gall – Room Of Silence

Das letzte Mal stellte ich Chris Gall mit seinem Klaviertrio vor. Der umtriebige Chiemgauer, gerade erst wieder zusammen mit Quadro Nuevo und dem Münchner Rundfunkorchester unter Leitung von Elisabeth Fuchs im Aufnahmestudio gewesen, veröffentlichte November letzten Jahres eine CD, deren Titel wie Inhalt die Richtung für diese CD-Rezensionen vorgegeben hat: Room Of Silence. Es ist nicht ganz leicht, Vergleiche zu seiner ersten Solo-CD zu ziehen, aber mir gefällt die aktuelle momentan noch besser. Gall spielt mit präzisem, feinst austariertem Anschlag Eigen- wie Fremdkompositionen, die den/die geneigte/n Hörer/in in einen abwechslungsreichen und gleichzeitig hypnotisierenden Hörfilm hineinnehmen. Alles passt, vom Cover der CD über die Auswahl der Stücke, die Interpretation bis hin zum Klang.

Nehmen Sie sich Zeit und setzen Sie sich vor Ihre Stereoanlage oder ziehen sie Ihren besten Kopfhörer über die Ohren und direkt vor Ihnen wird eines der drei Klaviere, die Gall benutzte, aus dem Boden wachsen und Sie umtönen. Die Aufnahmequalität ist überragend, Sie hören den voluminösen Klang eines Steinway wie den vielseitigen unperfekten Klang eines alten Klaviergauls (Feurich), der schon bessere Zeiten erlebt haben dürfte, aber für die ausgewählten Stücke besser passt als alles andere. Da gewinnen Galls eigene Werke wie die Interpretationen bekannter Künstler (Peterson, Jobim, Lennon) unabhängig von der herausragenden künstlerischen Qualität eine zusätzliche Faszination. Und (fast) alles hat eine Ruhe, die mittels der Schwingungen innere Räume erschließt, die man nicht mehr verlassen möchte. Da können selbst graue Tage farbenfroh werden.

Mit seinem Trio wird Gall am 08.02.2019 im CVJM auftreten. Solo spielt er einen Tag früher im Pianohaus Trübger in Hamburg.

Chris Gall: Room Of Silence, GLM (Soulfood), September 2018, Amazon

Lars Danielsson & Paolo Fresu – summerwind (ACT VÖ: 28.09.2018)

Na, ob sie sich doch nicht so richtig getraut haben und den Einstieg erleichtern wollten? Da beginnen sie ihr Album mit dem alten Klassiker Autumn Leaves. Nein, nötig haben die erfahrenen Jazzer das nicht. Es folgen Eigenkompostionen, Übersetzungen folkloristischer Wurzeln in den Jazz, auch einmal Filmmusik (Krzysztov Komeda) und natürlich Bach. Alles mit der Souveränität der beiden Granden an Bass (bisweilen auch Cello) und Trompete wie Flügelhorn. Der Schwede und der Italiener – beide waren letztes Jahr auch in Timmendorfer Strand zu erleben – haben mit summerwind ihre erste gemeinsame Duo-CD eingespielt. Beide können den Ton angeben wie begleiten (was manche als die eigentliche Herausforderung ansehen) und manchmal improvisieren sie parallel.

Entstanden ist ein poetisches Kunstwerk melodischer Linienführungen und sphärischer Hintergründe. Obwohl aus klimatisch wie kulturell unterschiedlichen Regionen, entwickeln die begehrten Solisten eine gemeinsame Sprache, wenn nicht gar ein gemeinsames Temperament, das meist ruhig und gelassen daherkommt. Und so vielfältig ist, dass es bei jedem Hören neue Entdeckungen anbietet.

Lars Danielsson & Paolo Fresu: summerwind, ACT (Edel), September 2018, Amazon

Tord Gustavsen Trio – The other side

Zuletzt ein Pianist, der ggf. die Fleisch gewordene Ruhe ist. Nach 11 Jahren hat er wieder eine Trioaufnahme eingespielt, und die hat es in sich. An seiner Seite einmal mehr der Schlagzeuger Jarle Vespestad, der bei Gustavsen schon seit rund zwanzig Jahren in treuen Diensten steht. Die Position des Bassisten hat auf der neuesten Scheibe Sigurd Hole inne, der mit seinen vielfältigen Einflüssen aus Folk wie modernem Jazz wie angegossen zu Gustavsens Interpretationen passt.

Stellen Sie sich ruhige, weite, langsam fließende Wasser vor, vielleicht in warmes Abendlicht, vielleicht in erwachende Sonnenstrahlen getaucht. Wasservögel, die darüber kreisen und sanft landen. Boote, die gemächlich und kaum Wellen werfend darüber hinweggleiten. Sie hören Kompositionen aus Gustavsens wie fremder Feder (mehrmals J. S. Bach), melodisch, das Gegenteil von hastig, Melodie gewordene Zeit, Muße, Ruhe. Die Werke haben bisweilen einen sich entwickelnden lyrischen Strang, manchmal sind es hingehauchte, beinahe astrale Klänge. Nichts ist gezwungen, alles fließt, tönt aus sich heraus. Eine Meditation in Musik.

Tord Gustavsen Trio: The other side, ECM (Universal Music), August 2018, Amazon


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