Duo Mignarda im Porträt
Magische Anziehungskraft

Ob Klassik-Kenner oder Pop-Fan: Diese Künstler begeistern Hörer der verschiedensten Musikrichtungen und Experten gleichermaßen. In Deutschland galten sie bislang als Geheimtipp, doch das ändert sich gerade.

Sängerin Donna Stewart und Lautenist Ron Andrico – besser bekannt als Duo Mignarda aus Cleveland, Ohio – überzeugen mit authentischen Interpretationen aus der Renaissance, die auf umfassender Recherche beruhen.

Neben den Werken des berühmten englischen Komponisten John Dowland gehören französische und italienische Liebeslieder aus dem 16. Jahrhundert ebenso zu Mignardas Repertoire wie Kirchenmusik in lateinischer und deutscher Sprache. Viele ihrer elf Alben wurden live in Kirchen aufgenommen. Es sind die Resonanz und die weiträumige Stille dieser Orte, die den intimen Charakter ihrer Musik und dessen magische Anziehungskraft am besten zur Geltung bringen. Man fühlt sich mitten hinein versetzt in die lyrische Atmosphäre, spürt die Leidenschaft, Melancholie, Hoffnung und Verzweiflung.

Video: „Flow my tears“ (von John Dowland)

Stewarts stimmliche Leistung ist beeindruckend. Der Klang ihrer Stimme ist sanft, elegant und einfühlsam, von einer reinen Klarheit und Natürlichkeit, dabei kraftvoll, dynamisch und ausdrucksstark mit einem unverwechselbar warmen Timbre. Andricos feinfühliges Lautenspiel unterstützt die gesangliche Darbietung nicht nur, sondern verschmilzt mit ihr zu einer virtuosen rhythmischen Einheit.

Dem Duo gelingt eine tiefgründige, lebendige und emotional bewegende Interpretation der Texte und der in ihnen verborgenen Gefühle. Bereits das 2006 veröffentlichte Debüt „Divine Amarillis“ wurde mit dem JPF-Award für das beste Album in der Kategorie Klassischer Sologesang ausgezeichnet.

Video: „Mignonne, allons voir si la rose“ (aus „Divine Amarillis“)

Dass Mignarda so eng zusammenwirken und sich ihre Parts nahtlos ineinanderfügen, ist typisch für ihren Stil. Stewart und Andrico, die als erfahrene Sänger seit vielen Jahren an der Gestaltung einer lateinischen Messe mitwirken, begreifen ihre Musik als Polyphonie – als Zusammenspiel verschiedener Stimmen, in dem die Sängerin die obere Melodielinie und der Lautenist alle unteren Partien übernimmt.

In der Renaissance war es üblich, Chormusik auf diese Weise für Laute und Gesang zu arrangieren. Die Botschaft der Texte rückte dadurch in den Vordergrund. Guillaume Dufays „Vergine bella“, das auf der kommenden CD „Mater Dolorosa“ zu hören sein wird, ist nicht nur Ausdruck der Marienverehrung, sondern gemäß des Textes von Francesco Petrarca auch ein tief berührendes Hilfegesuch voller Hingabe und Zuneigung. Wegen des reinen, eleganten Vortragsstils und der klaren Artikulation wird Mignardas Interpretation in Expertenkreisen als die beste Version gehandelt.

Video: „Vergine bella“ (von Guillaume Dufay)

Generell spielt die Chormusik eine wichtige Rolle in der Karriere des Duos. „Ich habe mein Leben lang in Chören gesungen“, erzählt Stewart. „Dann tauchte Ron eines Tages in der Probe auf.“ Wenige Monate später folgte ihr erstes gemeinsames Konzert. Andrico, studierter Komponist und Multi-Instrumentalist, hatte sich zu dieser Zeit bereits der Lautenmusik verschrieben. „Als ich zum ersten Mal eine Laute hörte, war plötzlich alles andere egal. Man hat sein eigenes kleines Orchester auf dem Schoß“, erinnert er sich, noch immer fasziniert.

Für alle Projekte Mignardas fertigt Andrico eigene Arrangements für Laute und Gesang auf Basis der Originaldokumente an. Das Weihnachtsalbum „Magnum Mysterium“, das im vergangenen Jahr erschien und u. a. drei Stücke aus Deutschland enthält, ist dafür ein gutes Beispiel. Geschmeidig fließen die komplex verwobenen Stränge ineinander. Der Klang des Albums ist ruhig und klar, mal elegisch, mal engelhaft, aber immer besinnlich und voller Wärme, teilweise von Harfe begleitet. Über Stewarts Gesang schrieb das deutsche „Global Music Magazine“: „Sie versteht es, den Hörer mit ihrer Stimme zu fesseln.“

Video: Album „Magnum Mysterium“

Für Mignarda ist die historisch informierte Aufführungspraxis so grundlegend, dass ihre Recherche über das Studium von Originaldokumenten und die Arbeitsweise damaliger Künstler hinausgeht. Leben unter den rauen Realbedingungen der Zeit, aus der ihre Musik stammt, und spüren, was die Menschen damals fühlten – auch das gehört zu Mignardas Auffassung von Authentizität. Deshalb zogen sich die beiden für einige Zeit in eine Blockhütte abseits der Zivilisation zurück. Nur so könne man die Lebenssituation der Menschen nachvollziehen und die Musik leben, als würde sie in diesem Moment geschrieben, erklären die Künstler.

Ihr Konzept ist aufgegangen. Ron Andrico und Donna Stewart lassen Musik und Poesie für sich sprechen. Sie geben ihnen den Raum, den sie brauchen, um sich mit Anmut und Würde zu entfalten. Ein fachkundiger Fan schrieb ihnen: „Als Musikhistoriker wissen Sie sicherlich, dass in der Renaissance bestimmte herausragende Musiker als ‚göttlich‘ bezeichnet wurden. Nur sehr wenigen wurde dieser Titel erlaubt, da man annahm, dass sie das eigentliche Wesen der Musik vermitteln. Ich bin fest davon überzeugt, dass Sie diese Kriterien erfüllen.“ Mit anderen Worten: Mignarda verleihen ihrer Musik eine Seele. Es sind Künstler wie sie, die als Meister ihres Fachs in die Geschichte eingehen werden.

Weitere Informationen zu Mignarda: www.mignarda.com

In allen CDs stöbern: https://mignarda.bandcamp.com

CD-Auswahl:
Mignarda: Magnum Mysterium – Advent & Christmas Music For Lute & Voice, Mignarda, 2016, Amazon
Mignarda: John Dowland – A Pilgrimes Solace, Mignarda, 2013, Amazon
Mignarda: Sfumato – Musica per voce e liuto del Rinascimento Italiano, Mignarda, 2011, Amazon
Mignarda: Divine Amarillis – Airs de Court 1570-1640, Mignarda, 2006, Amazon

Jennifer Balthasar
Jennifer Balthasar
Publizistin M.A., Magisterstudium der Publizistik, Psychologie und Soziologie an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz. Freiberuflich tätig in den Bereichen Journalismus, Öffentlichkeitsarbeit und Unternehmenskommunikation. Ihre Schwerpunkte bei „unser Lübeck“ sind moderne Klaviermusik, Alte Musik, Weltmusik und Crossovers sowie gesellschaftsbezogene Literatur, klassischer und moderner Tanz.

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