Rob Halford, (c) Stefan Bollmann, Wikimedia

Die Autobiografie des Judas Priest-Sängers Rob Halford
Der Ober-Priester legt seine Beichte ab

Der Profi-Fußball ist neben der Heavy-Metal-Branche einer der wenigen gut bezahlten Erwerbszweige, wo ein Bekenntnis zu seiner eigenen Homosexualität das Ende der Karriere bedeuten kann.

So ist es kein Wunder, dass es in der Macho-Welt der heftigsten Metaller-Musik anscheinend so gut wie keine offenen Schwulen gibt. Damit will jetzt der Vorsänger der berühmten englischen Metal-Band Judas Priest, Rob Halford brechen, indem er seine äußerst offene, ehrliche und mit trockenem Humor gespickte Autobiografie: „Ich bekenne“ veröffentlicht hat.

Meine persönliche Begegnung mit den Leder-Männern von Judas Priest stammt aus den späten Siebziger Jahren, als ich selbst noch als Roadie für einen örtlichen Konzert-Veranstalter tätig war. Es muss wohl 1979 gewesen sein, als die Band in der Kieler Ostsee-Halle einen Auftritt hatte. Schon beim Sound-Check, als ich lässig an einer Orgelkiste mitten in der Halle stand, gab es einen Vorgeschmack auf das, was kommen sollte: Jeder Test-Schlag auf die Drums endete als Kracher in meiner Magen-Gegend. Welch ein Höllen-Lärm.

Der absolute Hammer aber war, als der Sänger Halford als Einstieg in die Metal-Show mit einer dicken Harley Davidson unter ohrenbetäubendem Lärm die Bühne enterte. Ein Ritual, das sich aus einer zufälligen Begebenheit mit einem Priest-Fan und Motorrad-Freund ergab. Halford kam auf die Idee, zum Song „Hell Bent for Leather“ mit dessen Maschine auf die Bühne zu brettern. Er beschreibt diese Begebenheit auf der Seite 172 der Biografie. Dieser lärmende Gag zu Beginn jeder Show wurde später über viele Jahre ein Markenzeichen von Judas Priest, genauso wie die Leder-Klamotten der Musiker.

Bis es dazu kam, musste der Sänger Halford aber durch die harte Schule des Lebens gehen. Als Arbeiterkind in der Nähe von Birmingham, der dreckigen Eisen- und Stahl-Gegend des sogenannten Black Country aufgewachsen, beginnt sein Leben bereits im Alter von 10 Jahren mit der Erkenntnis, dass er schwul ist. Er schildert seine ersten vorsichtigen Erfahrungen mit der Sexualität, aber berichtet auch von Missbrauch und einer Vergewaltigung in jungen Jahren und der ständigen Angst vor dem Coming-out.

Es folgten erste Bühnenerfahrungen, die Zuwendung zur heftigeren Musik und ein erstes Vorsingen bei Judas Priest. Was folgte war ein steiler Aufstieg aus der Sozialwohnung in Walsall zum Mega-Star der Metal-Szene. Auf dem Weg zum Weltruhm macht Halford aber auch Bekanntschaft mit Alkoholsucht, Drogen-Missbrauch, Polizeizellen und diversen unglückseligen Partnerschaften. Einerseits ist er berühmt und trifft auf viele seiner persönlichen Vorbilder und Helden, andererseits drückt er sich jahrelang in Klappen und schmierigen Schwulen-Treffs rum, um ein wenig seine Homosexualität auszuleben. Mal kettet er sich an Andy Warhol per Handschellen, um mit ihm in den berühmten Club 54 zu gelangen, dann trifft er auf seine Musik-Helden von Led Zeppelin oder Iron Maiden.

Seine persönlichen Beziehungen werden größtenteils zu Tragödien, weil sich die vermeintlichen Liebhaber meist als Hetero-Sexuelle herausstellen, die sich einfach gerne mit ihm betrinken und Drogen einwerfen. Überhaupt wird tierisch gesoffen und mit allerlei Drogen herum experimentiert, während er und seine Band immer höher aufsteigen auf den Olymp der Heavy Metal-Musik. Als er sich 1986 das Leben nehmen will, begibt er sich endlich in eine Sucht-Klinik und macht eine erfolgreiche Therapie. Seitdem ist er clean, aber bis er sich endlich 1998 eher zufällig während eines MTV-Interviews outet, dauert es noch viele schmerzhafte Jahre voller Sehnsucht nach einer echten Partnerschaft.

Dazwischen rutscht dann auch noch die eher ungewollte Trennung von Judas Priest, weil er sich gleichzeitig als Solo-Künstler versuchen will. Aus dem von den Fans gefeiertem Metal-God, eine Bezeichnung, die er sich später sogar patentieren lassen sollte, wurde wieder ein mittelmäßig erfolgreicher Musiker, der sich selbst als Elektro-Goth im Fu-Manchu-Look bei „2wo“ versuchte. Trotz all dieser musikalischen Irrungen und weiteren sexuellen Wirrungen, wie eine Nacht im kalifornischen Knast, weil ihn ein Undercover-Polizist mit der Hand in der Hose auf einem öffentlichen Klo erwischt hatte, verlief sein Leben turbulent. Er nannte diese Episode seine persönliche „George-Michael-Geschichte“, die glücklicherweise für ihn aber nicht öffentlich wurde. Dann endlich lernt er den Mann seines Lebens kennen: „Thomas - seinen Seelenverwandten und Fels in der Brandung“. Die beiden sind bis heute ein Paar.

2003 folgte dann die von allen Metal-Fans lang herbei gesehnt Reunion mit Judas Priest und Erfolge weltweit mit riesigen Tourneen über den ganzen Erdball, sensationellen Platten-Einspielungen und noch mehr Trubel. Er trifft Madonna, Lady Gaga und outet sich als Pop-Hure, weil ihm neben der heiligen Metal-Musik immer auch vieles aus der modernen Pop-Musik gefallen hat. Er fliegt mit Jimi Page von Led Zeppelin über den Strand von Rio de Janeiro, wo sie vor 300.000 Fans auftreten und trifft sogar auf die Königin von England, der er selbstvergessen die Hand schütteln will.

Halford nimmt in seiner Autobiografie kein Blatt vor den Mund und seine Wortwahl ist meist offen, authentisch, aber auch oft rotzig und rau. Über 520 Seiten würzt er seine Lebensbeichte mit diversen Anekdoten, witzigen Details seines harten Rocker-Daseins zwischen Suff und Trauer und gibt tiefe Einblicke in die Entstehung und Produktion der diversen Alben und Tourneen. Mittlerweile ist Rob Halford 70 Jahre alt, hat seine große Liebe gefunden und Frieden gemacht mit sich und seiner immer noch erfolgreichen Welt als Metal-God.

Die Autobiografie mag für einige seiner Fans ein Schocker sein, wie er selbst im Vorwort erwartet, aber gleichzeitig ist es auch ein starkes Bekenntnis zur Liebe. Nicht zuletzt feiert das Buch die Kraft des Heavy Metal, was aber selbst die Menschen, die nicht so auf diese krachende Musik stehen, nicht davon abhalten sollte, diese lesenswerten Memoiren zu lesen.

Rob Halford: „Ich bekenne“. Die Autobiografie des Sängers von Judas Priest; Heyne-Verlag München, 15. März 2021, 528 Seiten, Amazon.

Das Buch ist in den inhabergeführten Buchhandlungen BellingProsa, Buchfink, Arno Adler, Langenkamp, maKULaTUR und Buchstabe erhältlich.

Titelfoto: Rob Halford, (c) Stefan Bollmann, Wikimedia

Holger Kistenmacher
Holger Kistenmacher
Jahrgang 1956, freischaffender Journalist seit gut 25 Jahren, studierter Realschullehrer, praktizierender psychosozialer Betreuer, ambitionierter Fotograf und Kulturschreiber mit den Fachgebieten: Moderne Gegenwartskunst, Literatur, Musik zwischen Jazz und Rock, Nordische Filme, Moderner Tanz. Weltenbummler und Reisejournalist.

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