Johann Ludwig Lund. Jungfrau Maria mit Jesuskind und Johannesknaben. 1832. Den Hirschsprungske Samling. SMF Foto 2019

Johann Ludwig Lund - Malen in Europa
Das andere Goldene Zeitalter

Der zu unrecht vergessene deutsch-dänische Maler Johann Ludwig Lund wird derzeit im Museum Behnhaus wieder entdeckt.

Viele zu Lebzeiten bekannte Künstler sind aus dem kollektiven Gedächtnis verschwunden. So erging es auch dem deutsch-dänischen Maler Johann Ludwig Gebhard Lund (1777– 1867) – und dies völlig zu Unrecht: Mit seinen internationalen Kontakten und seiner langen Lehrtätigkeit an der Königlichen Akademie in Kopenhagen spielte er in den europäischen Künstlerkreisen der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts eine wichtige Rolle.

Lund zählte zu den wenigen dänischen Künstlern, die öffentliche Aufträge erhielten. Er gestaltete großformatige Historienbilder für öffentliche Gebäude und Altarbilder für Kirchen im ganzen Land. Zudem arbeitete er als Porträt- und Landschaftsmaler. Lund konnte sich auf ein internationales Netzwerk stützen, zu dem Friedrich Overbeck, Karl Philipp Fohr, Wilhelm Schadow, Johan Christian Clausen Dahl, Peter Cornelius, Caroline von Humboldt, Friederike Brun und Charlotte Schiller zählten. Freundschaftlich verbunden war er darüber hinaus mit Caspar David Friedrich, Bertel Thorvaldsen und Christian Daniel Rauch.

Johann Ludwig Lund. Landschaft bei Frederiksdal. 1822. Kunsthalle zu KielJohann Ludwig Lund. Landschaft bei Frederiksdal. 1822. Kunsthalle zu Kiel1796 begann Lund sein Malereistudium an der Königlich Dänischen Kunstakademie in Kopenhagen, die viele deutsche Künstler besuchten. Dort lernte er 1798 Caspar David Friedrich kennen. Von 1799 bis 1800 hielt sich Lund bei Friedrich in Dresden auf. Gemeinsam studierten sie mit Bleistift und Pinsel die landschaftliche Umgebung und sammelten erste Eindrücke einer erhabenen Natur.

Die entstandenen Aquarell- und Ölstudien waren Arbeitsgrundlagen für Landschaftsgemälde, die anschließend im Atelier entstanden - unter strengem Ausschluss der Natur, wie es Carl Gustav Carus Atelierfenster vorführt. Diese Landschaftsgemälde sind künstlerisch wohl durchdachte Kompositionen: Sie geben zu sehen, was in der Natur nicht unmittelbar ansichtig ist, aber vom Künstler wahrgenommen und gemalt werden kann: die vielen Manifestationen des Göttlichen, die sich in Stimmungen niederschlagen. Diese Vorgehensweise – das Studieren in der Natur und das Komponieren von Gemälden im Atelier – behielt sich Lund auch in Bildern bei, die von der italienischen und dänischen Landschaft inspiriert sind.

Von 1802 bis 1810 und von 1816 bis 1819 lebte Lund in Rom – einem Zentrum internationalen künstlerischen Austauschs. Er hatte dort täglich Kontakt zu anderen Künstlern – auch zu Friedrich Overbeck. Dessen Malerei muss ihn fasziniert haben: Übte man an Kunstakademien das Malen an Statuen der klassischen Antike, studierte Overbeck die Kirchenfresken und Altargemälde des Mittelalters und der Renaissance. Er fand in dieser Kunst eine einfache Bildsprache, die ein Glaubensgefühl verständlich und nacherlebbar macht.

Lund ließ sich von Overbecks Malerei inspirieren, kopierte selbst alte, italienische Altargemälde und nahm die Anregungen in seine religiöse Kunst auf. Er übernahm das Gesehene aber nicht einfach, sondern fand zu einer eigenen religiösen Malerei: Er malt die Figuren ohne Heiligenschein. Seine Maria trägt sogar eine Haube, wie sie für damalige Frauen üblich war (Siehe Titelbild). Sie erscheint damit fast häuslich. Mit Mimik und Gestik stellt Lund eine intime, familiäre Zuneigung dar. Möglicherweise stand seine Familie Modell für dieses Bild. Seine Heiligen wirken somit nicht entrückt. Sie nähern sich einer Familie aus Lunds Gegenwart an und zeigen Gefühle, die man selbst erfahren kann.

Johann Ludwig Lund. Selbstporträt im Alter von 50 Jahren. 1827. Pommersches MuseumJohann Ludwig Lund. Selbstporträt im Alter von 50 Jahren. 1827. Pommersches MuseumLund verstand sich als Historienmaler. 1800 ging er nach Paris, um im Atelier Jacques-Louis David­s zu lernen, also beim damals prominentesten Historienmaler. Dort lernte er eine Historienmalerei, die Spannungsmomente aus den Geschichten der klassischen Antike darstellte. Nach 1800 waren diese Motive jedoch so oft dargestellt, dass sie konventionell angemutet haben müssen.

Lund malte nicht einfach in der Tradition Davids, vielmehr machte er sich davon frei, fand eigene Motive und arbeitete daran, die Historienmalerei zu erneuern: So malte Lund Momente aus dänischen Sagen, die voller Aufbruchsstimmung sind – eine Aufbruchsstimmung, die nun auch die neue Historienmalerei ergreift. Seine Motive waren in der Historienmalerei neu. Zudem präsentiert er keine Spannungsmomente, sondern macht Geschichten durch dargestellte Emotionen nachfühlbar.

1813 bewarb sich Lund mit dem Gemälde Harbors Rückkehr aus der Schlacht auf die Professur für Historienmalerei an der Königlich Dänischen Kunstakademie in Kopenhagen. Er malt hier den Aufbruchsmoment, der am Anfang der gemeinsamen Geschichte des Paares Harbor und Signe steht. Diesen Aufbruchsmoment hat man bisher noch nie in einem Historiengemälde gesehen. Damit macht Lund ein selbstbewusstes Statement: Wie das Paar bricht er zu einer neuen Geschichte auf: Er gestaltet die neue Historienmalerei mit. So malt er nicht den Moment, in dem Harbor noch um Signes Hand kämpfen muss. Vielmehr ist dieser Kampf schon entschieden. Lund malt hier die vielen emotionalen Reaktionen darauf - von Freude bis Gram. Selbst wenn man die Erzählung nicht kennt, kann man daran eine Geschichte erzählen. Das Gemälde wurde angenommen und 1818 wurde Lund Professor.

Johann Ludwig Lund. Harbors Rückkehr aus der Schlacht. 1813, Akademiraadet Det Kongelige Akademi For De Skønne KunsterJohann Ludwig Lund. Harbors Rückkehr aus der Schlacht. 1813, Akademiraadet Det Kongelige Akademi For De Skønne Kunster

Dänemarks Goldenes Zeitalter ist bis heute das Stichwort für eine Malerei des 19. Jahrhunderts, die regionale Geschehnisse, lokale Landschaften und Menschen des Alltags „realistisch“ darstellt. Mit den Werken Lunds und seiner Schüler zeigt sich jedoch ein anderes Goldenes Zeitalter: Lunds Motiven und Malweisen ist anzusehen, dass er Impulse aus Deutschland, Frankreich, Italien und Dänemark aufnahm. Als er 1818 Professor für Historienmalerei an der Kopenhagener Kunstakademie wurde, gab er diese Impulse an die nächste Malergeneration weiter – etwa Johan Thomas Lundbye.

Die von der Sammlung Hirschsprung und dem Ribe Kunstmuseum konzipierte Ausstellung ist im deutsch-dänischen Freundschaftsjahr noch bis zum 10. Januar 2021 im Museum Behnhaus Drägerhaus zu sehen. Das deutsch-dänische Freundschaftsjahr ist der Anlass, diesen zu Unrecht vergessenen Künstler endlich wieder sichtbar zu machen.


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