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HR Giger
Albtraumwelten und Horrorvisionen

Die Fabrik der Künste in Hamburg ehrt mit einer Hommage den vor zwei Jahren verstorbenen Schweizer Maler, Bildhauer und Designer HR Giger, einen bedeutenden Vertreter des Surrealismus und Phantastischen Realismus. Im Fokus der Ausstellung stehen sein malerisches Œuvre sowie Skulpturen, Möbel und Filmdesign.

Sein Monster für Ridley Scotts Science-Fiction-Film Alien machte ihn 1979 weltberühmt. Ein Jahr später erhielt er dafür den Oscar in der Kategorie "Best Achievement for Visual Effects". In seinen Bildern und Skulpturen schuf er bizarre, apokalyptische Kreaturen von abgründiger Intensität.

Wer heute das Wort Alien hört, hat unweigerlich Gigers Filmmonster vor Augen: ein aus dem Ei entsprungener androgyner Außerirdischer mit langem Hinterkopf, vorschnellendem Gebiss im Gebiss, schleimigen Glibberfäden, langem Schwanz und raubtierartigem Körper. Das Monster massakrierte, bis auf den dritten Offizier Ellen Ripley, die gesamte Mannschaft des Raumschiffs Nostromo. Sein Alien machte Giger schlagartig berühmt. Er avancierte zur Kultfigur des Sciencefiction- und Horrorgenres. Weitere Filmprojekte folgten: Dune – Der Wüstenplanet, Poltergeist II, Alien III, Batman Forever oder Species sowie 2011 der Film Prometheus von Ridley Scott.

Den Schweizer auf seine Alien-Figuren zu reduzieren, wird seinem künstlerischen Œuvre allerdings nicht gerecht. Hansruedi Giger, im Februar 1940 in Chur im Schweizer Kanton Graubünden als Sohn einer Apothekerfamilie geboren, studierte zunächst Innenarchitektur und Industriedesign. Seit Ende der 60er Jahre arbeitete er als freischaffender Künstler. Surrealistische Gemälde in Ölfarben entstanden. Anfang der Siebziger entdeckte Giger die Airbrushtechnik (Spritzpistolentechnik), die für über zwanzig Jahre seine bevorzugte Maltechnik werden sollte. Erste internationale Erfolge feierte er mit Skulpturen und Bildern wie Astreunuchen, Koffer-Baby und Gebärmaschine  Monsterkinder mit Fliegerbrillen kauern in einem Pistolenlauf und warten auf den Abschuss. "Die ganz ursprünglichen Lebensprozesse wie Geburt, Tod, Sexualität haben mich stets fasziniert", erzählte Giger in einem Interview.

Seine fotorealistische Bildsprache provoziert: nackte Körper, kopulierende Paare, weibliche Geschlechtsteile und Phalli. Gigers Bilderkosmos bevölkern fiktive Architekturelemente, Totenschädel und skelettartige Kreaturen. Idealisierte Frauenkörper sind umgeben von Schläuchen, Schlangen, Gedärmen. Menschen und Maschinen verschmelzen; sie mutieren zu kryptischen Wesen, sogenannten "Biomechanoiden". Offenbaren diese Albtraumwelten und erotischen Phantasmen ein gespaltenes Seelenleben? "Nicht ich brauche die Psychologen, die Psychologen brauchen mich", hat Giger einmal gesagt.

Positive Resonanz fand sein Werk bei Künstlern aus der Tattoo-Szene und der Gestaltung von Plattencovern, von denen das Rolling Stone Magazine mehrere in die Top Hundert aller Zeiten wählte. Seine Malereien schmücken über zwanzig Cover, darunter Alben für die Blondie-Sängerin Debbie Harry, Celtic Frost, die Heavy-Metal-Band Danzig und Emerson, Lake and Palmer. In der etablierten Kunstszene dagegen führte Gigers düstere, surreale Bilderwelt zu kontroversen Diskussionen. Ist das Kunst? Vulgärsurrealismus? Science-Fiction-Kitsch? 

Der Rundgang durch die über zwei Stockwerke verteilten Ausstellungsräume fordert den Besucher heraus. Rund einhundert Exponate, Zeichnungen, Graphiken und Gemälde, Skulpturen und das Modell seiner Giger-Bar stürzen den Betrachter in die Abgründe der menschlichen Seele. Was ist das Faszinierende an Gigers Kunst? Es ist seine visionäre Phantasie, seine Kreativität, die rätselhafte Bild-Symbolik sowie die technische Perfektion der grafischen Werke und Airbrush-Malereien. Der Besucher sollte sich Zeit nehmen, an die Objekte herantreten, um die vielen Details aufzunehmen. Das allsehende Auge, in der ägyptischen Mythologie das Auge des Sonnengottes Re und ein Symbol der Freimaurer, fixiert den Betrachter in dem großformatigen Bild Aleph aus den 70er Jahren. Kopulierende Mutanten, Totenschädel und Gerippe, Vulva- und Phallus-Sympbole irritieren den Betrachter, lassen ihn schwanken zwischen Faszination und "Igittigitt".

Als Gruselkabinett entpuppt sch das Modell der Giger-Bar in seiner Heimatstadt Chur, das zum ersten Mal öffentlich gezeigt wird. Die Gewölbedecke überspannen unzählige Bögen in Form von knochigen Wirbelsäulen. Tische und Säulen, Stühle, Sitzbänke zieren aufeinandergetürmte Totenschädel. Spektakulär ist der Harkonnen-Stuhl, ursprünglich für den Film Dune entworfen. Er besteht aus einer meterhohen Lehne in Form eines Rückgrats mit Beckenknochen. Faszinierend seine Skulpturen Goggle Baby und Biomechanoiden 2002. Vor roter Wand steht der kaltglänzende weibliche Aluminiumtorso mit Stahl-Brustwarzen und anatomischem Innenleben. 

Vergessen Sie Salvatore Dalí, Ernst Fuchs und Hieronymus Bosch: Der Phantastische Realismus hat in HR Giger seinen Meister gefunden.

Giger war auf zahlreichen Ausstellungen in Europa und in Tokio, New York, vertreten. 1998 wurde im Schloss St. Germain in Gruyères das HR Giger Museum eröffnet. 

Die sehenswerte Ausstellung Hommage an HR Giger ist bis zum 6. März 2016 in der Fabrik der Künste, Kreuzbrook 12, 20537 Hamburg, zu besichtigen. Nicht nur für Fantasy- und Science-Fiction-Fans ein Muss.

Öffnungszeiten: Di. – Sa.: 14.00  19.00 Uhr, So.: 11.00 – 18.00 Uhr

 
Fotos: Christel Busch


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