Die Ausstellung im Archäologischen Museum Hamburg präsentiert vom 22. März bis zum 16. Juni 2019 Fotoarbeiten der Reisefotografin Yvonne von Schweinitz (1921-2015). Die historischen Fotodokumente zeigen ein detailreiches Bild von Syrien.
Über siebzig Schwarz-Weiß-Fotografien und zahlreiche Farbdias, aufgenommen mit der Rolleiflex und verschiedenen Kleinbildkameras, vermitteln den Eindruck von einer Kultur wie aus Tausendundeiner Nacht: historische Denkmäler und Ruinen, Moscheen und Heiligtümer, das Alltagsleben in den Städten und auf dem Lande, freundliche, zugewandte Menschen auf den Straßen und in den Basaren.
Von Schweinitz, damals noch Gräfin von Kanitz, stammt aus einem ostpreußischen Adelsgeschlecht. Als Tochter des Grafen Albrecht von Kanitz und seiner Frau Ilse von Borcke im damaligen Freien Danzig geboren, wuchs sie mit vier Geschwistern auf Schloss Cappenberg in Westfalen auf. Ihr Vater schenkte ihr eine Kamera und weckte damit ihre Leidenschaft für die Fotografie. Nach dem Zweiten Weltkrieg studierte sie zunächst Romanistik, Kunstgeschichte und Germanistik in Göttingen, Tübingen und Freiburg im Breisgau. Hier lernte sie den Pressefotografen Willy Pragher kennen, der gerade einen eigenen Bilderdienst aufbaute. Mit ihm arbeitete die junge Frau zusammen. Pragher nahm auch ihre späteren Fotoarbeiten aus Syrien und Afghanistan in sein Bildarchiv auf. 1957 heiratete die Adelige Victor von Schweinitz einen Manager bei Ferrostaal in Essen. Als Fotografin begleitete sie ihren Mann auf Reisen nach Nordafrika, Südamerika sowie in den Nahen und Mittleren Osten, wo zahlreiche Bildreportagen entstanden.
Gemeinsam mit dem Schweizer Filmschauspieler, Autor und Abenteurer Hans von Meiss-Teuffen und zunächst zwei weiteren Journalisten startete die 32-Jährige 1953 ihre erste Fotoreise in den damals noch friedlichen Orient – 1960 erfolgte die zweite Reise. Mit dem Auto, einem Hillman Minx, war die Gruppe 1953 in der Türkei, Syrien, Jordanien, Israel, Irak, Iran bis nach Afghanistan und Pakistan unterwegs. Von ihren Reisen brachte sie hunderte von Fotografien und Dias mit, die heute legendäre und teilweise einzigartige Fotodokumente sind. Diese historischen Aufnahmen werden jetzt von den beiden Kuratoren Claus Friede, Contemporary Arts und Mathias von Marcard von Marcard Pro Arte & V V GmbH in der Ausstellung „Syrien – Fragmente einer Reise. Fragmente einer Zeit“ einem interessierten Publikum im Archäologischen Museum in Hamburg vorgestellt.
Folgen wir also der spannenden fotografischen Reise durch Syrien, die – wie es im Untertitel heißt – aufgrund der Bildfülle nur eine fragmentarische Reise sein kann: Es waren noch ruhige und friedliebende Jahre. Nach dem Ersten Weltkrieg und der Niederlage des Osmanischen Reiches teilten die Siegermächte, das Vereinigte Britische Königreich und Frankreich, die Region untereinander auf und legten die Grenzen für Syrien, Palästina, den Libanon und den Irak fest. 1946 wurde die Unabhängigkeit der Syrischen Republik ausgerufen. Syrien war also bereits seit sieben Jahre von Frankreich unabhängig und befand sich in einer Phase des wirtschaftlichen Aufbruchs unter eigenstaatlicher Verwaltung, als diese Fotobilder entstanden. Im Jahr 1958 vereinigte sich Syrien mit Ägypten zur Vereinigten Arabischen Republik. Ein misslungenes Projekt, das bereits drei Jahre später mit einem Militärputsch endete.
Nachdem die Schweizer Journalistengruppe aus dem Libanon kommend die Grenze zur Hauptstadt Damaskus überschritten hatte, ging die Reiseroute weiter gen Norden zu den uralten und bedeutenden Handelsstädten Homs, Hama und Aleppo. Es folgten Abstecher in die Wüstenoase Palmyra und ins Alawiten-Gebirge zur Kreuzritterburg „Krak des Chevaliers“ sowie bis zur nördlichen, türkischen Grenze, zum Qal‘at Sim’an, dem byzantinischen „Simeonskloster“.
Eine großartige Fotoserie entstand, die zeigt, wie fortschrittlich und weltoffen das Land einst war. Die zeigt, mit welcher Neugierde die Menschen auf die fremde Fotografin aus Europa reagierten – und umgekehrt. Die Fotografien belegen aber auch die Gastfreundschaft seiner Bewohner, ihr Interesse und ihre Faszination für alles Fremde. Die Gesichter strahlen Selbstbewusstsein aus, Freundlichkeit und Offenheit, selten Bedenken oder Skepsis. Hinzu kommen verschleierte Frauen, die das quirlige Straßenleben bereichern, Gewürz- und Korbhändler tätigen auf den Straßen ihre Geschäfte oder Tuchhändler arbeiten verborgen im Hinterhof. Die Bilder vermitteln auch dem heutigen Betrachter hautnah das damalige Leben in dem unbekannten Land. Nachdem Mathias von Marcard und Claus Friede das Syrien-Archiv der 2015 verstorbenen Yvonne von Schweinitz gesichtet hatten, beschlossen sie, den überaus sehenswerten Syrien-Nachlass auszustellen.
Der Gang durch die Ausstellung orientiert sich daher an der Reiseroute, wobei die einzelnen Stationen mit geschichtlichen Hintergründen zu den Orten ergänzt werden. Neben den Fotografien hängen Banner mit den wichtigsten Informationen zur Geschichte Syriens. Sie belegen die reiche, bis über die Römerzeit hinausgehende Kultur, die wechselvolle Historie des Landes sowie die ethnische Vielfalt der Bevölkerung. Die Bilder zeigen aber auch karge Landschaften, Kamele und Schafherden auf engen Straßen. Manchmal prallen hier noch Pferdekarren und Automobile aufeinander: Tradition trifft sozusagen auf Moderne. Von Schweinitz‘ fotografischer Blick erfasst stille, oft berührende Momente und zuweilen sehr intime Szenen, die von der Faszination der Fotografin zeugen. Das macht die Schau unglaublich interessant und spannend.
Neben dem historischen Bildmaterial ergänzen aktuelle, vom Bürgerkrieg gezeichnete Satellitenbilder die Situation in Syrien. Sie geben dem Besucher einen traurigen Einblick in das aktuelle Bild des Landes, welches sich in den vergangenen fünfzig Jahren völlig konträr verändert hat: Es ist geprägt von dem seit 2011 tobenden Bürgerkrieg mit seinen unzähligen Toten, dem Leid der Kinder und Familien, zerbombten Städten und Kulturdenkmälern, von Millionen Menschen auf der Flucht. Hamburg ist nach dem Museum Fürstenfeldbruck die zweite Station der Wanderausstellung „Syrien – Fragmente einer Reise, Fragmente einer Zeit”.
Zu sehen ist die Ausstellung bis zum 16. Juni 2019 im Archäologischen Museum Hamburg. Die Öffnungszeiten sind Dienstag bis Sonntag von 10 bis 17 Uhr. Vernissage am 21. März: SYRIEN. Fragmente einer Reise, Fragmente einer Zeit
Die Kuratoren der Ausstellung, Prof. Claus Friede und Mathias von Marcard führen Sie durch die Ausstellung und geben einen umfassenden Einblick in deren Entstehungsgeschichte. Im Anschluss an die Führung können Sie die Ausstellung noch einmal mit anderen Augen betrachten und die neu gewonnenen Einblicke vertiefen.
Termine:
31.03.2019, 14-15 Uhr: Mathias von Marcard
28.04.2019, 14-15 Uhr: Prof. Claus Friede
12.05.2019, 14-15 Uhr: Mathias von Marcard
16.06.2019, 15-16 Uhr: Prof. Claus Friede (zum Abschluss der Ausstellung)