Foto: Olaf Malzahn

„Linie 1 – Fahr‘ mal wieder U-Bahn“ – Wenn Figurentheater auf Musical trifft

Zwei Jahre hatte es gedauert - von der ersten Idee bis zur Präsentation vor einem begeisterten Publikum. Dann war es endlich soweit: Am 1. Oktober 2015 feierte das Erfolgsmusical Linie 1 aus dem Jahre 1986 sowohl Comeback als auch Premiere in Lübeck.

Zum ersten Mal gelang es dem Lübecker Figurentheater, das von Dramaturgie, Bühnenbild und schauspielerischen Anforderungen her anspruchsvolle Stück so herunter zu brechen, dass es am Ende drei (!) Akteuren gelang, die Handlung kompakt, verständlich und ohne Brüche herüber zu bringen. Dabei hieß die Arbeitsplatzbeschreibung von Franziska Technau, Silke Technau und Stephan Schlafke unter anderem: Bühnenbildner, Tänzer, Sänger, Schauspieler, Kulissenschieber, Handpuppenspieler, Verwandlungskünstler - und das alles auf offener Bühne und in einem Tempo, das „Berlin“ angemessen ist. 41 liebevoll gestaltete und kostümierte Handpuppen wollten ihren Charakteren entsprechend bewegt sein!

Die Handlung spielt im Wesentlichen im Untergrund, also zwischen den U-Bahn-Stationen des Zoologischen Gartens und dem Schlesischen Tor im Westen Berlins der 80er Jahre, als „in jeder Himmelsrichtung Osten war“. Das unbedarfte Mädchen aus dem Westen Deutschlands landete dabei irgendwie am Bahnhof Zoo, wollte ihren Traumprinzen treffen und schlug ganz hart im Milieu des Großstadtdschungels auf. Sie erlebt die ganze Bandbreite der Klischees über Berlin, verkörpert von Personen, die zumeist „abgestürzt“, vom Leben gebeutelt sind und deren Zuhause der „underground“ ist - dabei aber immer das Herz auf dem rechten Fleck habend, nie den Mut verlierend und immer zu überraschenden Wendungen fähig.

Foto: Olaf MalzahnFoto: Olaf Malzahn

Auch wenn unsere Ausreißerin ihren „Märchenprinzen“ nicht findet und auch eine Katastrophe zu verarbeiten ist, so macht sie Erfahrungen, lernt Leute kennen, die vorher ohne die Fahrten mit der Linie 1 nicht zu ahnen waren. Alles verdichtet sich auf diese Weise zu einem echten Märchen, da es zu einer „fernen“ Zeit spielt, als es die Mauer noch gab. Allein die Grundmuster der Menschheitsdramen sind zu allen Epochen gleich.

Doch alles wäre nur halb so schön, wären die drei "Natives", also „eingeborene Berliner“, nicht in der Lage, das, was man unter „Berliner Schnauze“ versteht, 100 Minuten am Stück zu zelebrieren. Das ist schier überwältigend! So sitzt dann jede Pointe, gerät jede Szene zu einer Werbekampagne für Berlin und diesen besonderen Schlag von Menschen – und natürlich für das Figurentheater und sein Team.

Vergessen Sie also alles, was Sie vom Kasperle und dem Krokodil noch denken, und lassen Sie sich aus der Lübecker Provinz in die Achterbahn der Hauptstadt entführen. Sie werden es genussvoll überleben, und wer das Lübecker Figurentheater gleich bei der Petrikirche noch nie so im Visier hatte, für den steht die Linie 1 ab „Zoologischer Garten“ noch bis zum 3. Januar 2016 abfahrbereit am Bahnsteig. – „Fahr‘ mal wieder U-Bahn!“

Weitere Termine im Oktober: 16. und 17.10 jeweils 19.30 Uhr, 18.10 um 18 Uhr, 23. und 24.10 jeweils 19.30 Uhr, 25.10 um 18 Uhr, 30. und 31.10 jeweils um 19.30 Uhr


Fotos: (c) Olaf Malzahn


Kamera und Schnitt: Manfred Willner/ Lübecker Wochenschau


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